
Am Sonntag beschloss die rumänische Wahlkommission, den offiziell unabhängigen, nationalkonservativen Politiker Călin Georgescu von den Präsidentschaftswahlen im kommenden Mai auszuschließen. Er führte zu diesem Zeitpunkt mit Werten um die 40 Prozent in allen Meinungsumfragen.
Zuvor hatte er bereits am 24. November des vergangenen Jahres die erste Runde der ursprünglichen Präsidentschaftswahl gewonnen, bevor das Verfassungsgericht wegen angeblicher Unregelmäßigkeiten die komplette Wahl für ungültig erklärte. Begründet wurde das mit nicht weiter belegten „Geheimdiensterkenntnissen“, wonach Russland auf die Wahl Einfluss genommen habe. Die abgegebenen Stimmen entsprachen deshalb nach Auffassung des Gerichts „nicht dem wahren Wählerwillen“.
Dwessentegen muss jetzt neu gewählt werden.
Als Grund für den jetzigen Ausschluss Georgescus wurde zunächst in Medienberichten ein Formfehler genannt: Unter einer Beilage zu seiner Vermögenserklärung fehle Georgescus Unterschrift.
Das wäre kein Problem, er kann die Unterlagen bis zum 15. März erneut einreichen. In ihrer am Sonntagabend veröffentlichten Begründung bezieht sich die Kommission allerdings auch auf die Entscheidung des Verfassungsgerichts vom 6. Dezember, die ursprüngliche Wahl für ungültig zu erklären. Diese Entscheidung, so argumentiert die Wahlkommission, stellte schon im Dezember fest, dass Georgescus Kandidatur von vornherein nicht die Bedingungen für eine Teilnahme an der Wahl erfüllte, da er „demokratische Grundprinzipien“ nicht einhalte. Insofern dürfe er diesmal gar nicht erst teilnehmen.
Mit anderen Worten: Ohne es ausgesprochen zu haben, verbot das Urteil des Verfassungsgerichts vom 6. Dezember de facto bereits eine Teilnahme Georgescus an der neuen Präsidentschaftswahl.
Übrigens steht er unter Polizeiaufsicht, gegen ihn hat die Staatsanwaltschaft am 27. Februar Klage erhoben, unter anderem wegen Volksverhetzung.
Wie genau missachtete der Mann, der die größte Unterstützung der Wähler genießt, die Grundregeln der Demokratie? Das Gericht warf ihm damals Dokumentenfälschung sowie Falschaussagen zur Finanzierung seiner Wahlkampagne („0 Lei“) vor und zitierte Geheimdienstunterlagen, wonach Georgescu mit einer TikTok-Kampagne den Wählerwillen manipuliert habe. So wirklich beweisen konnte man nichts davon.
Am Sonntagabend kam es nach der Entscheidung der Wahlkommission zu teilweise gewalttätigen Protesten der Anhänger Georgescus, Demonstranten und auch Polizisten wurden dabei verletzt.
Am Montag rief Georgescu in einer Videobotschaft seine Anhänger zur Ruhe auf, nachdem er zuvor behauptet hatte, sein Ausschluss von der Wahl sei der Beweis, dass Rumänien sich in eine „Diktatur“ verwandelt habe.
Was nun? Georgescu hat gegen die Entscheidung Berufung vor dem Verfassungsgericht eingelegt – er hatte dazu 24 Stunden Zeit. Das Gericht muss binnen weiterer 48 Stunden – also bis Mittwoch, den 13. März – über den Fall entscheiden.
Rumäniens politisches Grundproblem ist mit einem Ausschluss Georgescus freilich nicht lösbar. Er wird unterstützt von einem Dreigestirn rechter Parteien. Die größte von ihnen ist die Allianz für ein vereinigtes Rumänien (AUR). Deren Chef George Simion war auf Georgescus Videobotschaft am Montag ebenfalls zu hören: Er warte auf Georgescus Entscheidung, wie er weiter vorgehen wolle – die rechten Kräfte seien aber zu einem gemeinsamen Vorgehen entschlossen, und Simion selbst werde, falls Georgescu ihn dazu auffordert, als Kandidat zur Präsidentschaftswahl antreten.
Problem: Wenn die beiden bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichts warten (13. März), dann bleibt denkbar wenig Zeit für Simion, seine Unterlagen für eine Kandidatur einzureichen – die Frist ist der 15. März. Und die Kommission kann auch bei ihm „Unregelmäßigkeiten“ entdecken.
Simion ist weniger beliebt als Georgescu, aber das Wählerpotenzial der drei rechten Parteien dürfte reichen, ihn in die Stichwahl zu bringen – zumal wenn Georgescu ihn unterstützt.
Damit würde Rumäniens Mainstream-Lager der herkömmlichen Parteien vom Regen in die Traufe kommen. Simion ist verbal viel schärfer und radikaler als Georgescu. Nach der Entscheidung der Wahlkommission rief er dazu auf, deren Mitglieder „öffentlich zu häuten“. Wenig später löschte er diesen Facebook-Post.
Simion ist ein Garant für Konflikte in Rumänien selbst und in der Region. Er hetzt gegen die ungarische Minderheit, fordert die „Wiedervereinigung“ Rumäniens mit Moldau und hat – wie auch Georgescu – angedeutet, dass Teile der Ukraine historisch zu Rumänien gehören.
Wieso geht es in Rumänien plötzlich so turbulent zu? Sándor Tamás, der erfahrene Vorsitzende des vorwiegend ungarisch bevölkerten Komitats Covasna, vermutet einerseits Einflussnahme der Großmächte (Russland, USA, EU) und in diesem Kontext einen Machtkampf der sieben verschiedenen rumänischen Geheimdienste – in denen Georgescu Feinde, offenbar aber auch Unterstützer habe, vor allem bei der älteren Generation.
Als weiteren Grund nennt er die krass gewachsenen Vermögensunterschiede im Land: Seit der Covid-Krise sei eine kleine vermögende Schicht immer reicher geworden, breite Teile der Bevölkerung seien verarmt, und die Mittelschicht sei geschrumpft. Das führe zu Radikalisierung.
Nichts von alledem verheißt Gutes für die kommenden Wochen und Monate. Eine zunehmende politische Gewalt ist durchaus denkbar, ebenso eine weitere Erstarkung rechter Kräfte und eine anhaltende Staatskrise. Letzten Endes ist es schwer vorstellbar, dass es genügen wird, die neuen Glücksritter dieser gesellschaftlichen Umwälzung – Georgescu und Simion – irgendwie zu neutralisieren. Damit schaltet man die Grundfunktion der Demokratie aus, politischen Wandel gewaltfrei zu ermöglichen.
Wenn das nicht mehr funktioniert, dann wird Gewalt leider eine der denkbaren Möglichkeiten im politischen Machtkampf.