
In Rafah tötet die israelische Armee drei Terroristen. Einer von ihnen: Hamas-Anführer Yahya Sinwar, den Israel seit einem Jahr jagt. Rekonstruktion eines spektakulären Vorfalls im Gaza-Krieg.
Mittwoch, 16. Oktober, 10.00 Uhr: In Tel Sultan, einem Viertel der Stadt Rafah im Süden des Gazastreifens, entdeckt ein Soldat der israelischen Streitkräfte eine verdächtige Person. Er informiert die Kommandeure seines Bataillons der Bislamach-Brigade. Es ergeht der Befehl, das Gebäude, in dem der Terrorist sich bewegt, unter Feuer zu nehmen.
Gegen drei Uhr registriert eine Drohne drei Terroristen, die sich von Haus zu Haus bewegen, zwei vorneweg, offenbar dem dritten den Weg bahnend. Die israelischen Soldaten eröffnen das Feuer und verwunden zwei der Männer, der dritte entkommt in ein Gebäude. Die israelischen Soldaten nehmen das Gebäude unter Beschuss.
Was sich erst später herausstellt: Der dritte Mann ist Yahya Sinwar, Hamas-Anführer und der Kopf ganz oben auf der Todesliste der Israelis. Sinwar erklimmt ein weiteres Stockwerk, wirft zwei Handgranaten, die Soldaten ziehen sich zurück. Eine Rakete trifft das Gebäude. Nun fliegt eine Drohne durch die offene Front des weitgehend zerstörten Hauses.
Auf den Aufnahmen zu sehen: eine Gestalt mit einer Keffyeh um den Kopf, in einem Sessel sitzend und offenbar verwundet. Als der Mann die anfliegende Drohne erblickt, wirft er einen Stock nach ihr.
Der Augenblick, in dem die Drohne Yahya Sinwar entdeckt: Er sitzt in einem Sessel.
Sinwar greift nach einem hölzernen Stock...
...und schleudert ihn in Richtung Drohne.
In diesem Moment wird wieder das Feuer eröffnet, genau auf den Hamas-Terroristen. Eine Panzergranate trifft das Gebäude. Der Terrorist stirbt im Gefecht mit 19 Jahre jungen israelischen Soldaten, die gerade einmal seit neun Monaten in der Armee sind. Auch die beiden anderen Terroristen, offenbar seine Bodyguards, finden den Tod.
Da das Gebäude mit Sprengfallen gespickt ist, kehrt erst am Donnerstagmorgen eine Gruppe israelischer Soldaten in die Ruinen zurück, findet neben der Leiche, die eine Weste mit Handgranaten trägt, unter anderem eine Kalaschnikow, ein Feuerzeug, umgerechnet 10.000 Euro in bar – und den Ausweis eines UNRWA-Angestellten, eines Lehrers. Möglicherweise der Ausweis seines Bodyguards.
Der Ausweis eines UN-Lehrers, der bei Sinwar gefunden wurde.
Die Soldaten legen das Gesicht der Leiche frei. Was sie nun ahnen und Stunden später offiziell bestätigt wird: Der getötete Terrorist ist die Nummer 1 der Hamas, Yahya Sinwar, der Mann, der das Massaker vom 7. Oktober vor einem Jahr plante und befehligte.
Dass sich Sinwar in der Gegend aufhielt, war der Armee bekannt. Unweit des Tunnels, in dem im August sechs israelische Geiseln ermordet worden waren, hatte man in einem Raum DNA des Top-Terroristen gefunden. Obwohl die IDF intensiv nach ihm gesucht hatten, war die Tötung Sinwars keine gezielte Operation, sondern Zufall: Sinwars Identität wurde bestätigt, nachdem die Leiche in die forensische Pathologie Abu Kabir gebracht worden war.
Israelische Soldaten transportieren die Leiche Sinwars ab.Da Sinwar 23 Jahre in israelischen Gefängnissen gesessen hatte, ging der DNA-Abgleich relativ schnell vonstatten, auch der prekäre Zustand des Gebisses war eindeutig. Somit steht fest: Nachdem die Israelis fast alle Top-Terroristen der Hamas ausgeschaltet hat, inklusive des gefürchteten Mohammad Deif und Ismail Haniyeh, und auch Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah gezielt eliminierte, ist der Kopf der Hamas erwischt worden.
Yahya Sinwar saß in Israel ein, geboren 1962 in Chan Yunis, Gazastreifen (also noch unter ägyptischer Besatzung), war einer der Gründer der Hamas und besonders grausam gegenüber Kollaborateuren, die er eigenhändig mit einem Palästinensertuch erdrosselte. Wegen Mordes an vier Palästinensern und zwei Israelis wurde er 1988 zu lebenslanger Haft in einem israelischen Gefängnis verurteilt.
Während er einsaß, wurde ein Tumor diagnostiziert, Sinwar in einem israelischen Krankenhaus operiert. Seine eigenen Geiseln, die 250 am 7. Oktober nach Gaza verschleppten Israelis, behandelte er hingegen barbarisch, sie hungerten und erhielten keine Medikamente, wurden und werden gefoltert und missbraucht.
2011 wurde Sinwar, der im Knast Hebräisch lernte, als einer von 1027 palästinensischen Häftlingen gegen den israelischen Soldaten Gilad Schalit ausgetauscht. Er kehrte in den Gazastreifen zurück, wo er wegen seiner brutalen Vorgehensweise gegen Palästinenser, die der Zusammenarbeit mit Israel verdächtigt wurde, den Beinamen „Schlächter von Chan Yunis“ erhielt. Auch den Kommandeur der Qassam-Brigaden Mahmoud Ishtiwi, ließ er hinrichten – wegen „Homosexualität“. So viel zu „Queers for Palestine“.
Die Bevölkerung von Gaza war für Sinwar nur als Kanonenfutter im ewigen Dschihad gegen Israel interessant. Seit 30 Jahren wird dort ein Jahrgang nach dem anderen auf den Krieg gegen „die Juden“ gedrillt. Sinwar wusste genau, was er mit dem Überfall am 7. Oktober in Kauf nahm – und er war bereit, für die Propaganda zahllose Palästinenser über die Klinge springen zu lassen.
Sinwar mit einem kleinen „Märtyrer“ – die nächste Generation, die er in den Dschihad schickt.
Nach der Liquidierung von Ismail Haniyeh übernahm Sinwar auch die politische Führung der islamistischen Terrororganisation Hamas. Nach dem 7. Oktober wurde er zum meistgejagten Mann der Welt, entkam den Israelis mehrmals nur knapp. Offenbar hatte Sinwar diesmal versucht, sich aus Rafah abzusetzen – und fand dort sein verdientes Ende.
Herzi Halevi, Generalstabschef der israelischen Armee, am Ort des Geschehens.
Und hier kommt die Politik ins Spiel. Mehrere Staaten hatten noch im März versucht, Israel von der Offensive in Rafah abzuhalten, darunter die USA, Frankreich und Deutschland. Mit Verweis auf die humanitäre Lage sollte Israel von Einsätzen im Süden des Gazastreifens absehen. US-Vizepräsidentin Kamala Harris sagte wörtlich: “I have studied the maps... It would be a huge mistake for Israel to go into Rafah” (Ich habe die Landkarten studiert, es wäre ein riesiger Fehler von Israel, in Rafah einzumarschieren).
Hätten die Israelis dem Druck nachgegeben und die Rafah-Offensive abgeblasen, wäre Noa Argamani nie aus der Geiselhaft befreit worden, Sinwar würde noch leben – und ungezählte Terroristen der Hamas der Niederlage und Entwaffnung entkommen. Von ihrem Geschwätz im März will Harris jetzt nichts wissen, jetzt sagt sie: „Yahya Sinwar, der Führer der Hamas, war für die Tötung Tausender unschuldiger Menschen verantwortlich, darunter die Opfer des 7. Oktober und die in Gaza getöteten Geiseln. Er hatte amerikanisches Blut an seinen Händen. Durch seinen Tod sind die Vereinigten Staaten, Israel und die ganze Welt besser dran - und dieser Moment gibt uns die Möglichkeit, den Krieg in Gaza endlich zu beenden.“
Auch aus dem Auswärtigen Amt sind ganz neue Töne zu vernehmen: Bei X wird Baerbock zitiert: „Sinwar war ein brutaler Mörder und Terrorist, der Israel und seine Menschen vernichten wollte. Als Drahtzieher des Terrors am 7. Oktober brachte er tausenden Menschen den Tod und unermessliches Leid über eine ganze Region. Die Hamas muss jetzt sofort alle Geiseln freilassen und die Waffen niederlegen, das Leid der Menschen in Gaza muss endlich aufhören.“
Von der Kampagne „All Eyes on Rafah“, die damals de facto von westlichen Regierungen unterstützt wurde, ist immerhin keine Rede mehr. Interessant aber, dass das „Leid der Menschen in Gaza“ als Argument angeführt wird, das der Menschen in Israel hält man im Auswärtigen Amt, wo man sich schon mal mit Antisemiten zum Austausch beim Abendessen trifft, offenbar nicht für erwähnenswert. Noch am 29. September hat Annalena Baerbock einen dreiwöchigen Waffenstillstand gefordert. Die Zeit hätte Yahya Sinwar sicher gern genutzt, um aus Rafah zu entkommen.
Gut, dass die Regierung in Jerusalem tut, was getan werden muss, die goldenen Worte von Dan Schueftan vom National Security Studies Center an der Universität Haifa beherzigend: Wann immer Sie nicht wissen, was zu tun ist: Fragen Sie die Europäer. Machen Sie dann das Gegenteil.
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