
Politiker sind auch nur Menschen. Nein, sie arbeiten nicht für das Gemeinwohl. Was soll das auch sein? Sie arbeiten für sich, ihr Fortkommen, ihren Erfolg. Das ist nicht weiter schlimm. Für Heilige sind Stellplätze in Kirchen vorgesehen. Deswegen sind Demokratien meist Diktaturen überlegen: Weil sie Politiker, die es allzu egozentrisch und frech treiben, abwählen können und zwar regelmäßig und ohne blutige Revolution. Und deswegen wurden Verfassungen geschaffen, um Politiker in die Schranken zu weisen und die Bürger vor Übergriffigkeit zu bewahren. Das Recht bindet auch Politiker. Normalerweise. Und wenn wir dann Glück haben und rechtzeitig per Wahl die Notbremse ziehen, geht’s gut – wie die Geschichte Westdeutschlands seit 1948 beweist; eine Ära, die irgendwann in den 2010er Jahren mit Angela Merkel endet.
Nun wirft ihr (noch) jemand Steine in den Weg, der in die Ruhmeshalle und zu einer Marmorbüste mit dem Untertitel „Größte deutsche Politikerin aller Zeiten“ führen soll. Dieser Jemand ist ihre Wegbegleiterin und Parteifreundin Vera Lengsfeld. Lange bekannt, oft Partnerinnen; unvergessen das Wahlkampfplakat, das die beiden Damen tief dekolletiert zeigt: „Wir haben mehr zu bieten“, Lengsfeld nimmt selbst darauf Bezug. Aber die Nähe gerät zur Distanz. „In keiner Periode der Bundesrepublik Deutschland und Europas wurde die Freiheit der Bürger dermaßen abgewrackt wie unter Angela Merkel. Sie schuf stattdessen ein System aus Jasagern und Duckmäusern einzig zu ihrer Machtabsicherung.“
Man lernt sehr viel über das „Wie“ bei Vera Lengsfeld. Beim „Warum“ bleibt viel offen. Warum hat sich Kohl ihr letztlich unterworfen und ihr den Weg geebnet – nachdem sie ihn zerstört hat? Warum war Wolfgang Schäuble, lange ein eigener und oft genug unbequemer Kopf und spröde in seiner Zuneigung, ihr zuletzt so hündisch zugetan? Hatte die CDU keine Männer mehr, die es wagten ihr zu widersprechen, Rittersmann oder Knapp? Warum hat es bis 2015 gedauert, bis man sich ihr wirklich entschieden in den Weg stellte; immerhin – wenn auch vergeblich? Was ist das Geheimnis, dass es dieser Frau gestattete, ein höchst erfolgreiches Gemeinwesen derart zu beschädigen, dass es heute auch in seinen Grundfesten erschüttert ist?
Vielleicht wird uns Merkel doch länger beschäftigen, als uns lieb sein kann. Als Beispiel für ein Gemeinwesen, das einer skrupellosen Machtpolitikerin verfällt. Lengsfelds Buch bringt dazu Faktenwissen. Zusammen mit Klaus-Rüdiger Mais kritischer Biographie entsteht so die Basis für eine Auseinandersetzung, die dieses Land führen muss und die künftige Historikergenerationen beschäftigen wird.
Vera Lengsfeld, Ist mir egal. Wie Angela Merkel die CDU und Deutschland ruiniert hat. AchGut Edition, Hardcover mit Schutzumschlag, 200 Seiten, 25,00 €.