
Die Grünen stopfen zahlreiche Versager-Unternehmen mit Subventionen voll. Geht es um Bürgschaften für moderne Technologie-Start-Ups, versagt die Öko-Partei jedoch ihre Zustimmung. Darüber wundert sich NIUS-Kolumnist Markus Brandstetter in seiner aktuellen Kolumne.
Am 20. Oktober 2024 stimmte die Bundestagsfraktion der Grünen gegen die Bürgschaften zur Absicherung eines KfW-Kredits für das Flugtaxi-Unternehmen Lilium. Damit wurde einem Projekt, das den Verkehr revolutionieren könnte, möglicherweise der Todesstoß versetzt.
Dass ausgerechnet die Abgeordneten jener Partei, die sich so gerne als Vorkämpfer von Nachhaltigkeit, Natur- und Klimaschutz ausgeben, ein Unternehmen begraben, das an emissionsfreien, elektrischen Luftfahrzeugen arbeitet, ist mehr als ironisch – es ist defätistisch. Mit den Grünen, das zeigt sich wieder einmal in aller Klarheit, ist weder Staat noch Wirtschaft noch Technologie zu machen.
Jetzt fragen Sie bestimmt: Was ist Lilium, was sind Flugtaxis, warum sind die wichtig und wo fliegen sie hin? Also, der Reihe nach: Lilium ist ein inzwischen börsennotiertes Unternehmen, das 2015 von vier Doktoranden der TU München gegründet wurde. Das Unternehmen entwickelt am Flugplatz Oberpfaffenhofen (bei München) ein senkrecht startendes Kleinflugzeug, das sowohl als Lufttaxi als auch als Mittelstreckenflugzeug eingesetzt werden soll, mit dem Ziel, den Verkehr zwischen Großstädten schneller und effizienter zu gestalten. Der Gag dabei: Das von Lilium entwickelte Kleinflugzeug wird nicht von Propellern oder Turbinen-Strahltriebwerken angetrieben, sondern von 36 kleinen (und hochinnovativen) Mantelstromtriebwerken, die auf den vier Tragflügeln des Lilium-Jets sitzen.
Das klingt alles hervorragend, aber die Sache hat einen Haken: Lilium hat in neun Jahren eineinhalb Milliarden Euro verbrannt, verfügt aber bis heute über keinen Jet, der erfolgreich einen bemannten Erstflug absolviert hätte und sich dann verkaufen ließe. Der erste Testflug soll 2025 stattfinden, im Jahr darauf soll der kleine Jet dann zertifiziert sein und in Serienproduktion gehen. Interesse von Luftfahrtgesellschaften aus der ganzen Welt gibt es bereits, Bestellungen sind angekündigt.
Das Unternehmen Lilium will den Flugzeugmarkt revolutionieren.
Das Problem bei Lilium ist damit dasselbe wie bei allen Start-ups, die sogenannte Cutting-Edge-Technologie in Produkte verwandeln wollen: Geld. Und zwar ziemlich viel davon. High-Tech-Neugründungen verbrennen am Anfang, bis sie Produkte, einen Markt und Kunden haben, Geld wie verrückt, weshalb der Kapitalbedarf solcher Unternehmen auch „Cash-Burn-Rate“ heißt. Bei Lilium liegt diese Rate bei 400 Millionen Euro im Jahr. Das klingt auf den ersten Blick wie eine Riesensumme, ist aber bei einem Unternehmen, das Technik der Zukunft entwickelt, vollkommen normal. Unternehmen, die heute jeder kennt (Apple, Google, Amazon, Facebook, Tesla, ChatGPT), wurden am Anfang von Investoren mit enormen Summen gefördert, bis sie in der Lage waren, sich selbstständig am Markt zu behaupten und endlich das viele Geld zu verdienen, das heute Aktionären, Mitarbeitern (via gute Gehälter) und Steuereinnehmern so viel Freude bereitet.
Damit es bei Lilium weitergeht, hat das Unternehmen einen (rückzahlbaren) KfW-Kredit mit zweistelligem Zinssatz über 100 Millionen Euro beantragt, den das Land Bayern und der Bund jeweils zur Hälfte durch Ausfallbürgschaften absichern sollten. Und dieser lebenswichtige Kredit kommt nun deshalb nicht, weil die grünen Bundestagsabgeordneten Katharina Dröge, Sven-Christian Kindler und Stefan Gelbhaar die Bürgschaft verweigert haben. Und zwar perfiderweise wenige Tage vor Auszahlung des Kredites, nachdem Lilium davor ein ganzes Jahr lang signalisiert worden war, dass es mit dem Kredit klappen würde.
Diese feindselige Blockadehaltung der Grünen ist auf den ersten Blick überraschend, wenn wir uns anschauen, welchen Unternehmen die Grünen in der Vergangenheit Staatsmittel nur so hinterher geschmissen haben – ohne auf Rückzahlungen, Zinsen oder Bürgschaften zu achten. Da hätten wir etwa 2022 die 300 Millionen Euro Staats-Bürgschaften für die MV Werften aus Mecklenburg-Vorpommern, die beansprucht und damit selbstverständlich verloren waren, da Insolvenz. Und dann gab es 2020 bis 2022 die 680 Millionen Euro für Galeria Karstadt Kaufhof, eine absolut uninnovative Kaufhauskette, die trotz Staatshilfen nicht einmal, sondern gleich zweimal insolvent wurde und tausende Mitarbeiter entließ. Auch Wirecard fällt einem ein, das, bevor es nach einem Betrugsskandal in Flammen aufging, noch schnell 900 Mio. Euro an Exportgarantien abgreifen konnte. Schließlich hätten wir da noch unfassbare 40 Milliarden Euro an Kompensationszahlungen an die Kohlekonzerne RWE und LEAG, eine irrsinnige Summe, die allein deshalb notwendig ist, um das grüne Herzensprojekt Kohleausstieg zu finanzieren. Für diese – es gibt kein anderes Wort – Versagerunternehmen war mit grüner Unterstützung immer Geld da. Aber für Lilium soll es keines mehr geben.
Dabei zeigt ein Blick in die Geschichte, dass erfolgreiche Industrien ohne staatliche Unterstützung kaum existieren würden. Das beste und mit Lilium direkt vergleichbare Beispiel ist der Flugzeugbauer Airbus. Das Unternehmen wurde 1970 gegründet und erhielt von Beginn an massive Unterstützung durch europäische Regierungen, hauptsächlich Deutschland, Frankreich und Großbritannien. Ohne staatliche Kredite, Bürgschaften und Subventionen wäre Airbus niemals zu dem globalen Giganten geworden, der es heute ist. In den 1970er-Jahren betrugen die staatlichen Kredite für Airbus insgesamt 1,5 Milliarden Euro – eine Summe, die sich in der heutigen Zeit inflationsbereinigt auf etwa 10 Milliarden Euro belaufen würde. Das Ergebnis? Airbus ist heute einer der weltweit führenden Flugzeughersteller und Europas größter Luft- und Raumfahrt- und zweitgrößter Rüstungskonzern, der mehr als 130.000 Mitarbeiter beschäftigt.
Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder, der ja gerne auf fahrende Züge aufspringt, auch wenn er nicht immer weiß, wo sie hinfahren, hat in diesem Fall einmal zu hundert Prozent recht, wenn er schreibt: „Typisch Grüne! Sie sind und bleiben innovationsfeindlich und deshalb dafür verantwortlich, wenn deutsche Kreativität in die USA, Frankreich oder nach China abwandert. Das schadet dem Wirtschaftsstandort Deutschland.“
Markus Söder besuchte das militärische Luftfahrtzentrum von Airbus.
Die Grünen, das zeigt der Fall Lilium sehr schön, haben ihre Feindseligkeit gegenüber Wirtschaft, Industrie und Technik und damit gegenüber der bürgerlichen Mitte der Gesellschaft auch vierzig Jahre nach ihrer Gründung nicht abgelegt. Der Kern eines modernen Staates wie der Bundesrepublik ist eine Wirtschaft, die sich an der vordersten Front von Innovationen und Technologie bewähren muss. Sonst wäre es mit unserem Wohlstand bald vorbei. Die Grünen agieren seit jeher gegen das beste Interesse von Staat und Gesellschaft, weil sie eine freie Wirtschaft, Technologie und Fortschritt aktiv ablehnen. Das haben Teile der bürgerlichen Mitte, insbesondere das liberale Bildungsbürgertum, in der Vergangenheit übersehen oder schlicht vergessen.
Jetzt, da Deutschland in einer massiven, von den Grünen entscheidend mitverursachten Krise steckt, fällt es mehr und mehr Menschen auf, dass es mit ihnen abwärts geht. Das erklärt die jüngsten Wahlschlappen der Grünen bei den Landtagswahlen. Das gibt aber auch die Hoffnung, dass die Grünen bei der nächsten Bundestagswahl zu dem relegiert werden, was sie in Wirklichkeit immer waren: Zu einer kleinen, ökosozialistischen und kulturrevolutionären Partei, die mit der breiten bürgerlichen Mitte der Gesellschaft nichts am Hut hat.