
ZDF heute hat am Dienstag Zahlen einer Aktivisten-Organisation ohne Einordnung in einen Beitrag über Opfer rechter Gewalt übernommen. NIUS hat den Sender um Stellungnahme gebeten und eine Antwort erhalten.
„Wir haben neun Todesopfer zu beklagen im letzten Jahr. Das ist wirklich, wirklich viel! Und eine Zunahme von Brandanschlägen, ganz viel rassistisch motiviert, das erinnert mich sehr an die Baseballschläger-Jahre“ sagte Judith Porath, Vorstandsmitglied vom Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt (VBRG), als sie am Dienstag in der Bundespressekonferenz die Jahresstatistik 2024 zu „rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt“ vortrug.
Ihre Aussage schaffte es in die 19-Uhr-Nachrichten des ZDF. Ohne weitere Einordnung wurde Poraths Statement zwischen Sprechertexte eingebettet. So heißt es zuvor: „Gerade im Osten des Landes sinkt die Schwelle der Gewaltbereitschaft sichtbar. Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus, Hass auf alles, was angeblich nicht deutsch ist, wird zur Normalität. Für die Opferberatungsstellen rechter Gewalt ist es schlimmer als in den Jahren nach der Wende.“
Nach Poraths Statement ging es dann mit den Worten weiter: „Die Beratungsstellen bezweifeln, ob alle Straftaten tatsächlich berücksichtigt werden“. Im Anschluss folgte ein Ausschnitt über den Brandanschlag in Solingen, bei dem im März 2024 zwei kleine Mädchen und ihre Eltern ums Leben kamen.
Dem Zuschauer, der sich nicht selbst über weitere Hintergründe informiert, wird durch diesen Zusammenschnitt unzweifelhaft suggeriert: Bei den neun Toten handelt es sich um Opfer rassistischer Neonazis.
Dabei zeigt ein Blick in die Auflistung der Fälle, die der Verband auf seiner Website veröffentlicht hat: Auch die drei Todesopfer der Messerattacke von Solingen sowie der Tod eines Kameruners durch einen Mann mit türkischen Wurzeln werden vom Verband zu den Toten durch „rechte Gewalt“ gezählt.
Im August 2024 richtete ein Islamist in Solingen ein Blutbad an.
Doch – was sagt das ZDF selbst zu dem grob falschen Eindruck, der durch das Weglassen dieser Tatsache entsteht? Auf eine NIUS-Anfrage, wie man diese Zuordnung bewerte, antwortete ein Sprecher ausweichend:
„In dem ‚heute‘-Beitrag über die von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt präsentierten, gestiegenen Zahlen zu politisch motivierten Straftaten wurde über den Brandanschlag auf ein Wohnhaus in Solingen vom März 2024 berichtet, bei dem vier Flüchtlinge starben und bei dem erst im Prozess ein Jahr später herauskam, dass der mutmaßliche Täter rechtsextreme Einstellungen hat. Auf diesen Fall bezugnehmend wurde ein O-Ton von Judith Porath, Vorstandsmitglied vom Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt (VBRG e.V.) gesendet, die Zweifel daran äußerte, dass alle Straftaten in der Statistik berücksichtigt worden seien. Der Messeranschlag in Solingen vom August 2024 war kein Thema in dem Beitrag. Bei Fragen, die Sie zu Pressemitteilungen der VBRG haben, müssen Sie sich direkt an den Verband wenden.“
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