
Erstaunlich, wie schnell selbst Google überholt sein kann, zum Beispiel mit diesem Text: Dubai, eine Stadt und ein Emirat in den Vereinigten Arabischen Emiraten, ist für Luxusläden, ultramoderne Architektur und ein pulsierendes Nachtleben bekannt … wie langweilig!
Dubai ist momentan nur für eines bekannt – für die Dubai-Schokolade. Ich glaube, es ist die einzige Schokolade der Welt, die den Namen der Stadt trägt, aus der sie kommt. Bei Schweizer Schokolade denke ich an Toblerone, bei Mozartkugeln an Wien. Aber diese Süßigkeiten heißen ja nicht wie die Stadt – das hat der Wüstenstaat weltexklusiv. Schokolade aus der Wüste: mal was Neues.
Und die Leute rennen und rennen, um eine Tafel Dubai-Schokolade (ist limitiert) zu kriegen. Aber eigentlich stehen sie an – und das bei Temperaturen um den Gefrierpunkt. In Berlin haben sich hundert Meter lange Schlangen vor dem Lindt-Store gebildet. Manche haben bis zu sechs Stunden angestanden, um zu kriegen, was andere nicht haben: eine Tafel Dubai-Schokolade für 14,95 das Stück. Und das ist noch ein Schnäppchen. Das teuerste Angebot bei Ebay liegt zurzeit bei 250 Euro. Da wirken die 81 Euro, die eine andere Plattform aufgerufen hat, geradezu wie ein Sonderangebot. Im Netz kursieren noch deutlich höhere Preise von bis zu 2800 Euro für eine Tafel Dubai-Schokolade.
Was macht die Dubai-Schokolade so besonders? Ist sie überhaupt was Besonderes, außer dass sie aus der Wüste kommt? dubaichocolates.de sagt in feinstem Werbedeutsch: „Die exklusive Nascherei besteht aus einer hochwertigen Vollmilchschokolade, gefüllt mit einer cremigen Pistazienfüllung und Kadayif-Fäden (Engelshaar), die der Schokolade einen unverwechselbaren Crunch verleihen“. Na, denn. Ein guter Bekannter von mir hat sie gekostet. Er sagt: „Sie ist ganz lecker, nicht zu süß, Pistazie, feiner Kakao. Aber nochmal drei Stunden anstehen – das würde ich dafür nicht mehr …“
Die beliebte Schokolade wird für Fotos und Videos demonstrativ zerbrochen: Zum Vorschein kommen die mit Pistaziencreme umhüllten Kadayif-Fäden.
Nun sind wir wieder da, wo wir am Anfang waren. Was bitte lässt so viele Menschen (es müssen Hunderttausende sein) zu einer Tafel Schokolade greifen, die bis zu hundertmal so teuer ist wie andere großartige Schokoladen? Und: Kommt diese Süßware wirklich aus Dubai? Diese Frage scheint beantwortbar zu sein. Die Dubai-Schokolade stammt vom Unternehmen Fix Dessert Chocolatier, das sie seit 2021 in Dubai anbietet. Unternehmensgründerin Sarah Hamouda gilt als Erfinderin. Sie hat sich das Rezept während der Schwangerschaft ausgedacht, berichtet sie. In Dubai koste die Schokolade übrigens umgerechnet gerade 17 Euro.
Die Antwort, warum so viele Menschen weltweit plötzlich Dubai-Schokolade wollen, geben Internet-Plattformen wie TikTok. „Deutschlands erste Dubai Schokolade“ zum Beispiel hat 3,1 Millionen Follower bei TikTok. Es gibt Dubai-Schokoaden-Influencer wie Samis Limani, der fast eine halbe Million Follower hat. Es gibt zahlreiche andere Influencer und Internet-Unternehmen, die für die Schokolade aus Dubai werben – mit großem Erfolg. Ich glaube, Dubai-Schokolade ist die erste virale Schokolade der Welt, die Menschen für teuer Geld bestellen, ohne sie gekostet zu haben. Motto: Was wirklich gut ist, muss wirklich teuer sein. Und selten noch dazu.
Ich bin kein Dubai-Schokoladen-Soziologe. Aber könnte es nicht sein, dass Menschen in diesen trüben Zeiten, in denen Deutschland gefühlt jeden Tag wirtschaftlich ein bisschen tiefer rutscht, in denen viele belastet sind von schleichender Existenz-Angst, sich nach etwas Positivem sehnen? Nach etwas, das sie wenigstens kurzzeitig aus dem tristen Alltag wegträumen lassen, wenn es auch unverschämt teuer ist?
Vielleicht ist das das Geheimnis der Dubai-Schokolade.