Das sind die Rechenfehler im SPD-Märchen von den Steuerentlastungen

vor 6 Monaten

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Die SPD macht vor dem Beginn des Bundestagswahlkampfs im nächsten Jahr das, was sie am besten kann. Nämlich große Ankündigungen, große Versprechen, große Gesten und große Zahlen. Ein Herzstück ihrer Forderungen ist eine Einkommensteuerreform, die angeblich 95 Prozent aller Menschen in Deutschland entlasten soll. Und das Ganze soll auch noch finanziert werden, indem nur ein Prozent der Bevölkerung, nämlich die sogenannten Superreichen, belastet werden. Das klingt fast schon magisch. Oder wie aus einem Märchen. Und bei näherem Hinsehen wird es auch genau das bleiben: Nämlich die Geschichte eines Finanzwunders, bei dem praktisch alle gewinnen und eigentlich niemand etwas abgeben muss. Doch dieses Märchen hat kein Happy End. Schon gar nicht für diejenigen, für die es nach Ankündigung der SPD eigentlich gemacht sein soll. Die arbeitende Mitte der Gesellschaft.

Denn so hat die SPD ihre Steuerpläne überschrieben. „Weniger Steuern für die arbeitende Mitte.“ Eigentlich ist es schon maßlos übertrieben, von Steuerplänen oder einem Steuerkonzept zu reden, denn die Sozialdemokraten erschöpfen sich in allgemeinen Ankündigungen und wolkigen Umschreibungen. Wirklich Konkretes findet sich nicht. Die Sozialdemokraten wollen „mit einer grundlegenden Einkommensteuerreform nach der nächsten Bundestagswahl die große Mehrheit der Steuerzahlenden (etwa 95 Prozent) entlasten und dafür die höchsten 1 Prozent der Einkommen etwas stärker in die Verantwortung nehmen.“ Das solle die Kaufkraft stärken und die Wirtschaft ankurbeln. Und: „Die Steuerpflichtigen mit den allerhöchsten Einkommen müssen dafür etwas mehr Verantwortung übernehmen, um eine Steuersenkung für den Großteil der Menschen zu finanzieren.“

Die SPD plant eine Steuerreform.

Wie das konkret aussehen soll, darüber schweigt sich das Papier der SPD-Führung aus. Dafür hat es aber der „Seeheimer Kreis“, der selbst ernannte Hort der Wirtschaftskompetenz der SPD, schon einmal konkreter niedergeschrieben. Der aktuell geltende Spitzensteuersatz bei der Einkommensteuer von 42 Prozent soll demnach später greifen. Bei Singles ab einem Jahresbruttoeinkommen oberhalb von 80.000 Euro, bei Verheirateten oberhalb von 175.000 Euro. Über 95 Prozent der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler würden dadurch entlastet, behauptet der Seeheimer Kreis. Topverdiener müssten mehr zahlen, weil der Spitzensteuersatz von 42 auf 45 Prozent angehoben würde. Der Höchststeuersatz, der aktuell bei 45 Prozent liegt und ab knapp 278.000 Euro greift, soll auf 48 Prozent angehoben werden. Die hier von den Sozialdemokraten groß herausgestellte Zahl von 95 Prozent bezieht sich also auf die reine Anzahl der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler.

Interessant ist aber nicht nur ein Blick auf die Anzahl der Menschen, die Steuern zahlen, sondern auch auf den Anteil und die Summen, die Steuerzahler mit unterschiedlichem Einkommen am Ende wirklich zum Steueraufkommen beitragen. Und da sieht es schon anders aus. Die obersten 10 Prozent der Einkommensteuerzahler zahlen, je nach Konjunkturlage und wirtschaftlicher Entwicklung, zwischen 55 und 60 Prozent des gesamten Steueraufkommens. Und auch innerhalb dieser 10 Prozent ist die Tendenz steigend. Bedeutet also: Je höher das Einkommen, umso höher logischerweise auch die Steuern, die gezahlt werden müssen, und damit die Summen, die faktisch in der Staatskasse landen. Die Forderung „Starke Schultern müssen mehr tragen als schwache“ ist also bereits Realität.

Kanzler Olaf Scholz war zuvor Finanzminister.

Bei den genannten Verhältnissen dämmert einem schon, dass die versprochenen Entlastungen für die große Masse von 95 Prozent am Ende ziemlich mickrig und überschaubar ausfallen dürften. Das hat sogar der ehemalige SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel erkannt. Die Pläne der SPD würden bedeuten, dass rund 400.000 Steuerpflichtige in den oberen Einkommensklassen mehr belastet werden müssen, um damit rund 41 Millionen Einkommensteuerzahler zu entlasten, schrieb er in der FAZ. Das ist also über den Daumen gepeilt ein Verhältnis von 1 zu 100. Wenn jetzt also der Steuersatz für Spitzenverdiener um 3 Prozent angehoben wird und ab einem Jahreseinkommen von 80.000 Euro gilt, dann kommen 2400 Euro Steuern mehr zusammen. Bei dem gerade genannten Verhältnis von 1 zu 100 bedeutet das: Bei jedem Einzelnen der 95 Prozent „Steuerentlasteten“ kommen also 24 Euro an. Im Jahr. Also 2 Euro pro Monat. Wenn wir jetzt einmal den zehnfachen Effekt unterstellen, weil natürlich auch höhere Einkommen als 80.000 Euro pro Jahr besteuert werden, dann reden wir also über 20 Euro im Monat Entlastung. Ob sich dafür die SPD wirklich so groß feiern sollte, das mag jeder selber entscheiden...

So ganz klar, ob diese Rechnung überhaupt der Realität entspricht, ist das aber auch noch gar nicht. Denn die SPD scheint sich intern noch nicht mal einig zu sein, was sie jetzt eigentlich genau will. SPD Chefin Saskia Esken (eher bekannt für merkwürdige Talkshow-Auftritte, als für Finanz- und Wirtschaftskompetenz) spricht davon, dass vor allen Dingen das höchste 1 Prozent der Einkommen stärker besteuert werden soll. Und das bedeutet bei ihr: ab einem Einkommen von 15.000 Euro im Monat. Das wäre dann allerdings ein Jahreseinkommen von 180.000 Euro. Also gerade mal eine kleine Differenz von 100.000 Euro Einkommen pro Jahr zu den ebenfalls von der SPD veranschlagten 80.000 Euro Einkommen pro Jahr, ab denen der Spitzensteuersatz gelten soll.

Doch das ändert auch nichts am Ergebnis, wenn nur das oberste 1 Prozent mehr besteuert werden soll. Dann ändert sich das oben angesprochene Verhältnis auf 1 zu 1.000. Eine Mehrbesteuerung von 180.000 Euro Einkommen bedeutet Mehreinnahmen von 54.000 Euro pro Steuerzahler für den Staat. Bei einem Verhältnis von 1 zu 1.000 kommt dann also nach der Verteilung eine Summe von 54 Euro pro Jahr pro Haushalt bei den entlasteten 95 Prozent an. Das ist also sehr übersichtlich. Auf der anderen Seite würden die Belastungen für einkommensstarke Haushalte und vor allen Dingen Unternehmen deutlich steigen.

Das Führungs-Trio der SPD

Das gilt vor allen Dingen für Fachkräfte und Führungskräfte und für Mittelständler und Freiberufler, bei denen die Einkommensteuer auch gleichzeitig die betriebliche Unternehmenssteuer ist. Deutschland klagt schon jetzt zurecht über eklatanten Fachkräftemangel. Doch genau diese Gruppe jetzt mit höheren Steuern zu belasten, ist vielleicht nicht unbedingt die allerbeste Idee mit Blick auf die Zukunft des Landes. Wer kann, der wird ins Ausland verschwinden, um dort sein oder ihr Geld zu verdienen und nach Steuern auch noch ein ordentliches Einkommen übrig zu haben. Die Steuerpläne der SPD können wir also in dem Sinne getrost als Fachkräfte-Abschreckungs- und -vertreibungsprogramm bezeichnen. Und aus dem Ausland werden auch keine gut ausgebildeten Fachkräfte nach Deutschland kommen, wenn Sie hier mit noch höheren Steuern belastet werden. Aber genau die diese Fachkräfte aus dem Ausland will die Regierung ja unbedingt nach Deutschland holen, wie sie immer erzählt. Was die SPD hier plant, ist genau das Gegenteil.

Das Finanzministerium hat schon einmal ausgerechnet, was das konkret bedeutet. Der sogenannte Reichensteuersatz müsste auf 56 Prozent steigen. Kommt der Solidaritätszuschlag noch dazu, dann liegt die Belastung bei 59 Prozent. Fachkräfte genauso wie Unternehmer und Freiberufler müssten also rund 60 Prozent ihres mühsam und risikoreich verdienten Geldes an den Staat abführen. Vor allem die deutschen Mittelständler zahlen überwiegend Einkommensteuer und können zusätzliche Belastungen gerade in diesen Zeiten sicherlich nicht gebrauchen. Bei diesen Zahlen sagt jedem der gesunde Menschenverstand, dass das schlicht und einfach realitätsfern, unfair und wirtschaftsfeindlich ist.

Das Bundesfinanzministerium in Berlin

Die Folgen davon sind absehbar. Bei einer derartigen Besteuerung werden immer mehr Unternehmen ihren Standort ins Ausland verlegen. Denn wer kann, der wird vor diesen Steuern einfach woanders hin fliehen. Denn in anderen europäischen Ländern gibt es deutlich günstigere Einkommensteuern. In Polen ist der Satz für die Einkommensteuer auch für hohe Einkommen beispielsweise bei 32 Prozent. In Tschechien beträgt er 23 Prozent. Und mit der Verlagerung von Unternehmen, gehen natürlich die Arbeitsplätze gleich mit. Da nützt einem als Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer die angeblich großartige Entlastung der SPD auch nichts mehr, wenn der eigene Arbeitsplatz futsch ist. Zumal die SPD in ihrem sogenannten Strategiepapier neben der Steuererhöhung gleich noch eine Erhöhung der Arbeitskosten in Deutschland mit beschlossen hat. Denn der Mindestlohn in Deutschland soll noch weiter erhöht werden. Das kann die SPD eigentlich gar nicht beschließen oder durchsetzen, denn der Mindestlohn soll gerade von einer unabhängigen Kommission aus Gewerkschaften und Arbeitgebern festgesetzt werden. Und eben nicht politisch. Das interessiert die Genossen aber nicht, weil sie das für einen echten Wahlkampfschlager halten.

Das einzige, was allerdings durchschlagen wird bei einem erhöhten Mindestlohn auf 15 Euro, wie es die SPD ja schon mehrfach herausposaunt hat, werden die dann nochmal sprunghaft gestiegenen Kosten für Unternehmen sein. Eines der Grundprobleme der deutschen Wirtschaft ist die zu geringe Produktivität. Bedeutet also: In Bezug auf die Kosten ist das, was am Ende rauskommt und verdient wird, zu niedrig. Wenn jetzt neben den Steuern auch noch die Mindestlöhne angehoben werden sollen, dann verringert das die Produktivität noch weiter, die deutsche Wirtschaft wird noch weniger wettbewerbsfähig und mit dem Standort geht es weiter bergab.

Interessanterweise geht die SPD auf einen Punkt in ihren Verlautbarungen gar nicht ein. Und das sind die Abgaben für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in die Renten- und in die Sozialkassen. Gerade in der letzten Woche wurde bekannt, dass der durchschnittliche Zusatzbeitrag der Krankenkassen 2025 auf 2,5 Prozent steigen müsse und somit um 0,8 Prozent angehoben werden soll. Dies käme dem höchsten Anstieg der Krankenkassenbeiträge in der Geschichte gleich. Das bedeutet für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer schlicht und einfach weniger Netto vom Brutto.

Gleichzeitig verspricht die SPD, mit ihrem Arbeits- und Sozialminister Hubertus Heil, dass das Rentenniveau bis zum Jahr 2040 und auch darüber hinaus bei 48 Prozent des letzten Einkommens garantiert werden soll. Bei der demographischen Entwicklung, die mittlerweile allen bekannt ist, gibt es immer weniger Einzahler in die Kassen und gleichzeitig immer mehr Bezieher. Wenn es hier also eine Garantie für ein Rentenniveau gibt, dann bedeutet das, dass diejenigen, die noch arbeiten, immer mehr in die Rentenkassen einzahlen müssen. Und auch das bedeutet: deutlich weniger Netto von brutto. Die angekündigten (Mini-)Entlastungen bei der Einkommensteuer werden also durch die anderen Garantien der SPD mehr als aufgefressen.

Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD).

Bei all diesen Plänen und den Auswirkungen, die das alles nach sich ziehen würde, kann man sich nicht nur fragen, ob bei der SPD irgendwo noch ein Rest von wirtschaftlichem Sachverstand da ist. Sondern man muss auch fragen, was eigentlich in den letzten Jahrzehnten so passiert und gelaufen ist. Denn die SPD regiert – mit nur einer einzigen kurzen Unterbrechung – seit rund einem Vierteljahrhundert in diesem Land mit. Die SPD stellt seit drei Jahren den Bundeskanzler. Und dieser Bundeskanzler war vorher zufälligerweise Finanzminister der Bundesrepublik Deutschland.

Prof. Dr. Andreas Moring ist Wirtschaftsprofessor an der International School of Management ISM in Hamburg.

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