„Der Mann, der Fleisch isst, unterwirft symbolisch die Frau“, erklärt ein Ernährungssoziologe

vor 7 Monaten

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Fleischkonsum ist sexistisch. Das zumindest meint der Ernährungssoziologe Martin Winter im Interview mit dem Spiegel. Winter ernährt sich seit Jahren vegan und konzentriert sich nach eigenen Angaben in seiner Forschung auf die Schnittstellen von Kulturwissenschaften, Wissenschafts- und Technikforschung sowie Gender Studies. Das äußert sich auch während des Interviews, in dem der Ernährungssoziologe Männer in den Fokus nimmt: Fleischkonsum könne sexistisch sein. Die Männer müssten daher dringend überkommene Rollenbilder und Traditionen hinterfragen, heißt es da.

„Fleisch wird sehr stark mit Männlichkeit verknüpft“, so Winter. Seit der Industrialisierung habe sich hieran nichts mehr geändert. Männer hätten als Soldaten oder Fabrikarbeiter körperlich schwer belastende Tätigkeiten ausführen müssen. Zur Regeneration hätten ihre Körper daher Fleisch benötigt. Bis heute habe sich an diesen traditionellen Vorstellungen nichts verändert, erklärt der Ernährungsfachmann.

Beispielhaft führt er hierfür eine Äußerung des Bundesvorsitzenden der Freien Wähler, Hubert Aiwanger, an. Dieser erklärte 2020 zu einer Diskussion über billiges Fleisch: „Die Debatte darf sich nicht zuspitzen auf die Bevormundung, dass Fleisch einmal die Woche reicht. Für einen Büromenschen auf dem Vegan-Trip vielleicht – für den Bauarbeiter nicht. Wenn der nur einmal die Woche Fleisch kriegt und nur Salat, fällt er am dritten Tag vom Gerüst runter.“

Solche Aussagen seien auf eine historisch gewachsene und teilweise noch bestehende Ungleichbewertung von traditionell männlichen und weiblichen Arbeitsbereichen zurückzuführen. Die männlich dominierte Arbeitssphäre werde oft höher bewertet, während die häusliche oder pflegende Arbeit traditionell Frauen zugeschrieben und „nicht als gleichwertig wahrgenommen“ werde, meint Winter.

Am meisten beschäftigt den Ernährungssoziologen jedoch die „sexistische Komponente“, die mit dem Fleischkonsum einhergehe. „Der Mann, der Fleisch isst, unterwirft nicht nur die Natur, sondern auch symbolisch die Frau.“ Gerade in der Werbebranche gebe es für diese Darstellung zahlreiche Beispiele. „Ich sehe mir jedes Semester mit Studierenden Beispiele sexistischer Werbung für Fleischprodukte an. Stetig kommen neue Negativbeispiele dazu.“

Schockiert zeigt sich der Ernährungssoziologe dabei insbesondere über eine Anzeige: „Eine Werbung zeigt drei Fleischstücke mit dem Text ‚Bauch – Beine – Po für Männer‘“, erklärt Winter. „Hier kommen mehrere Dinge zusammen: Fleisch ist ein Essen für Männer, während Frauen ihren Körper durch ‚ihr‘ Bauch – Beine – Po für den männlichen Blick bearbeiten sollen.“ Winter zufolge resultiere dies in der sexistischen Darstellung, „dass Männer sich mit dem Fleisch Frauenkörper symbolisch einverleiben“.

Dass der Fleischkonsum – gerade unter Jüngeren – in der Vergangenheit wieder angestiegen ist und zugleich der Anteil der Veganer und Vegetarier stagniert, besorgt den Ernährungssoziologen. „Es wird spannend, ob wir es mit einer Trendumkehr zu tun haben oder ob es doch ein Ausreißer ist.“ Weiter erklärt er: „Informationen und Appelle reichen offensichtlich nicht aus, um große Teile der Gesellschaft zu erreichen. Die Positionen verhärten sich, denn während Fleischverzicht seinen Exotenstatus verliert, wird Fleischkonsum umso vehementer verteidigt.“

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