Das Sondierungspapier ist ein Fehlstart für Merz – und ein Nachteil für Deutschland

vor etwa 2 Monaten

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Forrest Gump wäre zufrieden. Der Antiheld aus dem gleichnamigen Spielfilm sagte: Das Leben ist wie eine Schachtel Pralinen; man weiß nie, was man kriegt. Diese Weisheit steht über dem schwarz-roten Sondierungspapier.

Tom Hanks mit einer Pralinenschachtel in einer Szene aus „Forrest Gump“

CDU, CSU, SPD haben elf Seiten vorgelegt, die vieles versprechen, aber die entscheidende Antwort schuldig bleiben: In welche Richtung soll sich Deutschland entwickeln? Nimmt man das Dokument beim Wort, kann einem bange werden. Dann ist Deutschland die Zufallsgemeinschaft derer, die der Staat als Ansprechpartner und Zuwendungsempfänger sieht. So wird das nichts!

Die ganze Folge „Kissler Kompakt“ sehen Sie hier:

Man weiß nie, was man kriegt: Das gilt vom Souverän, der die SPD abgestraft hat. Die Sozialdemokratie ging aus den Wahlen als geprügelter Hund hervor. Nur 16,4 Prozent der Stimmen konnte sie erringen – ein Minus von 36 Prozent. Dieses historische Tief hält die Parteivorsitzende Saskia Esken nicht davon ab, jetzt zu sagen: „Die Menschen in Deutschland“ erwarteten, dass die sogenannte demokratische Mitte gemeinsam nach Lösungen suche.

Nein, Frau Esken. Die wahlberechtigten Deutschen haben der SPD das Vertrauen entzogen. Sie erwarten mehrheitlich eine Abkehr von linker Umerziehung. Die SPD darf nur deshalb auf Ministerposten hoffen, weil Wahlsieger Merz eine Minderheitsregierung nicht wagt. Und weil er an der Brandmauer zur AfD festhält, als wäre sie in Erz gegossen.

Man weiß nie, was man kriegt: Das gilt erst recht für die Union. Im Wahlkampf ließen CDU und CSU keine Fragen offen. Sie präsentierten sich als Antithese zur Ampel und deren Haushaltsführung. Friedrich Merz polterte tüchtig drauf los, auch gegen seinen alternativlosen Partner von der SPD.

Auf dem CDU-Parteitag am 3. Februar schloss Merz jenen „leichten“ und sozialdemokratischen Weg aus, den er nun mit Fanfaren beschreitet: den Weg der Schuldenmacherei. Ganz am Anfang des Sondierungspapiers ist die Schizophrenie zum Gattungsprinzip erhoben. Die drei Parteien beschwören eine „solide Finanzierung“ und meinen das Gegenteil, die fast unbegrenzte Aufnahme von Krediten.

Mit neuen Schulden von 500 Milliarden Euro soll „unser Land wieder in Form“ gebracht werden. Hinzu kommen Milliarden ohne Limit für die Bundeswehr und eine erleichterte Neuverschuldung für die Länder. Von der Schuldenbremse bleiben 14 Buchstaben und vier Silben – der Rest ist Schweigen.

Erst recht weiß man nicht, was man kriegt, wenn die Union den Sheriff spielt. Markus Söder und Friedrich Merz übertrumpften sich mit markigen migrationspolitischen Forderungen. Nach jedem Anschlag durch Asylmigranten gab es Appelle an die Bundesregierung, endlich auszuweisen, abzuschieben und weniger Menschen aufzunehmen.

Ein Flugblatt für den Wahlkampf fasste die zentralen Forderungen zusammen: Aufnahmestopp an den Grenzen. Schluss mit aller illegalen Migration. Bett, Brot und Seife für Ausreisepflichtige. Asylverfahren in Drittstaaten statt in Europa.

In Koalitionsverhandlungen muss jede Partei Abstriche machen. Und die SPD ist bereit, freiwillige Bundesaufnahmeprogramme, etwa für Afghanen, „so weit wie möglich“ zu beenden. Wie aber verhält es sich mit dem großen Wahlkampfschlager der Union – der Forderung, illegale Migration zu stoppen?

Nur von irregulärer Migration ist die Rede, nicht von illegaler. Und nur von deren Reduzierung, nicht von deren Abschaffung. Und nur von Rückführungen, wenn die Nachbarn zustimmen. Warum aber sollen Länder, die Migranten in den Sozialstaat ihrer Wahl durchwinken, diese wieder aufnehmen? Merz und die Genossen handeln mit Zitronen. Zumal an den Turbo-Einbürgerungen im neuen Staatsbürgerrecht festgehalten wird.

Man weiß nie, was man kriegt? In einer Hinsicht liefern die Sondierer das Erwartete: Wortgeklingel ohne Ende. Bürokratische Hürden will man einreißen, die Bauwirtschaft ankurbeln, die Digitalisierung voranbringen. Seit zehn, zwanzig Jahre sind diese Floskeln ranzig, weil sie nicht eingelöst wurden.

Die Sondierer priorisieren nicht. Das ist ihr Hauptfehler. Sie präsentieren einen Kessel Buntes, keine Agenda. Sie wollen Schulden machen – obwohl Merz das ausgeschlossen hat. Sie wollen strikter sein an der Grenze – aber nicht zu streng. Sie wissen nicht, wohin sie Deutschland führen wollen – in eine Ära der Freiheit oder doch der Gängelei? Der Selbstbehauptung oder des Gegenteils?

Was Deutschland ist und was es sein will: Diesem Papier ist es nicht zu entnehmen.

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