Der Apparat belohnt die Braven und ruiniert die Republik

vor 15 Tagen

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Kein Politiker der Regierungsparteien muss, wenn er sich hübsch linientreu hält, Heide Simonis zitieren: „Und was wird aus mir?“ Verhält er sich im Sinne des Parteiapparats gehorsam, wird für ihn gesorgt. Er muss nicht besonders begabt, nicht besonders erfolgreich, nicht effizient sein, es reicht, wenn er brav ist. Jeder neuen Regierung ist es eigen, zuvörderst möglichst vielen Parteisoldaten ein Posten, zumindest ein Pöstchen zu spendieren, denn das erhält den Gehorsam und wirkt zudem disziplinierend auf die Abgeordneten, die abseits aller demokratietheoretischen Flausen vor allem eins zu begreifen haben, dass sie nicht ihren Wählern, sondern ihrer Parteiführung verpflichtet zu sind. Nur wenn der Abgeordnete diese Lehre tief verinnerlicht hat, fällt auch ein Posten als Parlamentarischer Staatssekretär oder als Vorsitzender eines Ausschusses des Bundestages oder als Beauftragter, Bevollmächtigter oder Koordinator der Bundesregierung für ihn ab.

Wer wollte noch sparen, wenn das Motto der neuen Regierung lautet: Verschulden wir die Republik, so sehr wir können. Wir haben Kredit, Kredit, Kredit, – so viel wir wollen. Wofür wären wir denn Volksvertreter, wenn uns das Volk nicht beim Schuldendienst vertreten würde? Man könnte sich auch an den wackeren Abbé Gabriel Bonnot de Mably erinnern, der über das Parlament im Ancien Régime schrieb: „l’avenir les inquiète peu : après eux le déluge.“ (Die Zukunft beunruhigt sie wenig: Nach ihnen die Sintflut.)

„Die Top-Sekretäre erhalten neben dem Amtsgehalt von rund 13.844 Euro noch eine monatliche steuerfreie Aufwandsentschädigung in Höhe von 230 Euro. Da sie jedoch zugleich auch Abgeordnete sind, erhalten sie seitens des Bundestages eine halbe Diät in Höhe von 5.614 Euro sowie eine gekürzte, aber ebenfalls steuerfreie Kostenpauschale von 4.012 Euro. Macht zusammen ein stolzes Monatseinkommen von mehr als 23.000 Euro. Bei 37 Sekretären summiert sich das entsprechend für die Steuerzahler, denn hinzu kommen weitere Kosten von rund 350.000 Euro jährlich für ein eingerichtetes Büro samt Sekretariatspersonal sowie einen Dienstwagen samt Fahrer.“ Der Bund der Steuerzahler kommt zu der Erkenntnis, dass die Parlamentarischen Staatssekretäre oft „in harter Konkurrenz zu den beamteten Staatssekretären, die das Ministerium nach innen leiten und damit die eigentliche Arbeit leisten“, stehen. Denn „die Häufung von Spitzenämtern führt oft zu Komplikationen bei Abstimmungsprozessen und Rangeleien um Zuständigkeiten.“

Nicht nur aus dem Grund, sondern auch aufgrund der verheerenden Wirkung des Amtes auf die Demokratie plädiere ich schon lange dafür, dieses teure, überflüssige und nicht selten kontraproduktive Amt ersatzlos abzuschaffen. Denn mit diesem Amt haben sich Parteiapparate und Regierungen ein erstklassiges Instrumentarium zur Disziplinierung der Abgeordneten geschaffen, so dass auf dem Weg von der Demokratie in die Postdemokratie, in der die Legislative zunehmend zum Anhängsel der Exekutive wird, zunehmend eine Schicht, eine Aristokratie von Politikern entsteht, für die das Parlament zunehmend nostalgische Bedeutung bekommt und die völlig abgehoben von der Wirklichkeit des Landes den Gesetzen eigener Macht- und Einkommenssicherung dienen. So referiert Steffi Menzenbach in ihrer Untersuchung „Die Parlamentarischen. Parlamentarische Staatssekretärinnen und Staatssekretäre im Bund und in den Ländern: Rechtsgrundlagen, Status, Funktionen“: „Ein Teil der (rechts-)wissenschaftlichen Literatur hat „[b]egründete Zweifel“16 an der Verfassungsmäßigkeit des Amtes, kritisiert Bezüge und Versorgungsansprüche der Amtsinhaberinnen und Amtsinhaber im Verhältnis zu ihren Aufgaben und Verantwortlichkeiten17 als „reine[…] Verfügungsmasse bei Koalitionsverhandlungen“18, mit dem „eine nicht unerhebliche Zahl verdienter Abgeordneter politisch und Versorgungstechnisch saturiert werden“19. Im Wesentlichen diene das Amt der Disziplinierung der Mehrheitsfraktionen“ und „der Absicherung politischer Loyalitäten“20.

Dabei sind alle Parlamentarischen Staatsekretäre überflüssig, wenn ihr Wirken nicht sogar schädlich ist, wie man in den letzten Jahren beim Staatsminister für Kultur und Medien beobachten konnte. Ob auch Wolfram Weimer den Zensurminister geben wird, bleibt abzuwarten. Zensur wird übrigens nicht nur über Verbote, sondern auch über die Lenkungswirkung von Förderungen erreicht.

Doch mit den Staatsekretären und Staatsministern hat es längst nicht sein Bewenden, sondern die Regierung leistet sich ein ganzes Heer von Beauftragten, Bevollmächtigten und Koordinatoren, die Ampel nach meiner Zählung 39, alle mit Büro und Budget ausgestattet. Da gibt es den Sonderbeauftragten der Bundesregierung für internationale Klimapolitik, den Sonderbeauftragten für Menschenrechte und globale Gesundheit, den – ganz besonders lustig – Beauftragten Planung Zeitenwende, den Beauftragten der Bundesregierung für die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt, den Beauftragten der Bundesregierung gegen Antiziganismus und für das Leben der Sinti und Roma in Deutschland, den Beauftragten der Bundesregierung für Antidiskriminierung. Man fragt sich, was diese Leute eigentlich beruflich machen, außer NGOs zur Gesinnungsschulung zu finanzieren und die Freiheit einzuschränken, wenn man an das Gesetz zur sogenannten sexuellen Selbstbestimmung denkt. Es war Lenin, der das Kommissarswesen erfand, das sicherstellen sollte, dass die richtige politische Haltung und Gesinnung bei allen – auch fachlichen Entscheidungen – die Priorität erhält. Immer stärker erinnern, die bis auf die Ebene der Institutionen eingerichtete Vielzahl an Beauftragten in der Tat an Lenins Kommissarswesen.

Fast erscheint es als Doppelung, wenn man liest, dass es einen Koordinator der Bundesregierung für Güterverkehr und Logistik und dann auch noch einen Beauftragten der Bundesregierung für den Schienenverkehr gab.

Die neue Bundesregierung hat versprochen, die Anzahl der Beauftragten zu verringern. Doch dass Friedrich Merz Ferda Ataman im Amt der Beauftragten der Bundesregierung für Antidiskriminierung bestätigte, anstatt dieses Amt abzuschaffen, und auch schon die Beauftragte für die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt (Queer) feststeht, die zweifelhafte SPD-Landtagsabgeordnete Sophie Koch, lässt nichts Gutes ahnen. Denn selbst wenn man in deren Logik argumentieren würde, erschließt es sich immer noch nicht, weshalb es neben den Antidiskriminierungs-Beauftragten noch eines Queer-Beauftragten bedarf. Jedenfalls wird Sophie Koch Karin Priens neues „Volksbildungsministerium“ im Sinne der Blockfreunde Prien und Günther komplettieren.

Wenn man alt genug wird, muss man erkennen, dass die alten, überwunden geglaubten Irrtümer wiederkehren – nur unter anderen Namen.

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