Das neue Zentrum der Macht verweist Europa in die zweite Reihe

vor etwa 4 Stunden

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Bildquelle: Tichys Einblick

Jetzt, da sich ein Ende des blutigen Konflikts in der Ukraine mit einem Sieg Russlands am Horizont abzeichnet, hat sich die Richtung des politischen Reisegeschehens europäischer Spitzenpolitiker um 180 Grad gedreht. Reisten Macron, Scholz und von der Leyen bis vor wenigen Monaten in illustrer Medienrunde, vornehmlich mit dem Zug nach Kiew, ist nun Washington das begehrte Reiseziel. Die Europäer erhoffen sich ausgerechnet von dem Mann, den sie seit einem Jahrzehnt mit allen (un)lauteren Mitteln bekämpfen, die Herbeiführung des Friedens in einem Konflikt, den sie bis zuletzt finanziell, mit Waffenlieferungen und ohne Rücksicht auf die ukrainische Bevölkerung und deren enormen Blutzoll, aktiv befeuerten.

US-Präsident Donald Trump empfing die Reisegruppe um Nato-Generalsekretär Mark Rutte und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im Anschluss an die Verhandlungsrunde mit dem ukrainischen Präsidenten Volodymyr Zelensky und fügte die Gespräche, an denen auch Bundeskanzler Friedrich Merz sowie die Staatschefs Großbritannien, Frankreichs, Italiens und Finnlands teilnahmen, in seine Verhandlungsagenda ein.

Das ist vor dem Hintergrund der jüngsten Russia-Gate-Enthüllungen, der anhaltenden verbalen Attacken der Europäer und der seinerzeit von London aktiv betriebenen Gegenkampagnen im US-Wahlkampf durchaus eine großzügige Geste des US-Präsidenten.

Die Washington-Reise endete die Rutte und Co. jedoch in einem Fiasko. Die Ukraine kauft Waffen für 100 Milliarden Euro, die von den Europäern bezahlt werden. Und selbst im Falle eines Friedens müssen sie nun allein für Kiews Sicherheit geradestehen. Im Prinzip hält Russland weiterhin die besseren Karten in der Hand. Russische Truppen realisieren kontinuierlich Geländegewinne und es ist bislang nicht klar, wie die Europäer nach dem Bruch des Minsk-Abkommens Russland von einem Friedensschluss überzeugen wollen. Die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel bestätigte 2022 in einem Interview mit der Zeit, man habe diesen Vertrag mit Russland lediglich abgeschlossen, um Zeit zur Aufrüstung der ukrainischen Armee zu gewinnen. Das ist der Stoff, mit dem Vertrauen exterminiert wird und der eine Heilung im Fortlauf der Ereignisse massiv erschwert.

Über allem schwebt die entscheidende Frage:

Weshalb sollte Russland einem Waffenstillstand oder gar einem Friedensvertrag zustimmen, wenn die Gegenseite den Zeitgewinn ausschließlich zur Konsolidierung ihrer militärischen Kräfte nutzen wird?

Selbstverständlich ist es das gute Recht der Europäer, eine eigene, autonom gesteuerte Rüstungsindustrie aufzubauen und selbst über ihre militärischen Interessen zu entscheiden. Doch in Moskau liest man die Milliarden für Panzer und Raketen als direkte Drohung, und als eine Aufrüstungsspirale, die außer Kontrolle zu geraten droht.

Und selbst an einem derart entscheidenden Verhandlungstag wiesen von der Leyen und Macron gleich mehrfach darauf hin, den Sanktionsdruck auf Russland hochhalten zu wollen und Waffenlieferungen an die Ukraine sicherzustellen. Konzilianz, diplomatischer Brückenbau. Nicht mit der EU!

Frankreichs Präsident Macron erklärte dazu, der Aggressor Russland weigere sich, einen Waffenstillstand und Frieden zu akzeptieren. Es werde keine Einschränkungen für die Größe der ukrainischen Streitkräfte geben.

Klingt so eine Kriegspartei, die tatsächlich an einem Frieden interessiert ist?

Was der gestrige Tag aufs Neue enthüllte ist, dass sich die europäische Politik im globalen Kräftefeld zwischen den USA, China und Russland längst in die zweite Liga der Macht verabschiedet hat. Und Trump versteht, dieses historische Faktum medial in Szene zu setzen. Ein Foto zeigt die Reisegruppe, nebeneinander wie Schuljungen vor dem mächtigen Eichenholztisch im Oval Office platziert. Eine weitere Schmach, die von der Leyen und Co. nach dem Abschluss des niederschmetternden Handelsdeals mit Trump über sich ergehen lassen mussten.

Es wird immer deutlicher, dass die Strategie der EU einzig und allein auf dem Versuch bestand, die USA auf das ukrainische Schlachtfeld zu zwingen und die Angelegenheit – wir kennen das aus der jüngeren Geschichte europäischer Großkonflikte – in ihrem Namen zu Ende zu führen.

Die Machtstruktur der USA, die Trump vorschwebt, ist handelsbasiert, sie fußt auf der Dominanz des US-Dollars und der Kapitalmarktintegration sowie einem überzeugenden Standortangebot für internationale Investoren. An alteuropäischen Konflikten, dem Ringen Europas um seine Energieunabhängigkeit, zeigt Trump keinerlei Interesse.

Die Europäer verließen Washington am Montag nicht nur mit leeren Händen. Sie wurden von Donald Trump zum Zwischenhändler der Waffenlieferungen an die Ukraine degradiert und dürfen sich nun alleinverantwortlich mit der Finanzierung des Kriegsdebakels herumschlagen. Europäisches Steuergeld, neue Schulden, die unmittelbar dem amerikanischen Rüstungssektor zugute kommen. Es ist der nächste Deal, den Trump in seine Bilanz schreiben kann.

Trump handelt sichtbar aus der Position der Stärke. Und wir erleben eine historische Volte, in der eine der alten europäischen Kolonien den Spieß umgedreht hat. Jahrhunderte nach der Unabhängigkeitserklärung wird nun der einstige Kolonialherr zum Tribut gezwungen.

Denn genau darum handelt es sich, wenn die EU sich verpflichtet, aus wirtschaftlicher und militärischer Schwäche und mit Blick auf ihre Energieabhängigkeit, Flüssiggas aus den USA zu erwerben und nun amerikanische Waffenlieferungen an die Ukraine zu finanzieren.

Das europäische Zeitalter geopolitischer Dominanz ist Geschichte. Es endete bereits mit dem Zweiten Weltkrieg, in dessen Gefolge die USA und später China hegemoniale Ansprüche erhoben. Donald Trump hat Europa nun zum zweiten Mal daran erinnert, dass das neue Machtzentrum der Globalpolitik im pazifischen Raum seinen neuen Gravitationspunkt hat.

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