Das Virus im Leib der Gesellschaft

vor etwa 10 Stunden

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Bildquelle: Tichys Einblick

Die Radikalität der staatlichen Corona-Maßnahmen hat Grundvertrauen in das politische System und in die Medien zerstört. Tatsächlich ist das Virus nicht nur in die Atemwege der Menschen eingedrungen, sondern auch in die Eingeweide der Gesellschaft. Die Pandemie war ein tiefer Einschnitt, der das Land bis heute prägt und teilt.

Alt-Achtundsechziger-Guru Rainer Langhans erzählte kürzlich in WELT, er habe in der Corona-Pandemie den „faschistischen Grundcharakter unserer Gesellschaft sehr deutlich wahrgenommen“ – und er bezog diese Beobachtung ausdrücklich auch auf die Linken, die heute an der Macht sind und den Staat mit Inbrunst als Instrument nutzten, Hysterie zu verbreiten und Freiheit einzuschränken. Corona war Vorwand haltloser Kollektivierung einer offenen Gesellschaft. Ich würde mit dem Begriff des Faschismus vorsichtiger umgehen als Langhans, aber im Grunde liegt er nicht falsch. Was der bevormundende Staat sich damals an Übergriffigkeit geleistet hat, ist das eine. Die unterwürfigen Bürger, die das alles zugelassen, ertragen, bis in absurde Details hinein befolgt oder gar gern noch strenger gehabt hätten, sind das andere. Gegen die leicht zu schürende Angst ziehen in Deutschland Selbstverantwortung und Freiheit allemal den Kürzeren. Das ist ein grundsätzliches Problem. Es war bitter, festzustellen, dass dieser Mechanismus nicht nur in autoritären Regime funktioniert.

Nun, Jahre später, erweisen sich der Souverän, das Volk, und seine Repräsentanz, das Parlament, als unfähig, die damaligen Verwerfungen zwischen obrigkeitsstaatlichen Panikattacken und Polizeistaatsallüren aufzuarbeiten. Die politische Klasse schützt sich selbst. Einst von der Last der Verantwortung nahezu in den Irrsinn getrieben, lehnt sie heute die Verantwortung für ihre damalige Maßnahmenorgie ab. Nirgends Einsicht. Möchtegern-Verfassungsrichterin Brosius-Gersdorf bereut keineswegs ihren unsäglichen Vorschlag, Ungeimpfte zur Kasse zu bitten.

Noch erbärmlicher als Wissenschaft und Politik verhalten sich die maßgeblichen Medien von ARD und ZDF bis zu den vermeintlich bürgerlichen Blättern des Landes. Sie ziehen die Aufarbeitung in eigener Sache gar nicht erst in Betracht. Dabei waren es doch der „Mainstream“ und die „Qualitätspresse“, denen der Staat damals nicht rigoros genug sein konnte, die die Hysterie schürten, die berechtigte Zweifler an den Zwangsmaßnahmen Schuld am massenhaften Tod andichteten und sie zu „Tätern“ stempelten. Die auch dafür sorgten, dass staatshörige „Experten“ sich zu Virokraten aufschwangen, Scharfmacher wie Christian Drosten und Melanie Brinkmann an ihren Talkshowsesseln klebten und andere Stimmen nicht mehr gehört, sondern denunziert wurden. Skeptiker der „Maßnahmen“ wurden von der Prangerpresse als Corona-Leugner denunziert, diskriminiert und dann auch sehr schnell in die rechte Ecke genagelt. So als sei Freiheitsbedürfnis und das Beharren auf Bürgerrechte eine verachtenswerte politische Grundhaltung. Die „freie“ Presse muss sich den Vorwurf gefallen lassen, sich zum Lautsprecher eines aus den Fugen geratenen Obrigkeitsstaats gemacht zu haben – selbstredend unter dem Mäntelchen fragwürdiger Moral. Faschistoide Tendenzen erklärter Antifaschisten ließen sich nicht übersehen. Wo aber sind heute Intendanten und Verleger, die eine Untersuchungskommission in eigener Sache initiieren? Es wäre glaubwürdiger, zuerst das eigene Fehlverhalten zu benennen, ehe man dies der Politik abverlangt.

Die Wirkung der Corona-Zeit reicht tiefer und weit darüber hinaus. Das Virus hat an der Spaltung dieser Gesellschaft einen beträchtlichen Anteil. Sie beendete Freundschaften, ging mitten durch Familien. Kollegen überzogen einander mit Schuldvorwürfen. Vertrauen ging verloren. Die Maßnahmen des Staates und der Meinungs-Furor des Mainstreams führten dazu, dass nicht wenige Bürger am Wesen der Demokratie grundsätzlich zu zweifeln begannen. Und das waren nicht nur jene, die durch Corona-Maßnahmen ihre Existenz einbüßten und/oder ihre seelische Gesundheit. Verständlich, dass viele einander nicht sehr viel verzeihen wollen. Der Zorn der Hilflosen gegen die Obrigkeit ist nicht verraucht, auch das zählt zur bitteren Bilanz.

Es nahm damals auch die politische Kultur Schaden. Staat und Medien zerstörten den offenen Diskurs – der wohl am Ende der Ära Merkel schon nachhaltig gestört war. Kompromisslos agierten sie gegen die Grundrechte und Interessen der Bürger. Unter dem Deckmantel des Lebensschutzes schützte niemand mehr die Freiheit. Was damit in die Brüche ging, ist bis heute nicht wieder repariert. Im Gegenteil. Auf anderen Feldern der Politik erfahren Bürger Déjà-vu-Erlebnisse. Corona sitzt tief. Das Misstrauen gegenüber Staat und Medien nimmt seither zu.

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