
Ratgeber-Sendungen gehören immer noch zu den beliebtesten und erfolgreichsten Formaten, die das ansonsten schwer schwindsüchtige Fernsehen zu bieten hat.
Klassische Inhalte sind dabei Tipps und Tricks, wie man alle möglichen Situationen bewältigen kann: Die Palette reicht von der Frage, wie man am besten tränenfrei eine Zwiebel schneidet (geht übrigens nicht), über den sauberen Reifenwechsel bis hin zur wirksamen Unkrautvernichtung.
„Life Hack“ nennt man so eine Lebenshilfe für den Alltag auf Neudeutsch.
Nicht zu den behandelten Themen gehörten bisher jener Bereiche des privaten Daseins, bei denen man davon ausgehen konnte, dass die TV-Zuschauer die dafür notwendigen Kenntnisse im Rahmen der Erziehung durch ihre Eltern schon erworben haben: wie man einen Lichtschalter bedient, zum Beispiel; oder wie man sich die Schuhe zubindet; oder wie man sich nach dem Duschen abtrocknet.
Doch das öffentlich-rechtliche System dringt nun in Galaxien vor, die nie ein TV-Sender zuvor gesehen hat.
Der Rundfunk Berlin-Brandenburg RBB ist zwar anerkannt pleite, produziert aber trotzdem noch auf der Kurzvideo-Plattform TikTok das Format „Safe Spaces“ (übersetzt: „sichere Räume“). Dort präsentieren junge Erwachsene „Life Hacks“ für andere junge Erwachsene. Und Sie, lieber Leser, werden nicht glauben wollen, wobei das Publikum offenbar dringend Hilfestellung benötigt: siehe diesen TikTok-Clip.
Sie haben keine Halluzination: Der RBB erstellt mit dem Geld des Zwangsgebührenzahlers ein Kurzvideo, in dem erwachsene Menschen andere erwachsene Menschen dabei anleiten, wie sie sich mit überlangen Fingernägeln nach dem finalen Verdauungsakt den unteren Rücken säubern können.
Don’t shoot the messenger – bitte, erschießen Sie nicht den Boten. Ich überbringe die Nachricht ja nur.
Dass der Clip sich nicht an Kinder richtet, ergibt sich aus dem Inhalt: Überlange Fingernägel, auch wenn es künstliche sind, haben Grundschülerinnen selbst in Berlin-Neukölln noch nicht. Diese Art von Körperschmuck wird erst in der Pubertät schick.
Normalerweise lobt man nicht die Konkurrenz, aber was ist schon normal in diesen Tagen? Außerdem macht es zugegebenermaßen auch einen Heidenspaß, zwischendurch mal die Regeln zu brechen. Also: Ein Dank gehe hiermit an den Kollegen Alexander Kissler für dessen Buch „Die infantile Gesellschaft“.
Dort wird schon im Jahr 2020 die Regression unseres Landes beschrieben. Wörtlich bedeutet Regression ja Rückentwicklung, und das beschreibt ziemlich exakt, was in Deutschland seit geraumer Zeit passiert. Die Bundesrepublik entwickelt sich zurück, nicht nur als Gemeinwesen insgesamt, sondern auch in ihren Bestandteilen: den Bürgern.
Und bei dieser Regression sind wir nun eben wieder in der analen Entwicklungsphase angekommen.
„Du bist doch ein erwachsener Mensch“: Der Satz umschrieb früher einmal die Vermutung, dass der so angesprochene Mitbürger zu vernünftigem Denken und konsistentem Handeln in der Lage sein sollte. Heute umschreibt er die Befürchtung, dass das Gegenüber sich zwar womöglich schon im gebärfähigen Alter befindet und wählen darf, aber noch Beratung beim täglichen Toilettengang benötigt.
Und irgendwie muss man dem RBB sogar dankbar dafür sein, dass er uns vorführt, wie fertig dieses Land mittlerweile wirklich ist.