
Ramadan-Beleuchtung auf den Straßen, in den Geschäften „Ramadan-Kalender“ in Anlehnung an Adventskalender, öffentliche Zusammenkünfte zum Fastenbrechen: In diesem Jahr war der Islam während des muslimischen Fastenmonats im öffentlichen Raum sehr präsent. Und während das abendliche Fastenbrechen zum Teil auf großen öffentlichen Plätzen gefeiert wurde, war ein ähnlicher Zulauf zu Osternachtsfeiern, mit denen die christliche Fastenzeit gestern endete, nicht zu beobachten: Durch die diesjährige Überschneidung von Ramadan und christlicher Fastenzeit wurde evident, dass christliche Traditionen im öffentlichen Leben keine Rolle mehr spielen.
Die öffentliche Präsenz des Islam bereitet vielen Menschen Unbehagen. Und das liegt nicht an Xenophobie: Dass Prozessionen von Hindus oder Buddhisten ähnliche Vorbehalte hervorrufen würden, ist unwahrscheinlich.
Dieser faktische Verdrängungsprozess beruht auf zwei Faktoren: Auf dem Selbstbewusstsein der Muslime einerseits, und dem kulturellen Vakuum, in das der Islam vorstößt, andererseits.
Diese Differenzierung ist wichtig, weil Nichtmuslime bezüglich des ersten Faktors Muslime kritisieren müssen und dürfen, während der zweite Sachverhalt Selbstkritik einfordert, was allerdings häufig unterbleibt.
In Bezug auf den Islam in Deutschland ist zum einen problematisch, dass gemäßigte und säkulare Muslime dem politischen Islam nichts entgegenzusetzen haben. Wie im Protestantismus fehlt eine höchste Lehrautorität; das Wesen der Religion ist immer das, was der einzelne Gläubige darunter versteht.
So fühlen sich, verständlicherweise, nur die wenigsten Muslime mitverantwortlich für das, was andere Muslime tun. Hinzu kommen tribalistischer Zusammenhalt und eine ungute Mischung aus Opfer- und Anspruchshaltung. Diese wird zu allem Überfluss auch noch von Teilen der muslimischen „Intelligenzia“ nach Kräften befördert: Das wahrscheinlich unrühmlichste Beispiel ist die Grünenpolitikerin und Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor. Vorgeblich modern und emanzipiert, immunisiert sie ihre Glaubensgeschwister gegen Kritik, und diskreditiert legitime Vorbehalte von Nichtmuslimen.
Zuletzt fiel sie mit der Einlassung auf, der Koalitionsvertrag verschaffe Muslimen keine Sichtbarkeit. Der Ton der Verlautbarung typisch: Larmoyant wird Mangel an Einsatz für den Islam beklagt, mit moralischer Keule und arroganter Selbstgerechtigkeit wird subtil Muslimfeindlichkeit unterstellt; allein die Thematisierung muslimischen Terrors gilt als Bedrohung für Muslime – so, als handele es sich dabei nicht um eine reale Bedrohung. Unter dem Deckmantel religionswissenschaftlicher Expertise wird der Islam exkulpiert.
Dabei strafen selbst einige islamische Länder Kaddor Lügen. Diese nehmen die Gefahr durch Islamisierung deutlich ernster als deutsche Politiker und hegen den Islam entsprechend scharf ein – auch und gerade in seiner öffentlichen Erscheinungsform. Sie wissen, dass diese ein Vehikel ist, um Radikalisierung zu befördern. So verbietet eine ganze Reihe von Ländern Vollverschleierung ganz oder teilweise. In Tadschikistan ist Kindern seit 2011 die Teilnahme an religiösen Veranstaltungen und der Besuch von Gotteshäusern verboten – Unterdrückung, die auch die kleine christliche Minderheit trifft, aber mit Bedrohung durch Islamisten begründet wurde.
In Deutschland dagegen gilt als islamophober Bedenkenträger, wer die Entwicklung besorgt beobachtet. Nun kann man andererseits den Muslimen nicht vorwerfen, wenn sie ihren Glauben ernstnehmen, und jede Gelegenheit ergreifen, um ihn sichtbar zu machen. In einem freien Land kann schließlich jeder das propagieren, was ihm wichtig erscheint.
Stellt man aber die Frage, was denn den öffentlichen kulturellen Raum prägen würde, wenn der Islam sich wieder zurückziehen würde, muss man sich eingestehen, dass hier in weiten Teilen gähnende Leere herrschen würde. Die fragmentierte, entwurzelte, säkular-materialistische, in großen Teilen areligiöse Gesellschaft bietet schlicht kaum Alternativen an – jedenfalls keine nachhaltig sinnstiftenden und nur wenige gemeinschaftsstiftende. Was sind ein „Frühlings“- oder „Herbstfest“ gegen die zahllosen Bräuche, Traditionen und Feste, die das Leben früherer Generationen prägten und strukturierten? Wenn selbst in München zu Fronleichnam kaum noch ein Wimpel oder Fähnchen die Prozession grüßt, wenn die einst große und heilige Fastenzeit keine kollektive geistliche Übung mehr ist sondern schon dann als bravourös gemeistert gilt, wenn man auf Alkohol verzichtet (Bier ist übrigens traditionell eine Fastenspeise): Kann es da wirklich verwundern, dass sich andere Kulturen ausbreiten, wenn die eigene nicht gepflegt, nicht geschätzt und nicht gekannt werden?
Nicht einmal ein Drittel der Deutschen feiert Ostern als religiöses Fest. So berichtet der WDR in einem unbeholfenen Artikel, der natürlich auch noch mit irreführenden Informationen aufwartet – wieso sollte man sich für die eigene Kultur wirklich interessieren?
Das Jammern über zu viel Islam im öffentlichen Raum sollte nicht dazu verführen, den Mangel an Sinnangeboten im eigenen Gesellschaftsentwurf zu ignorieren. Ganz offensichtlich ist das säkular-materialistische Projekt gescheitert, was sich im Übrigen auch an den teilweise psychotisch erscheinenden Ersatzkulten ablesen lässt, die der religiös ausgehungerte Mensch auf seiner Sinnsuche ansteuert.
Die säkulare Gesellschaft selbst hat den Ast abgesägt, auf dem sie sitzt: Mit der Domestizierung der Kirche, mit der Absage an das Christentum, durch die gemeinsame „Werte“ ohne überzeugende Grundlage im luftleeren Raum hängen, mit der Diskreditierung christlicher Mission und mit gegen das Christentum gerichteter Propaganda, nicht selten aus den Reihen der Kirche selbst, hat man die Basis der eigenen Kultur untergraben, und wundert sich nun, dass sie dem Islam nichts Konstruktives entgegenzusetzen weiß.
Die Wiedergewinnung der eigenen Kultur und ihrer geistlichen und geistigen Grundlagen kann dem „westlichen“ Menschen aber niemand abnehmen. Das ist, bei aller berechtigten Kritik am Islam, nicht die Aufgabe der Muslime in unserem Land.