Dauer-Reparaturbetrieb Rente

vor etwa 3 Stunden

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Bildquelle: Tichys Einblick

Wer schon immer einmal das Bedürfnis verspürte, dem Zusammenbruch eines Ponzi-Schemas beizuwohnen, sollte einen genaueren Blick auf das deutsche gesetzliche Rentensystem werfen. Kommunikationspolitisch als sogenanntes „Umlageverfahren“ gut vermarktet, erfüllt es die Definition des Ponzi-Schemas nahezu idealtypisch: Eine wachsende Zahl von Rentenbeziehern ist bei steigenden Rentenansprüchen auf zusätzliche Leistungserbringer angewiesen, die ihrerseits ihren Einsatz erhöhen müssen. So bleibt das System liquide und es herrscht harmonisches Miteinander.

Rhetorisch zum „Generationenvertrag“ verklärt, funktioniert dieses Umverteilungsmonstrum Rente in einem expansiven demografischen Umfeld beinahe reibungslos. Doch Deutschland befindet sich in der Klemme: Die native Bevölkerung altert, schrumpft – und sie verliert aufgrund politischer Rahmenbedingungen ihr industrielles Fundament, das helfen würde, den Bevölkerungseffekt durch wachsende Produktivität zu kompensieren.

Jahr für Jahr verpuffen im Zuge der Deindustrialisierung des Landes rund 70 Milliarden Euro an Wertschöpfung. Firmen schließen reihenweise, hunderttausende Arbeitsplätze sind in den letzten Jahren im Namen der klimabewegten Weltrettung aufgegeben worden – dem Renten-Ponzi geht im Kampf gegen das CO2 buchstäblich die Luft aus.

Unterdessen plant die SPD, die aufreißenden Lücken an anderer Stelle zu schließen. Die Beitragsbemessungsgrenze für die Krankenversicherung soll von derzeit etwa 5.500 Euro auf 8.050 Euro Monatsgehalt angehoben und damit an das Niveau der Rentenversicherung herangeführt werden. Es handelt sich hierbei um einen wiederkehrenden Dauerbrenner der Sozialdemokraten: Jene, die schon heute den Großteil der fiskalischen Lasten schultern, sollen also erneut zur Kasse gebeten werden – im Namen der sozialen Gerechtigkeit. Wer in Deutschland mehr als 8.000 Euro brutto im Monat verdient, gehört zur steuerlichen Hochleistungstruppe. Diese stellt dem Staat bereits 45 Prozent des gesamten Einkommensteueraufkommens zur Verfügung.

Es ist offensichtlich, dass man in Berlin den Weg des geringsten Widerstands einer grundsätzlichen Reparatur der fundamentalen Risse im Sozialsystem vorzieht. Der kurze Dienstweg über die fiskalische Melkmaschine verhindert hitzige Gefechte im Umgang mit den Folgen der immer teureren illegalen Migration oder den Auswirkungen des demografischen Wandels auf das deutsche Sozialstaatsmodell.

Die CDU reagierte prompt auf den SPD-Vorstoß und lehnte diesen geschlossen ab. Das klingt zunächst einmal vernünftig. Doch die Erfahrung lehrt: Die CDU ist eine wankelmütige Partei, ohne ordnungspolitischen Kompass und mutlos im Ringen um notwendige harte Reformen. Nicht zuletzt Kanzler Merz selbst hat das Vertrauen in seine Partei mit einer Reihe gebrochener Wahlversprechen erheblich erschüttert – denken Sie an die Senkung der Stromsteuer oder die geplante Schuldenorgie, die Deutschland aus seinen vielfältigen Krisen herauskatapultieren soll.

Die Öffentlichkeit hat sich längst an die endlose Reihe von Defizitmeldungen aus den unterschiedlichen Sozialkassen gewöhnt. Um den Zug weiter in die eingeschlagene Richtung rollen zu lassen, füllt der Bund beispielsweise das wachsende Rentenloch mit immer höheren Steuerzuschüssen: In diesem Jahr sind es laut Haushaltsplan mindestens 123 Milliarden Euro. Läuft die Konjunktur weiter im Rückwärtsgang (davon sollten wir ausgehen), dürfte der fiskalische Aderlass noch schmerzhafter ausfallen. Steigende Arbeitslosigkeit und sinkendes Beitragsaufkommen sind üblicherweise Größen, die nicht in die Schönwetterkalkulation der Rentenplaner in Berlin einfließen. Der Finanzminister sollte sich also schon einmal aufwärmen, das wird noch teuer.

Mit anderen Worten: Erwerbstätige zahlen gleich zweifach für die Renten. Zum einen durch Rekordabgaben auf ihre Löhne und Gehälter im Höchststeuerland Deutschland, zum anderen über steuerfinanzierte Bundeszuschüsse zur Stabilisierung des strukturell insolventen Systems. Die sich langsam abzeichnende wirtschaftliche Depression, vorgebildet durch die drei Jahre währende Dauerrezession, wird zeigen, wie tragfähig das Rentensystem trotz Querfinanzierung wirklich ist. Es läuft letzten Endes darauf hinaus, die ökonomische Substanz des Landes zu verzehren, das Erbe früherer Generationen durch steigende Abgaben in den Rentenmechanismus einzuspeisen, um schmerzhafte Reformen auf die lange Bank zu schieben.

Mit einem Staatsanteil von inzwischen 50 Prozent am Bruttoinlandsprodukt ist Deutschland zu einem Hyperstaat mutiert, dessen überdimensionierte Bürokratie ihre Fangarme über ein Dickicht an Sozialversicherungen und subventionierten Institutionen ausbreitet – ein Fass ohne Boden, das einen wachsenden Anteil des produktiven Bereichs der Gesellschaft für sich beansprucht. Allein die Rentenversicherung entzieht dem privaten Sektor derzeit 18,6 Prozent über den Beitragssatz seiner erwirtschafteten Leistung – ein Unding, bedenkt man, was am Ende an Rentenansprüchen verbleibt.

Zwei wirtschaftlich produktive Nachkriegsgenerationen haben das Fundament für politische und wirtschaftliche Fehleinschätzungen gelegt. Man wähnte sich in Deutschland in einer Situation ökonomischer Unantastbarkeit. Der wuchernde Sozialstaat und die in großen Teilen der Bevölkerung vorherrschende Idee der Öffnung seines Leistungskatalogs zur Linderung sozialer Probleme in der Welt haben eine fiskalische Notlage heraufbeschworen, die sich nun auch in sozialer Volatilität im Lande Bahn bricht.

Für den Einzelnen bedeutet das: Die Steuer- und Abgabenlast erstickt vielfach die Möglichkeit zur privaten Vermögensbildung. Die Produktivität stagniert, das System lässt kaum Spielraum für Vorsorge. Kapitalgedeckte Rentenansätze – so wünschenswert sie wären – bleiben politische Selbstmordkommandos angesichts der erdrückenden Dominanz des Umlagesystems und seiner Bürokratie. Hinzu kommt: Die Deutschen sparen fast ausschließlich in Bargeld und sind historisch wie kulturell risikoscheu. Aktien? Private Vorsorge? Für viele ein rotes Tuch. Die nächste Inflationswelle, orchestriert von Staat und EZB, wird den deutschen Sparer ins Mark treffen.

Die Rentenversicherung ist ein Paradebeispiel für die politische Ohnmacht in Deutschland. Der homogene Wählerblock von über 22 Millionen Rentenbeziehern steht Reformen, die das Wurzelwerk des Umlageverfahrens berühren, bislang im Weg. Eine harte Rentenreform bedeutet noch immer den politischen Tod. Politik stellt dies in Rechnung und umschifft diese Klippe mit Erfolg.

Immerhin ist es gelungen, das Renteneintrittsalter formal und schrittweise auf 67 Jahre anzuheben. Doch erfolgt diese systemische Rekalibrierung angesichts steigender Lebenserwartung und des wachsenden Rentnerpools viel zu langsam. In der zurückliegenden Dekade ist das Renteneintrittsalter um gerade einmal 1,4 Jahre auf nun 64,4 Jahre angestiegen. Das Rentensystem erfordert sachlogisch längere Erwerbsphasen, bevor man in den Bezugsmodus wechseln kann.

Leistungskürzungen sind in diesem politischen Kräftefeld undenkbar, Renten bleiben an Inflation und Produktivität gekoppelt. Das Patt unter den Parteien garantiert die verborgene Subvention des Rentenschemas mit Steuergeld.

Rentensysteme in schrumpfenden Gesellschaften (lassen wir die illegale Migration außen vor, da sie sich zu einem großen Teil außerhalb des Erwerbslebens vollzieht) stehen unter Zugzwang. Sie sind gezwungen, sich vom Umlageverfahren zu traditionellen Formen innerfamiliärer und individueller Vorsorgeleistungen aus eigener Kraft zu transformieren, um der Leistungserosion des bestehenden Systems zu entgehen.

Eine radikale Kehrtwende zurück zur marktwirtschaftlichen Vernunft und Eigenverantwortung wäre die einzig gangbare Alternative. In Deutschland, und das gilt für die Mehrheit der Staaten in der Europäischen Union, steht dem die Trägheit des politisch-bürokratischen Zentralkörpers im Weg. Seine Machtbasis besteht in der Zahl der Teilhaber am sozialstaatlichen Umverteilungswesen. Diejenigen zur Kasse zu bitten, die keine Lobbyvertretung haben und in deren Falle es leicht fällt, das Ressentiment im Volk zu schüren, hilft dabei, das System zu finanzieren und gleichzeitig lästige Reformdebatten zu vertagen. Gehen wir also davon aus, dass die Rente für Leistungsträger teurer wird und zugleich bescheidener ausfällt.

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