Das sagten CDU und CSU wirklich über „Grenzschließungen“, wovon Merz jetzt nichts mehr wissen will

vor 2 Monaten

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„Niemand von uns will die Grenzen schließen, obwohl das im Wahlkampf streckenweise behauptet worden ist“, sagte CDU-Chef Friedrich Merz am ersten Tag nach der Bundestagswahl und bewegt mit diesem Satz die Gemüter: Ist das der langsame Rückzug von DEM Wahlversprechen der Union, vom sogenannten „Fünf-Punkte-Plan“, der Zurückweisungen an den Grenzen aller Asylbewerber beinhalten sollte und unverhandelbare Bedingungen für ein Regierungsbündnis sein sollte?

Als das Ergebnis der Bundestagswahl in der Nacht zum Montag um kurz nach halb zwei feststand, atmeten CDU und CSU auf, weil dank des knappen Ausscheidens des BSW kein Bündnis mit zwei linken Partnern, keine Afghanistan-Koalition mit SPD und der Grünen Partei notwendig ist, um eine Regierungsmehrheit zu bilden. Der Fokus rückte auf Angola, ein schwarz-rotes Bündnis allein mit den Sozialdemokraten.

Sofort entbrannte die Debatte, wo Gemeinsamkeiten und wo möglicherweise nur schwer zu überbrückende Differenzen bei einer solchen Angola-Koalition lägen. Im Fokus natürlich: die Migrationsfrage.

Eine Journalistin von der Welt fragte Merz am Tag nach der Wahl dann nach dem zentralen Wahlversprechen von Merz, nämlich, ob die Zurückweisungen an den Grenzen weiterhin unverhandelbar für eine mögliche Regierung seien und man – wie es der CDU-Generalsekretär im Wahlkampf gesagt hatte – zur Not gar nicht regieren würde, wenn man sich mit der SPD nicht auf besagte Zurückweisungen einigen könne.

Auf diese Ja-Nein-Frage antwortete Merz dann nach einer langen Präambel mit dem Hinweis, dass selbst der SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke für Zurückweisungen sei, den Aufreger-Satz: „Niemand von uns will die Grenzen schließen, obwohl das im Wahlkampf streckenweise behauptet worden ist.“ Und er wiederholte: „Niemand von uns will die Grenzen schließen, niemand.“

Die deutschen Landesgrenzen wolle er davon unbenommen besser schützen, fuhr Merz fort, „wir müssen eine Kontrolle zurückgewinnen über diejenigen, die in unser Land kommen und ich halte es verfassungsrechtlich und aus europarechtlichen Gründen für möglich und sogar für notwendig, dass wir diese Zurückweisungen auf Zeit an den deutschen Grenzen ermöglichen“, erklärte der CDU-Chef weiter.

Aber stimmt das? Will wirklich niemand die Grenze schließen?

Es war der Tag nach dem schrecklichen Messerangriff von Aschaffenburg, bei dem ein abgelehnter Asylbewerber aus Afghanistan ein zweijähriges Mädchen und einen Mann, der einschreiten wollte, mit einem Messer getötet hatte, an dem Merz seinen „Fünf-Punkte-Plan“ vorstellte.

Bayerns Ministerpräsident und Chef der Union-Schwesterpartei CSU, Markus Söder, trat ebenso wie Merz an besagtem Tag vor die Kameras. Söder sagte, er habe lange mit Merz telefoniert, sich eng abgesprochen und betonte, er sei dankbar, dass nun das „Grundprinzip null Toleranz, null Kompromiss die Leitlinie für die künftige Migrationspolitik“ sei.

Dann forderte auch Söder Zurückweisungen an den Grenzen, die nicht nur die Bundespolizei, sondern auch die bayerische Grenzpolizei durchführen solle. Söder fasste zusammen: „Faktisch bedeutet das für die illegale Migration ein Aufnahmestopp und faktisch bedeutet das eine Grenzschließung für illegale Migration.“

Julia Klöckner, die für die CDU schon als Bundesministerin aktiv war, hat den Merz-Plan ganz offenbar als „Grenzschließung“ verstanden und dies auch mit einer Kachel in den sozialen Medien öffentlich gemacht: „Friedrich Merz hat klargestellt: An Tag 1 einer Bundesregierung eines Kanzlers Merz werden die Grenzen per Richtlinienkompetenz geschlossen.“

Die Kachel verbreitete Julia Klöckner am Tag der Verkündung des „Fünf-Punkte-Plans“.

Zuvor, nach dem islamistischen Terror von Solingen, nach dem Merz das erste Mal von Zurückweisungen an der Grenze gesprochen hatte, hatte auch der CDU-Politiker Jens Spahn, der regelmäßig öffentlich zu Migrationsfragen auftritt, die Frage nach Grenzschließungen mehrfach bejaht: „Das ist das, was ich meiner Partei empfehlen würden, ja“, sagte Spahn im August 2024, fünf Tage nach dem Solingen-Terror im TV-Studio von Markus Lanz und antwortete auf die Frage, ob er die Grenzen schließen würde, wenn er den Kanzler stellte.

Als Markus Lanz die konkrete Nachfrage „Sie würden die Grenzen schließen?“ stellte, antwortete Spahn erneut: „Ja, also schließen für diejenigen – Deutsche, EU-Bürger, Visa, Aufenthaltstitel kommen natürlich rein.“

Doch in dem Merz-Statement steckt mehr als die semantische Debatte darüber, ob nun in „Zurückweisungen an den Grenzen“, einem „faktischen Einreiseverbot“ für alle ohne gültige Dokumente und der Ankündigung, „ausnahmslos alle Versuche der illegalen Einreise“ zurückweisen zu wollen die Zusammenfassung in dem Wort „Grenzschließung“ liegt – oder nicht.

Friedrich Merz klang am Tag nach der Wahl nicht mehr ganz so kompromisslos wie vor der Wahl.

Merz rudert in seinem Statement auch vorsichtig von seiner Wortwahl bei der Vorstellung des „Fünf-Punkte-Plans“ zurück.

Nach Aschaffenburg hatte Merz angekündigt, dass die Bundespolizei die Grenzen „dauerhaft“ kontrollieren werde, um „ausnahmslos alle Versuche der illegalen Einreise zurückzuweisen“. Merz sprach von einem „faktischen Einreiseverbot“.

Nach der Wahl ist aus „dauerhaft“ ein „auf Zeit“ geworden. Merz begründet das mit der gemeinsamen europäischen Asyl-Reform (GEAS), die 2026 in kraft trete. Merz wörtlich: „Auf Zeit deshalb, weil ich hoffe, dass wir mit dem GEAS ab dem Jahr 2026 zu gemeinsamen Lösungen kommen und das ist eben 2026. Und das ganze GEAS-System soll 2026 im Sommer in Kraft treten. Bis dahin können wir nicht warten.“

Deshalb, so Merz, sei es „dringend nötig, da etwas zu tun“.

Erst an dieser Stelle beantwortete er die eigentliche Ja-Nein-Frage, die ihm gestellt worden war, nämlich, ob sein „Fünf-Punkte-Plan“ weiterhin unverhandelbare Bedingung für eine mögliche Regierungsbildung sei, obwohl sich die SPD – der derzeit einzig mögliche Koalitionspartner – derzeit als Volkspartei der linken Mitte positioniere.

Genau das, die Unverhandelbarkeit dieser Position, hatte Merz Ende Januar nämlich betont. Generalsekretär Carsten Linnemann hatte dem noch einen draufgesetzt: „Wir ziehen das durch“, so Linnemann bei Welt. Und wenn es keinen Koalitionspartner gebe, „der da mitgeht, dann können wir halt nicht regieren“, fügte Linnemann damals hinzu.

Am Tag nach der Wahl, sagte Merz nicht einfach Ja, das ist weiterhin die unverhandelbare Bedingung. Merz sagte, er sei sicher, „dass sich die Sozialdemokraten der Einsicht nicht verschließen, dass wir auch da einen gemeinsamen Weg gehen müssen“.

Als Kronzeugen führte Merz dabei – wie schon häufiger – Brandenburgs SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke und dessen Koalitionsvertrag mit dem BSW an. Merz wörtlich: „Im Koalitionsvertrag des Landes Brandenburg unter der Führung der SPD mit Herrn Woidke an der Spitze ist eine solche Formulierung enthalten, mit den Kontrollen und den Zurückweisungen.“

Der Auszug aus dem brandenburgischen Koalitionsvertrag, auf den Merz verweist.

Der Wortlaut im brandenburgischen Koalitionsvertrag ist jedoch deutlich zurückhaltender. Dort heißt es auf Seite 45 unter dem Punkt „Migration und Integration“ wörtlich: „Deswegen unterstützt Brandenburg alle geeigneten und rechtssicheren Maßnahmen zur Eindämmung, Verhinderung und Zurückweisung von illegaler und irregulärer Migration.“

SPD-Ministerpräsident Woidke würde „Zurückweisungen“ demnach „unterstützen“, jedoch nur, wenn dies „geeignet“ sei, die Migration zu begrenzen und dies „rechtssicher“ sei – zwei abschwächende Formulierungen, besonders in Richtung Bundes-SPD, die Zurückweisungen gerade mit Blick auf EU- und Völkerrecht ablehnt.

Mehr NIUS: Schuldenbremse und Grenzschließung: Die doppelte Merz-Wende zeigt, wie schwierig die Verhandlungen mit der SPD werden

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