Das WHO-Pandemieabkommen – eine Gefahr für die globale Gesundheitssouveränität

vor 11 Tagen

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Bildquelle: Tichys Einblick

Die Einigung der Unterhändler der Weltgesundheitsorganisation (WHO) auf einen Entwurf für ein internationales Pandemieabkommen, das auf der Weltgesundheitsversammlung im Mai 2025 erörtert werden soll, wird von WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus, der „die Welt dadurch sicherer“ machen möchte, als „historisch“ gefeiert.

Da darf auch der scheidende Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach nicht fehlen – er spricht von einem Meilenstein, der die globale Zusammenarbeit bei der Prävention und Reaktion auf Pandemien stärken solle. Kein Wunder, da Deutschland – sowohl bei den Pflichtbeiträgen als auch bei den freiwilligen Beiträgen an die WHO – einer der größten Geldgeber unter den Mitgliedstaaten ist.

Jedoch ergeben sich bei näherer Betrachtung des Abkommens und seiner Implikationen erhebliche Bedenken und folgende Fragen: Ist dieses Abkommen wirklich ein Fortschritt für die globale Gesundheit? Oder birgt es vielmehr Risiken für die Souveränität der Staaten und die Freiheit der Bürger?

Der Entwurf des Pandemieabkommens, entwickelt von der zwischenstaatlichen Verhandlungsgruppe nach zahlreichen Verhandlungsrunden, zielt darauf ab, die globale Zusammenarbeit bei der Prävention, Vorbereitung und Reaktion auf Pandemien zu verbessern. Konkrete Maßnahmen umfassen ein System für den Zugang zu Informationen von Krankheitserregern, einen „One-Health-Ansatz“ zur Pandemieprävention, den Ausbau von Forschungs- und Entwicklungskapazitäten sowie den erleichterten Technologietransfer für die Produktion pandemiebezogener Gesundheitsprodukte.

Diese Ziele klingen vielversprechend, doch bleiben viele Details unklar. Wer entscheidet, welche Länder zu welchen Ressourcen Zugang erhalten? Wie wird der „One-Health-Ansatz“, der Mensch, Tier und Umwelt verbinden soll, in der Praxis umgesetzt, ohne in die nationalen Kompetenzen einzugreifen?

Die vagen Formulierungen des Entwurfs lassen Raum für Interpretationen, die sowohl von Befürwortern als auch von Kritikern genutzt werden können. Tedros sieht die Einigung als Beweis für lebendigen Multilateralismus, während Kritiker – und das ist nachvollziehbar – darin einen Schritt zu einer zentralisierten Kontrolle durch die WHO sehen.

Auch, dass das Abkommen die Entscheidungsfreiheit der Staaten einschränken und die WHO zu einer supranationalen Instanz machen könnte, die in Krisenzeiten verbindliche Vorgaben macht, ist kritisch zu hinterfragen. Solche Bedenken sind nicht unbegründet, betrachtet man die Erfahrungen der Covid-19-Pandemie, in der die WHO teils widersprüchliche Empfehlungen gab und ihre Nähe zu bestimmten Staaten und Pharmaunternehmen für Kritik sorgte. I

nsofern sind kritische Einwände berechtigt und nachvollziehbar. Mehr noch – sie sind unabdingbar! Bedenken als Verschwörungstheorie abzutun, zeigt nur, dass Hinterfragen nicht erwünscht ist. So sehr unerwünscht, dass die Keule ausgepackt und der Kritiker zum WHO-Feind erklärt wird.

Kritische Anmerkungen sind von Karl Lauterbach nicht zu erwarten. Er bezeichnet das Abkommen als „Win-win-Situation“, da es den schnelleren Austausch von Informationen über Krankheitserreger und den Zugang zu Impfstoffen und Medikamenten fördern soll. Diese Argumentation klingt zunächst plausibel, insbesondere vor dem Hintergrund der ungleichen Verteilung von Impfstoffen während der Covid-19-Pandemie, bei der wohlhabende Länder deutlich schneller versorgt wurden.

Doch Lauterbachs Optimismus und vereinfachte Darstellung übersieht potenzielle Schattenseiten. Wer garantiert, dass die versprochenen Medikamente und Impfstoffe gerecht verteilt werden? Welche Verpflichtungen müssen Länder eingehen, um Teil dieses Systems zu sein? Und weshalb braucht es für eine gerechte Verteilung von Impfstoffen eine WHO samt Pandemieabkommen?

Kritiker warnen zudem vor einer Abhängigkeit von globalen Institutionen und Pharmaunternehmen, die durch das Abkommen gestärkt werden könnte. Der Technologietransfer, der als Fortschritt gefeiert wird, könnte in der Praxis bedeuten, dass Länder des globalen Südens weiterhin von westlichen Konzernen abhängig bleiben, anstatt eigene Kapazitäten aufzubauen. Zudem könnte das Abkommen Anreize schaffen, Pandemien schneller oder häufiger auszurufen, um die entsprechenden Mechanismen in Gang zu setzen – ein Szenario, das die WHO-Kritiker seit Jahren fürchten.

Ein zentraler Kritikpunkt am Pandemieabkommen ist die potenzielle Einschränkung der nationalen Souveränität. Während die WHO betont, dass das Abkommen auf Freiwilligkeit basiert, könnten verbindliche Regelungen, wie sie in Krisenzeiten greifen, die Entscheidungsfreiheit der Staaten erheblich einschränken. Länder, die sich den Vorgaben widersetzen, könnten durch diplomatischen oder wirtschaftlichen Druck gezwungen werden, sich zu fügen. Dies wirft die Frage auf, ob das Abkommen nicht nur die Gesundheitspolitik, sondern auch die politische Autonomie der Mitgliedsstaaten beeinträchtigen kann.

Darüber hinaus gibt es Bedenken hinsichtlich der Bürgerrechte. Die Erfahrungen der Covid-19-Pandemie – Lockdowns, Impfpflichten, Reisebeschränkungen – haben gezeigt, wie schnell Grundrechte in Krisenzeiten eingeschränkt werden können und auch eingeschränkt werden. Ein global abgestimmtes Pandemiemanagement könnte solche Maßnahmen vereinheitlichen und verschärfen, ohne dass lokale Gegebenheiten ausreichend berücksichtigt werden. Auf der Strecke bleiben die Bürger. Sie verlieren immer mehr die Kontrolle über ihre Eigenverantwortlichkeit und die Entscheidungen darüber, wie sie leben wollen. Die Angst vor einer zentral gesteuerten Gesundheitsbürokratie wächst. Neben der EU scheint nun auch die WHO sich immer mehr in das Leben der Bürger einmischen zu wollen. Eine Lernkurve aus der Corona-Zeit zum Schutz der Grundrechte der Bürger ist weiterhin nicht vorhanden. Vielmehr zementiert das Pandemieabkommen alle negativen Folgen, die den Bürgern durch die Corona-Maßnahmen entstanden sind.

Die WHO und ihre Befürworter betonen, dass das Pandemieabkommen den Multilateralismus stärke und die Welt auf künftige Bedrohungen vorbereite. Doch Multilateralismus setzt gleichberechtigte Zusammenarbeit voraus. Genau hier liegt ein Problem: Die WHO ist keine neutrale Institution. Sie wird von einer kleinen Gruppe einflussreicher Staaten und privater Geldgeber – wie der Bill & Melinda Gates Foundation – stark beeinflusst. Dies führt zu einem Ungleichgewicht, bei dem die Interessen mächtiger Akteure Vorrang haben könnten.

Die Begeisterung von Tedros und Lauterbach wirkt vor diesem Hintergrund naiv oder interessengeleitet. Anstatt die Machtkonzentration in globalen Institutionen kritisch zu hinterfragen, wird das Abkommen als unumstrittener Fortschritt dargestellt. Dabei bleibt offen, wie die WHO ihre Glaubwürdigkeit wiederherstellen will, nachdem sie in der Vergangenheit für ihre mangelnde Transparenz und Nähe zu bestimmten Interessengruppen kritisiert wurde.

Das WHO-Pandemieabkommen mag in seiner Intention – die Welt besser auf Pandemien vorzubereiten – sinnvoll erscheinen. Doch das ist Blendwerk. Die vagen Formulierungen, die potenziellen Einschränkungen der nationalen Souveränität und die Gefahr einer Machtkonzentration bei der WHO geben allen Grund zur Skepsis. Die historische Einigung, von der Tedros und Lauterbach sprechen, könnte sich als Pyrrhussieg erweisen, wenn sie auf Kosten der Autonomie der Staaten sowie der Rechte der Bürger geht und gleichzeitig die Macht der WHO massiv vergrößert.

Anstatt das Abkommen unreflektiert zu feiern, sollten die Mitgliedsstaaten und ihre Bürger die Details prüfen. Die Welt braucht zweifellos eine bessere Vorbereitung auf Pandemien, aber nicht um den Preis einer zentralisierten Kontrolle, die lokale Bedürfnisse und demokratische Prozesse untergräbt. Die kritischen Stimmen mahnen zu Recht: Fortschritt darf nicht bedeuten, dass Macht in die Hände weniger gelegt wird. Die Weltgesundheitsversammlung im Mai 2025 wird zeigen, ob diese Bedenken gehört werden – oder ob der Multilateralismus zum Deckmantel für eine neue Form globaler Governance wird.

Dr. med. Friedrich Pürner, MPH Mitglied des Europäischen Parlaments, MdEP

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