
Wehrpflicht, ja oder nein? In welcher Form? Für wen? Die Meinungen hierzu gehen auseinander und treiben einen Keil nicht zuletzt durch die SPD, deren Verteidigungsminister Boris Pistorius die Wehrfähigkeit Deutschlands auch durch die Reaktivierung der Wehrpflicht sicherstellen will, während sich nun jüngst auch die Jusos querstellen: Für den SPD-Parteitag habe man einen Initiativantrag dazu vorbereitet, mit dem Titel „Freiwilligkeit statt Zwang: Unsere Vorstellungen für einen Wehrdienst“. Darin wird angemahnt, dass die Wehrpflicht keine Antworten auf strukturelle Probleme böte, und dass Rekruten über Freiwilligkeit gewonnen werden müssten.
Juso-Chef Philipp Türmer reagierte ungehalten auf den Vorstoß des Verteidigungsministers. Der hatte in der Talkshow „Caren Miosga“ durchblicken lassen, dass er im neuen Wehr-Gesetz eine Wehrpflicht-Option verankern wolle. Zwar setze das Gesetz zunächst auf Freiwilligkeit, doch sollten sich nicht genug Freiwillige bei der Bundeswehr melden, würde ein Mechanismus im Gesetz greifen, der Menschen auch verpflichtend einziehe, so der Minister. „Boris Pistorius hatte bisher eigentlich gezeigt, dass er die wahren Probleme der Bundeswehr angehen will. Die Zahl der Interessenten bei der Bundeswehr stieg zuletzt sogar. Deswegen bin ich von diesem Richtungswechsel so irritiert“, sagte Türmer gegenüber „T-Online“. Und weiter: „Die Wehrpflicht greift zu stark in das Leben junger Menschen ein, mit einem dabei mehr als ungewissen Nutzen. Sie stammt aus einer anderen Zeit. Mit einer Antwort der Vergangenheit kann man keine Probleme der Zukunft lösen“.
Zwar zeigt Türmers Aussage, dass er das Konzept einer allgemeinen Wehrpflicht nicht verstanden hat. Typisch egozentrisch missachtet er, dass die Erhaltung eines Gemeinwesens, das dem Individuum dient, auch den Einsatz des Individuums voraussetzt. Die Wehrpflicht ist alles andere als aus der Zeit gefallen: Sie soll der Entstehung einer Militärkaste ebenso vorbeugen wie der Tendenz, dass sich vorrangig Menschen von zweifelhafter ethischer Reife zum Dienst verpflichten lassen. Die Verantwortung des Bürgers wird betont, und er wird auch in die Lage versetzt, ihr gerecht zu werden. Das ist zu befürworten.
Wiedereinführung der Wehrpflicht: Das klingt groß und nach einem Paradigmenwechsel. Viel eher aber müsste man sich der Frage widmen, wie die so gewonnenen Rekruten angesichts der sich anbahnenden Kriegsrealitäten mehr sein sollten als Drohnenfutter.
Und dann steht da noch die eigentliche große Frage im Raum, um die Sozialisten wie Türmer natürlich einen großen Bogen machen: Wen und was sollen die Rekruten verteidigen? Derzeit wollen sich sowohl Deutschland als auch Europa militärisch endlich den Herausforderungen und Anforderungen des 21. Jahrhunderts stellen. Spät genug, nachdem man zweieinhalb Jahrzehnte lang versucht hat, zu ignorieren, dass keinesfalls das prognostizierte Ende der Geschichte eingetreten ist. Vollmundige Bekenntnisse und Ankündigungen unterstreichen den Anspruch, eigenständiger geopolitischer Akteur zu sein.
Letztlich aber hängt die Wehrfähigkeit bei aller KI und bei aller noch so ausgefeilten Technologie vom Menschen ab, der etwas als derart wert erachtet, dass er dafür sein Leben aufs Spiel setzt.
Und da bestehen in Deutschland derzeit nur unzureichende Anreize, die Regierung in ihrem Anliegen, die „Wehrfähigkeit“ sicherzustellen, zu unterstützen: Freie Bürger schützen ihr Land, weil sie ihre Kinder und ihre Familie lieben und schützen wollen, ihre Kultur und ihre Lebensart. Für höhere Diäten einer sie melkenden Politikerkaste, für räuberische Abgabenlast, gegen den Willen der Mehrheit durchgesetzte Massenmigration und Islamisierung, für sinnlosen und identitätslosen Materialismus, für Progress Pride-Flaggen und Hundemaskenfetische auf den entsprechenden Paraden riskiert niemand sein Leben. Ebenso wenig für ein Land, dessen Geburtenrate im Sinkflug begriffen ist, wofür die Politik keine andere Lösung parat hat, als Familien mehr zu belasten und ideologisch zu untergraben; für ein Land, in dem seit der Covid-Pandemie „Andersdenken“ zu Diffamierung und sozialem Tod führt, wo Menschen für freie Meinungsäußerung drangsaliert und verurteilt werden, und wo abseits der Dörfer kaum noch ein belastbares Gemeinschaftsgefühl besteht: Wer sollte sich für so ein Land einsetzen wollen, im schlimmsten Fall mit dem eigenen Leben? Wer soll ein Land verteidigen wollen, von dem seine Eliten vorrangig vermitteln, dass es zu nichts nütze sei denn als Quelle zur Selbstbereicherung? Wo jene Eliten selbstverständlich davon ausgehen, dass junge Menschen sich frag- und klaglos zur Verfügung zu stellen hätten, ohne zu wissen warum und wofür?
Ja, tatsächlich hat man den Eindruck, dass die Politik insbesondere auf Bundesebene geradezu planmäßig verhindern will, dass sich ein junger Mensch diesem Land gern und aus vollem Herzen verpflichtet. Das ändert aber nichts daran, dass man im Ernstfall auf die angewiesen ist, die man im Politikbetrieb geradezu am laufenden Band verhöhnt.
Man kann Philipp Türmer hier ruhig zustimmen: Aus der Zeit gefallen wäre es an dieser Stelle, auf nationalistisches Pathos zurückzugreifen. Die „alte Lüge“, dass es süß sei, fürs Vaterland zu sterben, die ist bereits seit dem Ersten Weltkrieg als solche entlarvt. Und sie trägt ganz gewiss nicht. Das bedeutet aber nicht, dass Heroismus und Opferbereitschaft an sich obsolet oder unwahrhaftig wären. Sie sind unabdingbar – aber sie verlangen nach einem tragfähigen Fundament und einem substanziellen Gut, das zu schützen wäre.
Dies in der derzeitigen Gestalt der deutschen oder westeuropäischen Gesellschaft zu entdecken, dürfte nicht nur Linken eher schwer fallen.
Insofern würde eine Reaktivierung einer wie auch immer gearteten Wehrpflicht nicht die Wehrfähigkeit erhöhen – sondern lediglich den Aufbau einer potemkinschen Wehrfähigkeitsillusion befördern, hinter deren Kulisse weitergewurschtelt wird, während man die Identifikation der Bürger mit ihrer Heimat hintertreibt und ihnen weiterhin seitens der Politik jede Motivation nimmt, sich für diese Heimat einzusetzen.