
Greta Thunberg hat sich erledigt. Und zwar in einem doppelten Sinn. Spätestens jetzt kann die Medienfigur Thunberg nicht mehr ernst genommen werden. Bei Lichte betrachtet, konnte sie das noch nie.
Die 22-jährige Frau aus Schweden war schon immer auch ein von interessierten Kreisen in die Öffentlichkeit gezerrter Mensch, dem diese Öffentlichkeit nicht guttat. Thunberg bot das Schauspiel rasender Emotion. Ein Hauch von Geisterbahn war um sie.
Erledigt hat sich das Interesse an der Medienfigur, erledigt hat sie sich selbst. Als antiisraelische Aktivistin schoss sich Thunberg selbst aus jenem Kosmos der Aufmerksamkeit, in dem sie fast fünf Jahre lang ein Fixstern war. Ihr Absturz ist eine Blamage für ihre Unterstützer aus dem grün-linken Milieu.
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Thunberg war ein lehrreicher Fall. Sie betrat die Weltbühne als Furie des Klimaschutzes. Als zorniges Mädchen, das den Erwachsenen die Leviten las. Und je mehr sie sich in ihren Zorn steigerte, desto freudiger ließen es die beschimpften Erwachsenen mit sich geschehen. Sie züchtigte die Welt der Großen, nachdem diese ihr die Peitsche der Anklage gereicht hatten.
Das Netzwerk der Klimaschützer fand in ihr eine Ikone, die als unbestechlich galt. Heißt es etwa nicht, Kindermund tut Wahrheit kund? Gesund war das alles nicht. Weder für das instrumentalisierte Kind – noch für die instrumentalisierenden Erwachsenen.
Jeder wollte sich in Gretas Glanz sonnen. Jeder wollte etwas abbekommen von ihrer vermeintlichen Lauterkeit. Als Thunberg minderjährig war, standen die Mächtigen Schlange. Eine Audienz für Greta wurde zur Audienz bei Greta. So war es bei Barack Obama, bei Angela Merkel, bei Klaus Schwab in Davos und erst recht bei António Guterres, dem sozialistischen Generalsekretär der Vereinten Nationen.
Dort hielt sie am 23. September 2019 ihre berühmte „How dare you“-Rede, „wie könnt Ihr es wagen!“ Ein 16-jähriges Mädchen trug ihre Ängste zu Markte. Und öffentliche Ängste und öffentliche Anklagen sind alles, was die Medienfigur Thunberg ausmachte. Bei ihr war immer Matthäi am Letzten, die Apokalypse am Horizont und der Weltenbrand eigentlich schon da. Sie wollte, dass wir ihre Panik teilen.
Schon damals fand ich diese Rede gruselig. Da wächst ein Mensch im reichen Schweden auf und beschwert sich, ihm sei die Jugend gestohlen worden. Da erklärt ein Mädchen mit Problemen ihre Probleme zu den Problemen der Welt. Da ist Zorn der Weltzugang und Wut der Aggregatzustand.
Thunberg war in dieser Hinsicht offen; sie sagte: „Ich habe das Asperger-Syndrom, und für mich ist fast alles schwarz oder weiß.“ So ist es bis heute. Damals waren fossile Energieträger des Teufels, heute ist es Israel. Damals geißelte sie die Marktwirtschaft, die Industrie und den Westen, heute wirft sie Israel vor, sie entführt zu haben.
Es muss sich um die kürzeste Entführung der Welt gehandelt haben. Tatsächlich wurde Thunbergs Boot mit antiisraelischen Aktivisten auf der Fahrt Richtung Gaza aufgebracht. Thunberg wurde verpflegt und in ein Flugzeug über Frankreich nach Schweden gesetzt. Lösegeld ist nicht geflossen.
Fridays for Future kennt sich aus mit antisemitischen Ober- und Untertönen. Im Oktober 2023 veröffentlichte die internationale Sektion einen „Schwall wüster antisemitischer Stereotype und Verunglimpfungen“ auf Instagram. So formulierte es die Neue Zürcher Zeitung. Es war nicht der erste, nicht der einzige Fall.
Kirchenvertreter suchten Gretas Nähe. Auch sie wollten profitieren von der kindlichen Kaiserin. Der katholische Bischof von Würzburg verglich sie mit David, dem Helden Israels. Der katholische Bischof von Berlin verglich sie mit Jesus. Die Theologische Fakultät der Universität Helsinki verlieh ihr den Ehrendoktortitel.
All das war dumm und schamlos. Aber auch bezeichnend: Thunbergs Welt war nicht nur die Welt der Ängste, der Anklagen und der Panik. Thunbergs Welt war eine Pseudoreligion. Sie bestand aus Dogmen, die nicht hielten. Sie fand Jünger, die sich nun abwenden.
Der Fall der Greta Thunberg zeigt: Wer ein Kind als Sprachrohr verwendet, traut seinen eigenen Argumenten nicht.