
Europa kann im Ukraine-Krieg der Aggression des russischen Präsidenten Putin auch ohne die Unterstützung der USA entgegentreten, glaubt der der frühere EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU). „Europa hat ein Sozialprodukt von 16.000 Milliarden Euro, Russland von 3000 Milliarden“, sagte Oettinger bei „Schuler! Fragen, was ist“, der erstmals vor Publikum aufgezeichnet wurde.
„16.000 Milliarden wir, 3000 Milliarden die. Also von der Wirtschaftskraft her könnten wir, wenn wir wollten, alles tun, dass die Ukraine so stark gemacht wird, dass sie nicht überrannt werden kann, dass sie ihr Gebiet zurückbekommt, dass sie ihre Grenzen schützen kann. Ja, in der Tat, wir tun zu wenig“, so Oettinger.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) habe recht, wenn er sagt, dass Deutschland am zweitmeisten nach den USA für die Ukraine ausgibt. „Aber pro Kopf geben die Letten, die Litauer, Esten weit mehr als wir. Wir tun zu wenig. Putin verachtet Schwäche“, sagte Oettinger.
„Wenn wir ihm schwach gegenübertreten und dann noch rumtelefonieren oder ihm Emissäre nach Moskau schicken“, so der CDU-Politiker mit Blick auf das jüngste Telefonat des Kanzlers mit Putin, „dann weiß er genau: Er hat uns im Sack. Gegen diesen Verbrecher hilft nur auf Augenhöhe Stärke zu zeigen.“
„Schuler! Fragen, was ist“ wurde erstmals vor Publikum aufgezeichnet.
Das sei nicht ohne Risiko, räumte Oettinger ein, denn Putin könne eskalieren. „Er ermordet Menschen im Tiergarten, er schickt womöglich Flugzeuge mit Bomben auf den Weg. Er ist ein brutaler Kerl, und da hilft Schwäche nicht und Protokoll auch nicht. Wir müssen wissen: Dieser Krieg geht gegen uns und nicht nur gegen die Ukraine. Der Krieg gilt dem Westen der Demokratie, er gilt Europa. Es ist auch unser Krieg.“
Oettinger macht einen grundlegenden Unterschied zwischen dem Verteidigungskrieg der Ukraine und den Angriffen Russlands auf zivile Ziele in der Ukraine. „Krieg ist schlimm, aber Soldat gegen Soldat an der Grenze, Panzer gegen Panzer ist es zumindest noch etwas, was man als Teil unsere Geschichte sehen muss. Aber Bomben gegen Krankenhäuser, Bomben gegen Kindergärten, Bomben nur in Wohngebäude hinein ist ein Riesen Verbrechen noch viel mehr als der Krieg an sich.“
Oettinger sieht Taurus-Marschflugkörper als Druckmittel gegen Putin.
Er verstehe die Haltung von CDU-Chef Merz zur Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern so, dass diese als eine Art Ultimatum an Russland gedacht seien. Die Botschaft an Putin: „Wir überlegen uns, Taurus zu liefern, wir machen es aber nur, wenn du weiterhin in den Zivilbereich hinein bombst. Krankenhäuser, Kindergärten, Schulen, Wohngebäude zerstörst.“ Es sei an Putin zu überlegen: „Er kann den Taurus haben oder nicht haben. Ich würde sagen, diese ganz klare Bedingung: Wir werden liefern, wenn er weiter den Krieg gegen die Bürger der Ukraine so eskalieren lässt, die halte ich für richtig.“