
Zu den bekanntesten deutschen Innovationen der letzten Jahre gehört die verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates, eine Art Thermomix der staatlichen Diskurslenkung. Da der Begriff keine definierten Grenzen kennt, eignet er sich zur nahezu beliebigen Verdachtsschöpfung nicht nur gegen politische Gruppen, sondern auch gegen einzelne Bürger. Der Grundgedanke der vDdS lautet: Nicht die Staatsvertreter müssen sich um Legitimierung durch die Bürger bemühen, sondern umgekehrt, der Bürger schuldet sie ihnen, und es kann für ihn zu unangenehmen Konsequenzen führen, wenn er dabei herumzickt.
Wie fast immer entsteht zu einem neuen Begriff auch die dialektische Ableitung, nämlich die bisher wenig beachtete Delegitimierung des Staates von innen. Das, was wohlmeinende deutsche Politiker und Journalisten für die USA, Ungarn und andere internationale Verdachtsfälle diagnostizieren, nämlich die Aushöhlung von Institutionen, kommt in Deutschland so schnell und erfolgreich voran wie kaum irgendwo sonst. Aushöhlen beziehungsweise unterminieren kann sich eine Institution nur selbst, so, wie in Wirklichkeit nur Staatsvertreter den Staat delegitimieren können. Während sich dieser Prozess gerade im Inneren abspielt, nimmt die Vorreiterrolle Deutschlands nach Außen gleichzeitig ganz neue Formen an. Am 8. Mai 2025, zum 80. Jahrestag des Kriegsendes, zeigte sich das neue Selbstverständnis des politisch-medialen Komplexes in seiner ganzen Feiertagspracht. Beides gehört zusammen wie Yin und Yang.
Um mit der Selbstdelegitimierung zu beginnen: Das Bundesamt für Verfassungsschutz, Erfinder der vDdS, stufte bekanntlich die AfD als „gesichert rechtsextremistisch“ ein, veröffentlichte allerdings nur den Befund und eine kurze Mitteilung. Das Gutachten selbst bleibt für die Öffentlichkeit Verschlusssache, jedenfalls offiziell – im Zuge der juristischen Auseinandersetzung wiederholt der Nachrichtendienst die Einstufung vorerst nicht, aber sie bleibt bestehen; entgegen anderslautenden Meldungen nimmt die Behörde sie nicht zurück. Die Bürger sollen also erfahren, dass es sich bei der größten Oppositionspartei um eine Organisation der Unberührbaren handelt. Sie sollen daraus auch unbedingt ihre Schlussfolgerungen ziehen, was ja im Übrigen auch bereits geschieht. Da arbeiten einige schon der politischen Führung entgegen.
Das Publikum soll aber nicht erfahren, worauf der Verfassungsschutz sein Urteil stützt. Jedenfalls nicht auf dem institutionellen Kanal. Als beispielsweise dieses Medium in Köln nach dem Gutachten fragte und um Einsichtnahme bat, lautete die Antwort: Gutachten zur Einstufung von Parteien seien grundsätzlich nicht öffentlich. Daraus dürfe aber nicht der Schluss gezogen werden, es gebe überhaupt kein Papier zur AfD. Einer ganzen Reihe von Kollegen ging es genauso, aber eben nicht allen.
Schon Ende 2024 ließ Jean Peters, Mitarbeiter der gesichert regierungsfinanzierten Plattform „Correctiv“, in einem Gespräch mit der Weltwoche sein Detailwissen aufblitzen, als er fallenließ, das Verfassungsschutzdokument zur AfD liege mittlerweile in der dritten Fassung auf den Schreibtischen der Nachrichtendienstler. Der Spiegel bekam in Faesers letzten Amtstagen die ganzen 1108 vertraulichen Gutachtenseiten, um sie privilegiert auszuwerten. Das Blatt veröffentlichte nicht den gesamten Wortlaut, sondern einen Ausschnitt mit Kommentarrahmung, es übernahm also faktisch die Pressearbeit für den Geheimdienst. Immerhin erfährt man auf diese Weise, dass zu den 353 gesammelten AfD-Äußerungen in dem Dossier auch folgendes Zitat von Alice Weidel gehört, die 2023 zu den gewalttätigen Ausschreitungen von französischen Jugendlichen mit arabischen Wurzeln meinte: „Natürlich ist das bei uns möglich, weil dadurch die Parallelgesellschaften gefördert wurden, wenn sie einfach […] einen zu großen Influx haben von Menschen aus einem kulturfremden Kontext, aus gewaltbereiten Kulturen, so Messerkriminalität zum Beispiel.“ Der Verfassungsschutz ordnet das in die Kategorie „ethnisch-abstammungsmäßige Aussagen und Positionen“ ein.
In den Belegen für staatsgefährdende Verfassungsfeindlichkeit findet sich auch ein Posting der Bundespartei auf X: „Freibäder sind zu Angsträumen geworden, Messerattacken an der Tagesordnung, während die etablierten Parteien wegschauen“, illustriert mit einem dunkelhäutigen Männerarm und einer Hand, die ein blutverschmiertes Messer hält. In dem Jahr, als die Partei diesen verfassungsschutzrelevanten Inhalt twitterte, schloss die Berliner Polizei beispielsweise das Freibad Gropiusstadt und das Columbia-Bad vorübergehend, weil sie die Gewalt zwischen Gruppen dort nicht mehr anders eindämmen konnte. Immerhin: Durch die Badschließung verschwindet praktischerweise auch der Angstraum, jedenfalls für den Moment.
Was die Messerkriminalität angeht: Im Jahr 2024 gab es deutschlandweit 29.000 polizeibekannte Fälle von Angriffen mit einer Stichwaffe, eine Steigerung von 11 Prozent zum Vorjahr, im Schnitt endet alle drei Tage ein Angriff tödlich. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk bestreitet die Entwicklung im Gegensatz zu früher auch nicht mehr. Er ordnet das Geschehen nur etwas anders ein als die AfD, nämlich sinngemäß: „Nun stechen sie halt zu.“
Rhetorisch durchaus zugespitzte Äußerungen kommen auch vor, etwa: „Islamistische Hetzer, die geistig in der Steinzeit leben, haben in unserem Land nichts zu suchen.“ Oh pardon, hier irrte sich der Autor gerade in der Spalte. Das Zitat stammt nämlich von der damaligen Innenministerin Nancy Faeser, die im Juni 2024 das Mannheimer Messerattentat auf Michael Stürzenberger und den Polizisten Rouven kommentierte. Deshalb landete es auch nicht in der Verfassungsschutz-Rubrik „ethnisch-abstammungsmäßige Aussagen“ beziehungsweise „Islamophobie“, sondern in der gesichert verfassungsschutzfernen Sparte‚ was verantwortliche Politiker nach islamischen Anschlägen so von sich geben, um entschlossenes Handeln anzukündigen, zu dem es dann aber nie kommt.
Neben den einzelnen Zitaten enthält das Verfassungsschutzgutachten die Behauptung, jeder, der einen historisch-kulturellen Volksbegriff benutze, mache sich damit automatisch zum Verfassungsfeind. Einen solchen Begriff benutzte bisher jede Bundesregierung, etwa in Bezug auf die Russlanddeutschen oder die Förderung deutscher Kultur in Rumänien. Er findet sich sogar im Grundgesetz. Dass der Nachrichtendienst auftragsgemäß für das Vorgehen gegen eine Oppositionspartei Äußerungen und Begriffe zusammenstellt, die andere ganz ähnlich benutzen, ohne damit die Aufmerksamkeit der Behörde auf sich zu ziehen, macht das Einstufungsgutachten zu einer bizarren, aber auch lächerlichen Angelegenheit. Und dass angeblich geheime Informationen aus dem Bereich des Innenministeriums bei Vertrauensjournalisten landen, passiert auch nicht zum ersten Mal. Von der morgendlichen Polizeiaktion gegen den Herausgeber von Compact, der einem Polizeigroßaufgebot die Tür im Bademantel öffnen musste, wussten genügend Presseleute, die sich schon beizeiten eine günstige Kameraschussposition sichern konnten.
Als 2021 die Republik angeblich im letzten Moment vor einer Machtübernahme durch ältere Herren und Damen um Prinz Reuß gerettet wurde, kannten gut zwei Dutzend Journalisten schon lange vorher Orte und Uhrzeit der hochgeheimen Polizeiaktion. Der Prozess gegen die neun Beinaheputschisten schleppt sich übrigens ins zweite Jahr, ohne dass die Staatsanwaltschaft bisher irgendwelche konkreten Pläne der Angeklagten zum Regierungssturz vorgelegt hätte. Schon seit Monaten gibt es kaum noch Medienberichte über das Verfahren.
Normalerweise müsste der Informationsabfluss im Fall des AfD-Gutachtens und in den Fällen Compact und Reuß-Festnahme Staatsanwälte auf den Plan rufen, zumal, wenn es laut Regierung jedes Mal um die Grundfesten der Demokratie geht. Natürlich passiert das nicht. Natürlich weiß jeder, dass sich hier keine Datenlecks gegen den Willen der politischen Spitze auftun. Gründlicher als die abgetretene Innenministerin, der Verfassungsschutz und hilfreiche Medienleute könnte niemand Institutionen aushöhlen, delegitimieren und zum Gespött machen, weder die AfD noch Einzelbürger.
Für einen Moment sollte man sich das spiegelbildliche Szenario vorstellen: Donald Trump beauftragt den Geheimdienst, ein Dossier über den linksradikalen Rand der Demokraten zusammenzuschreiben (den es ja durchaus gibt), lässt dann die Einstufung als gesichert linksradikal verkünden, verweigert aber der Öffentlichkeit Einsicht in die Unterlagen. Das Konvolut landet dann wundersamerweise bei befreundeten Journalisten, die daraus zitieren dürfen. Dabei stellt sich heraus, dass es sich bei dem Belastungsmaterial um völlig banale Aussagen handelt, teils nur Zustandsbeschreibungen.
Trotzdem fordern von Trumps Administration bezahlte Organisationen Sofortmaßnahmen, beispielsweise die Säuberung des öffentlichen Dienstes von linken Demokraten. Die Justiz macht augenzwinkernd mit, denn man weiß sich ja einig im Ziel. Medienschaffende können in diesen Vorgängen abgesehen von ein paar Uneinsichtigen beim besten Willen nichts Anstößiges erkennen. Auch nicht darin, dass der Präsident eine Plattform mit Steuergeld finanziert, die behauptet, Journalismus zu betreiben, und in Wirklichkeit strategisch gezielt manipulative Behauptungen über die Opposition in Umlauf bringt. Zugegeben, es handelt sich um ein sehr hypothetisches, ja geradezu wildes Gedankenexperiment. Deshalb könnte es sein, dass deutsche Politiker und Medien diese Vorgänge beobachten und unisono feststellen, das sei eine innere Angelegenheit der Amerikaner, in die sich die Bundesrepublik besser nicht einmischen sollte.
Wie gesagt: Der letzte Absatz lässt der Phantasie in jeder Hinsicht freien Lauf.
Bekanntlich kritisierte der amerikanische Außenminister Marco Rubio das Geheimverfahren gegen die AfD auf X. Worauf ihm das Auswärtige Amt in Berlin auf der gleichen Plattform erklärte, genauso – auch wenn man davon in Washington keine Ahnung habe – definiere sich eben Demokratie: „Diese Entscheidung ist das Ergebnis einer durchdachten und unabhängigen Untersuchung, um unsere Verfassung und die Herrschaft des Rechts zu schützen. Es sind unabhängige Gerichte, die das letzte Wort haben. Wir haben aus unserer Geschichte gelernt, das rechtsextreme Extremisten gestoppt werden müssen.“
Ein nichtöffentliches Vorgehen des weisungsabhängigen Geheimdienstes gegen die größte und einzige rechte Oppositionspartei des Landes, während die Spitzen einer gesichert linksradikalen und -extremen Partei problemlos die Erschießung beziehungsweise Arbeitslager für Gegner und die vollständige Errichtung des Sozialismus fordern können, was ihrem tätowierten Antikapitalismusmaskottchen Talkshoweinladungen im Dutzend einbringt – so und nicht anders lautet die regierungsamtliche Lehre aus NS- und SED-Diktatur, die besser niemand bezweifelt, wer im etablierten Medien-, Kultur- und Wissenschaftsbetrieb nicht in der Karrieresackgasse landen möchte.
Auf die Erwiderung des amerikanischen Vize-Außenministers Christopher Landau reagierte der Twitterbeauftragte des Außenministeriums nicht: Landau erinnerte an seinen Vater, der als Jude nach dem „Anschluss“ Österreichs aus Wien fliehen musste, die US-Bürgerschaft erhielt und 1944 als GI nach Europa zurückkehrte. „Er floh nicht von den Folgen von zu viel freier Rede; er floh, weil diejenigen, die an Überwachung und Zensur von politischen Opponenten glaubten, an der Macht waren.“ Dann folgt ein Satz, der naturgemäß im Zentrum Berlins und an anderen Orten des bundesdeutschen Hochsinns den empfindsamsten aller Nerven trifft: „Bitte erspart uns das Moralisieren.“
Damit fordert Landau ernsthaft, dass die Funktionselite ausgerechnet auf die einzige Disziplin verzichtet, in der Deutschland noch einsam an der Weltspitze steht. Zu Rubio äußert sich nicht nur das Außenministerium, sondern auch der Weltanschauungsbeauftragte des ZDF, und das mit einer Eleganz und Brillanz, die ihm allein dafür den nächsten Grimme-Preis eintragen würde, wenn er dafür nicht sowieso schon ein Abo besäße wie weiland Jopi Heesters für den Bambi.
Der jüdische US-Vizeaußenminister mit dem Hinweis auf seine Familiengeschichte triggert deutsche Kommentatoren allerdings sehr viel stärker als Rubio oder sogar Trump. Alle in der folgenden Mentalitätsstudie twittern übrigens unter ihrem Klarnamen. Warum auch nicht? Stilistisch befinden sie sich in der Nähe des ZDF-Mitarbeiters, jedenfalls würden sie mit diesen Sätzen auf vielen Partys im inneren Berlins oder an deutschen Unis kein Missfallen erregen – im Gegensatz zu jedem, der sich beispielsweise kritisch über die staatliche und staatsnahe AfD-Bekämpfung äußert.
Was die Bemerkung eines X-Posters zum amerikanischen Bildungssystem angeht: In der internationalen TIMSS-Vergleichsstudie 2023 lagen deutsche Viert- und Achtklässler in naturwissenschaftlichen Fächern nicht nur wie immer weit hinter allen ostasiatischen Staaten, sondern auch hinter der Türkei und den USA. Nur in Mathematik halten Schüler aus Deutschland noch einen knappen Vorsprung vor den Amerikanern – rangieren aber auch hier ziemlich weit hinter der Türkei. Zahlen wie diese erklären, warum sich zum Glück nicht alle, aber ziemlich viele Repräsentanten in Politik, Medien und Wissenschaft und auch ganz normale Bürger so verhalten, wie es in den Beispielen weiter oben aufscheint: Auf die Universitäten und das Bildungssystem des Landes kann niemand mehr ernsthaft stolz sein.
Natürlich auch nicht auf seine Hauptstadt und nicht mehr auf die abwärts schlingernde Industrie. Als letzter intakter Mentalvorrat bleibt in dieser Lage der Stolz, aus der Geschichte gelernt zu haben – im Gegensatz zu den allermeisten anderen Nationen.
Und das führt zum zweiten Teil des Gesamtbilds: Parallel zur Selbstdemontage des Staates im Inneren durch seine Politiker, Behördenchefs und ausgewählte Medienschaffende etabliert sich die offizielle Bundesrepublik als Moralsupermacht, die sich in ihrer Superiorität gegenüber dem Rest der Welt nicht mehr schüchtern zurückhält. Auch und gerade am 8. Mai. Dieses Datum nutzte beispielsweise Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, um sich in seiner Rede vor allem die USA und Russland kritisch vorzunehmen.
Screenprint: Zeit Online
Die ARD-Sendung „Monitor“ weist zeitgleich nach, dass sich Deutschland zwar mit innenpolitischen Problemen herumschlägt, die alten Erbproblemfälle Frankreich und Polen aber sehr viel faschistischer dastehen.
Führende deutsche Medien wissen sowieso schon länger, dass der Nationalsozialismus heute auf der anderen Seite des Atlantiks wohnt.
via Stern
Daher auch der politisch-mediale Konsens, dass man sich im Land der wahren Hitlerbesieger von anderen überhaupt nichts sagen lassen muss. Das ändert sich aller Wahrscheinlichkeit auch unter der neuen Regierung nicht. Gleich am ersten Amtstag als Kanzler verbat sich Merz jeden Kommentar von Rubio und anderen zum Vorgehen gegen die AfD: Dort habe man „zu akzeptieren, wie wir mit demokratischen Institutionen umgehen, wie wir mit Parteien umgehen, das entscheiden wir und nicht die amerikanische Regierung“. Er habe sich schließlich auch nicht in die amerikanische Innenpolitik eingemischt.
Nun: In einem Interview mit der Deutschen Welle während der Sicherheitskonferenz 2025 in München meinte Merz: „Die Amerikaner stellen demokratische Institutionen in Frage“; aber alles in allem stimmt es, dass er sich zur US-Innenpolitik weniger äußerte als zu den Verhältnissen in anderen Ländern. Über Argentiniens Präsident Javier Milei, der die Inflation erfolgreich bekämpfte und das Land wieder zum Wirtschaftswachstum führte, meinte Merz beispielsweise in der Sendung „Maischberger“: „Was dieser Präsident dort macht, ruiniert das Land, er tritt die Menschen mit Füßen.“
Andere deutsche Repräsentanten übten weniger Zurückhaltung, etwa Steinmeier, der Trump 2016 einen „Hassprediger“ nannte, und den Mullahs im Iran zum Revolutionsjahrestag, aber dem Orange Man seinerzeit nicht zum Wahlsieg gratulierte. Als die italienische Polizei 2019 die Mittelmeerspediteurin Carola Rackete wegen illegaler Einschleusung von Migranten festhielt, teilte Steinmeier der Justiz dort unten sogar dezidiert mit, wie sie hier zu verfahren habe: „Wir dürfen von einem Land wie Italien erwarten, dass es mit einem solchen Fall anders umgeht.“ Die SPD-Europaabgeordnete Katarina Barley rief 2020 im Deutschlandfunk zu einer Strafaktion gegen Ungarns Regierungschef Viktor Orbán auf: „Wir müssen ihn aushungern, finanziell. Und wenn wir sagen, dann kriegst du auch kein Geld, dann wird er am Ende an der ein oder anderen Stelle, denke ich, auch einlenken müssen.“
Es herrscht also nicht erst seit heute oder gestern im offiziellen Deutschland eine große Einigkeit darüber, dass seine Mission darin besteht, die Politik anderer Staaten zu beurteilen, die Bürger dort zu belehren, und, falls es sich um ein kleines Land handelt, auch zu erziehen und zu bestrafen, während es umgekehrt die größte anzunehmende Dreistigkeit darstellt, wenn sich jemand von außen, wie es dann heißt, in deutsche Angelegenheiten einmischt. Aber sowohl in der Selbstzerstörung seiner Institutionen im Inneren als auch in der moralischen Aufblähung nach außen zeigt sich dieses Offizialdeutschland immer noch steigerungsfähig. Und das aus den oben schon angedeuteten Gründen. Es gibt kein Wirtschaftswachstum mehr, die bis vor kurzem noch halbwegs soliden Staatsfinanzen: perdu; die Autoindustrie ein Schatten ihrer selbst, der Energiesonderweg ein Gespött der Welt.
Im Inneren verhindert der Staat nicht, dass jeder vierte Schüler am Ende der 4. Klasse weder ausreichend lesen noch schreiben kann, er kann die zivile Ordnung in vielen Freibädern nicht mehr aufrechterhalten, er kann nicht verhindern, dass es in Berlin stellenweise so zugeht wie in Ramallah; er konnte weder den afghanischen Täter von Aschaffenburg noch den Syrer, der in der U2 in Berlin ein Zufallsopfer erstach, trotz deren umfangreichen Strafregister außer Landes oder wenigstens in Abschiebehaft bringen.
Der Neubau der in Dresden eingestürzten Carolabrücke, das steht jetzt schon fest, zieht sich bis ins Jahr 2035, in Ämtern rattern noch Faxgeräte; auf den Gebieten der Chipherstellung, der Künstlichen Intelligenz und der Gentechnik spielt die Musik längst weit außerhalb, von Nukleartechnik gar nicht zu reden. Es bleibt also wenig Zuflucht fürs Gemüt. Im Inland besteht sie darin, wenigstens zu notieren, wer sich wie zur Messerkriminalität äußert und daraus Geheimdokumente zu machen. Ebenfalls nach innen, aber noch mehr nach außen hängt der letzte Stolz an dem Anspruch, immerhin als Musterschüler der Geschichte über den anderen Nationen zu stehen. Vorsprung durch Belehrungstechnik – das kann ihnen keiner nehmen.
Ihnen, das meint: dem Deutschland der Repräsentanten, Funktionäre und NGO-Häuptlinge, den Amtskirchenoberen und der Moralbourgeoisie. Sehr viele Deutsche gehören nicht dazu, sie fühlen sich von diesen Personen auch nicht repräsentiert. Aber das Tagesschau-Bild genauso wie die Schauseite nach außen bestimmen nun einmal diese Kreise. Das Faeser-, Böhmermann- und Haldenwang-Land ändert sich auch durch den Abgang einzelner Figuren nicht. Kämen sie eins zu eins in einem Roman vor, würde jeder vernünftige Lektor rot am Manuskriptrand notieren: „Achtung, Knallcharge, Klischee – dringend überarbeiten.“ Im echten Leben besetzt dieser Typus die wichtigsten Kommandohöhen.
Die deutschen Geschichts- und Moralmeister wären nicht sie selbst, wenn sie das von ihnen gewünschte Verbot der rechten Opposition nicht sofort auch anderen Staaten als Vorbild empfehlen würden, um ihnen wieder einmal etwas vorzureiten. Die Virologin Isabella Eckerle beispielsweise, aus Corona-Zeiten bekannt als strikte Verfechterin der Impfung auch für Kinder und Masken selbst für Zweijährige, meint ganz aktuell, in Deutschland müsste die AfD auch deshalb verboten werden, um damit international „Leadership“ zu beweisen.
Führerschaft durch Oppositionsunterdrückung – besser lässt sich die Haltung des Juste Milieus nicht zusammenfassen. Aus der Geschichte lernt man in diesen Zirkeln tatsächlich, nur eben ein bisschen anders, als es dem Selbstbild der handelnden Personen entspricht. Der auch beim Bayerischen Rundfunk tätige Kabarettist Markus Barth beispielsweise bemüht einen Tier- und Hygienevergleich in Sachen AfD, und schöpft damit aus einer wirklich reichen deutschen Tradition.
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Jan Böhmermann entlarvte in seiner jüngsten Sendung einen 21-jährigen Studenten, der bisher anonym Ansichten postete, die der ZDF-Zuarbeiter für gesellschaftsschädlich hält. Deshalb drang Böhmermanns Redaktion in das Privatleben des jungen Mannes ein, um ihn vor einem Millionenpublikum zur Zielscheibe zu machen.
Auch zu der jüngsten Böhmermann-Aktion gibt es volle Zustimmung für die harten Maßnahmen gegen Schädlinge, die aus der formalen Meinungsfreiheit des Grundgesetzes falsche Schlüsse ziehen.
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Selbst wenn die AfD verboten würde, gäbe es keine Entspannung auf Seite der Wirhabenausdergeschichtegelernt-Fraktion. Ganz im Gegenteil. Denn dann müssten gut zehn Millionen Untergrundstaatsfeinde dauerüberwacht und erzogen werden, während sich der antifaschistische Dauerdienst die nächste nichtlinke Partei vornimmt.
Ein Verfassungsschutzschrieb hat tausend Seiten, und das nächste Parteienverbot ist immer das schwerste. Zusätzlich müssen sie noch moralrückständige Länder rund um die Welt schulmeistern, demnächst – je nach Ausgang der bevorstehenden Wahlen – vielleicht auch noch Frankreich, Großbritannien und wieder einmal Polen. Da kommt auf die Reiniger sogar eine Dreifachbelastung zu, die sie selbstverständlich auf sich nehmen würden wie ein moderner Atlas.
Sollten die Falschen linksrheinisch und auf der Insel gewinnen, dann könnte sich das heimliche Ideal der gelehrigsten Geschichtsschüler und besten Unsererdemokraten der Erde erfüllen: endlich eine Feier in Berlin zum 8. Mai ohne Amerikaner, Russen, Briten und Franzosen.
Man wäre ganz bei sich.