
Die ARD versenkt sich – und Alice Weidel triumphiert. Das Sommerinterview bestätigte all jene Kritik, die sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk seit Jahren gefallen lassen muss. Dass er zu links sei, um neutral zu berichten; zu staatsnah, um mit Oppositionsparteien fair umzugehen; und zu aktivistisch, um rechte Parteien als das anzusehen, was sie überall sonst sind: legitime Interessenvertreter.
Im ARD-Sommerinterview aber ging nicht nur das Gespräch mit AfD-Chefin Weidel im Lärm unter. Ans Ende gelangte auch ein System, das vor lauter moralischer Selbstergriffenheit nur Monologe führt. Die ARD trug sich zu Grabe.
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Das technische Versagen ist derart eklatant, dass es schwerfällt, nur an technische Probleme zu glauben. Erst schmetterten die sogenannten Omas gegen Rechts Anti-AfD-Parolen. Dann beschallte das sogenannte Zentrum für politische Schönheit das Interview von der gegenüberliegenden Spreeseite. Man brachte mit hoher Lautstärke das Anti-AfD-Lied eines Augsburger „aktivistischen FLINTA*-Chors“ zu Gehör.
„FLINTA*“ steht für Frauen, Lesben, Intergeschlechtliche, Nicht-binäre, Trans* und Agender Personen. Der FLINTA*-Chor namens Corner-Chor wurde von der Stadt Augsburg schon mit einem Preis geehrt. Er setzt sich laut eigener Aussage dafür ein, dass „rechtsgesinnte Politikerinnen und Politiker nicht zu viel zu Wort kommen.“ Alice Weidel kam kaum zu Wort.
Der Augsburger FLINTA*-Chor hält wenig von der Demokratie. Wenig hält der Chor offenbar auch vom Christentum. Der Anti-AfD-Jodler knüpft an die Melodie des Andachtsjodlers aus Südtirol an. Er wurde an Weihnachten während der eucharistischen Wandlung gesungen, dem Kernstück der heiligen Messe.
Dank der ARD durften linke Demokratiegegner Weidel akustisch in die Knie zwingen. Dennoch ging Weidel als Siegerin aus dem Spektakel hervor. Nicht, weil ihre Antworten so grandios gewesen wären – keineswegs. Allein, weil die ARD die antidemokratische Störaktion zur Hauptsache aufwertete. Das Interview wurde weder abgebrochen noch nachträglich bearbeitet. Frau Weidel sollte im Klanggewitter untergehen. Die ARD adelte die akustische Attacke zu legitimem Protest.
Hörte man je einen ARD-Journalisten sagen: Neun von zehn Deutschen wählten die Grünen gar nicht? Viele Menschen ängstigen sich vor den Grünen? Bei der doppelt so großen AfD wird hingegen der Eindruck vermittelt, eigentlich lehne ganz Deutschland die Rechten ab.
Die ARD tat nichts, um der größten Oppositionspartei ein faires Setting zu ermöglichen. Am Umgang mit oppositionellen Kräften aber erkennt man die Qualität einer Demokratie.
Leider spielte auch die Berliner Polizei einen unrühmlichen Part. Das Gebiet um den Bundestag ist ein befriedeter Bezirk. Dort sind „Demonstrationen und Aufzüge jeglicher Art“ untersagt. Darauf wies der ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Kubicki hin.
Zudem befanden sich Polizisten in unmittelbarer Nähe des Lautsprecher-Busses, ohne entscheidend einzugreifen. Man ließ die Störer gewähren. So erweckt auch die Berliner Polizei den fatalen Eindruck: „gegen rechts“ sind fast alle Mittel erlaubt.
Wenn Imperien kollabieren, gehen sie oft an inneren Widersprüchen zugrunde. Und es braucht verdichtete Wendepunkte. Beides lieferte die ARD mit dem Sommerinterview. Der Widerspruch ist nicht zu kitten – der Widerspruch zwischen behaupteter Objektivität und gelieferter Parteilichkeit, übrigens auch in den Einspielern; der Widerspruch zwischen reklamierter Meinungsvielfalt und praktizierter Meinungsmonotonie.
Dreißig Minuten reichten, um die ARD zur Kenntlichkeit zu entstellen.