
Das ist wahrscheinlich einmalig in der Welt – eine Wortschöpfung für „feige“ mit dem Namen des Feiglings. Im Italienischen sagt man „fare lo Schettino“ – den Schettino machen. Das bedeutet: sich feige zu drücken. So wie der Träger des Namens, Francesco Schettino. Er war Kapitän des Kreuzfahrtschiffes Costa Concordia. Es rammte am 13. Januar 2012 einen Felsen vor der italienischen Insel Giglio, weil der Kapitän zu dicht an die Felsen gefahren war. 32 Passagiere kamen ums Leben, 4.200 schwebten in Lebensgefahr. Es war das größte Schiffsunglück Italiens der Nachkriegszeit.
Francesco Schettino, Kapitän des Kreuzfahrtschiffes Costa Concordia, das am 13. Januar 2012 im Mittelmeer mit einem Felsen kollidierte. Dabei starben 32 Menschen.
In diesen Tagen sind das Unglück und der Kapitän wieder sehr präsent. Schettino hat inzwischen die Hälfte seiner Strafe von 16 Jahren und einem Monat abgesessen. Er stellte einen Antrag auf offenen Vollzug. Nun steht die Entscheidung bevor, die ein römisches Gericht bald bekanntgeben wird.
Was Schettino fordert, sorgt für Wut und Unverständnis, berichtet die Neue Zürcher Zeitung. Denn es geht bei dem Gerichtsentscheid um mehr als ein Strafmaß. Es geht um einen Mann, der fahrlässig handelte, sich in Ausreden flüchtete, sich in Widersprüchen verstrickte und sich vor seiner Verantwortung drückte – vor, während und nach der Katastrophe, wie es das Gericht feststellte.
Schettino im Gerichtssaal in Grosseto vor Beginn seines Prozesses.
Unfälle passieren, aber das Unglück des Kreuzfahrtschiffes Costa Concordia ist wohl einmalig. 45 Minuten dauerte es nach dem Aufprall auf den Felsen, bis die Besatzung etwas unternahm. Die Passagiere wurden nicht informiert, man bat sie um Ruhe, verbannte sie in ihre Kabinen. Einige kamen nie mehr aus ihnen heraus – viele Betagte, ein sechsjähriges Mädchen. Das 32. Opfer fanden Arbeiter erst zwei Jahre nach der Katastrophe.
Auch die Behörden wurden nach dem Unfall nicht informiert. Erst gegen 22:30 Uhr begann die Evakuierung. Als einer der ersten verließ Schettino das Schiff – entgegen der ehernen Regel seines Berufsstands: zuerst Kinder und Frauen, zuletzt der Kapitän. Das war der schlimmste aller schlimmen Fehler des Kapitäns Francesco Schettino. Dass er als erster das Schiff verließ, wurde ihm von der Öffentlichkeit und vor allem von den Angehörigen der Opfer nie verziehen. Zu seiner Fahrlässigkeit paarte sich die komplette Verantwortungslosigkeit. „Va a bordo, cazzo!“ So herrschte ihn der Chef der Küstenwache von Livorno an. „Kehren Sie an Bord zurück, verdammt!“ Die Aufzeichnung wurde legendär, die Aufforderung ein geflügeltes Wort.
Die havarierte Costa Concordia vor der toskanischen Küste.
Fünf Crew-Mitglieder standen mit ihm vor Gericht. Sie erhielten Strafen zwischen anderthalb und zwei Jahren und zehn Monaten. Ins Gefängnis musste nur Schettino. Für die Richter waren die Beweise gegen den Kapitän erdrückend: mehrfache fahrlässige Tötung, fahrlässige Körperverletzung, fahrlässiger Schiffbruch und Verlassen des Schiffes. Dieser letzte Anklagepunkt brachte Schettino in der internationalen Presse den Beinamen „größter Feigling der Welt“.
Jetzt also hofft der ehemalige Kapitän auf offenen Vollzug, weil er die Hälfte seiner Strafe abgesessen hat. Er will das, was er zurzeit im Gefängnis macht, am liebsten im Vatikan weitermachen – Digitalisierung von Akten.