
Sie haben die Wahl, lieber Leser: Sind Sie ein Gleichmütiger oder ein Verantwortungsvoller? Ein Traditionsbewusster oder ein Neokultureller? Ein Selbstgenügsamer oder ein Ambitionierter?
Falls Sie mit diesen Bezeichnungen nun so gar nichts anfangen können: Seien Sie beruhigt, das ist ganz normal. Die Typologie ist eine neue Erfindung der „Gesellschaft für innovative Marktforschung“ (GIM) in Heidelberg. Für eine Wahnsinnssumme hat die geschäftstüchtige Firma im Auftrag von ARD und ZDF das ÖRR-Publikum neu kartiert.
Der GIM-Berg kreißte auftragsgemäß – und gebar neun Mäuschen, pardon, „Digital Media Types“ (digitale Medientypen, kurz DMT). Das sind sie:
Screenprint: Media Perspektiven
Die infantile grafische Darstellung passt nahezu perfekt zur inhaltlichen Einteilung der Typen. Die Umschreibung „holzschnittartig“ wäre hier eine unangemessene Abwertung der uralten Handwerkskunst des Holzschnitts.
So richtig lustig wird es, wenn man sich so einen „digitalen Medientypen“ etwas näher ansieht.
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Die „Verantwortungsvollen“ sind zu 64 Prozent weiblich. Sie haben ihren Altersschwerpunkt zwischen 50 und 70 Jahren und werden so charakterisiert:
„Die Verantwortungsvollen sind junggebliebene, aufgeschlossene und heimatverbundene Menschen mit einem hohen moralischen Anspruch an sich selbst. (…) Ihr Umfeld nimmt die Verantwortungsvollen als fürsorglich, gutmütig, offen und altruistisch, manchmal vielleicht etwas besserwisserisch wahr.“
Mit anderen Worten: Für die „Omas gegen rechts“ haben sich ARD und ZDF eine eigene Kategorie basteln lassen.
Der Hammer ist dann, wie groß der Anteil dieser bekanntlich staatsfinanzierten (und teilweise von Ex-Stasi-Mitarbeitern organisierten) „Omas gegen rechts“ an der Gesamtbevölkerung sein soll: 15 Prozent (in Worten: fünfzehn). Falls Sie das nicht glauben wollen: Hier ist der Screenshot von der GIM-Website.
Screenprint: Digial Media Types
Die Formulierungen in den Charakterisierungen liefern vielsagende Erkenntnisse. Allerdings nicht über die angeblichen „Medientypen“, sondern vor allem über den Geisteszustand der Studienmacher und über das Weltbild ihrer öffentlich-rechtlichen Auftraggeber.
Zu den „Traditionsbewussten“ steht da:
„Traditionen, Werte und religiöse Prinzipien haben einen hohen Stellenwert, ebenso die Familie. Traditionsbewusste sind engagierte Menschen, sie bringen sich z. B. in der Kirchengemeinde oder gemeinnützigen Vereinen ein. In ‚ihrer Region‘ fühlen sie sich sehr stark verwurzelt bzw. mit ihr verbunden. Traditionsbewusste wirken auf Andere bescheiden, rechtschaffen und bodenständig – aber auch sehr festgelegt und konservativ.“
Wir fassen zusammen: Die „Traditionsbewussten“ sind zwar engagiert – ABER (sic!) sie wirken auch sehr konservativ.
Hier wird schlicht eine anti-bürgerliche Weltsicht verbreitet, die sich die Tarnkappe einer angeblich seriösen Studie aufgesetzt hat. Das freilich dürfte der Erwartungshaltung der Auftraggeber bei ARD und ZDF entsprechen.
Aus ihrer Sicht haben die Marktforscher also nichts falsch gemacht. Man will ja nicht den Kunden vergraulen und bezahlt werden.
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Das mit dem Geld ist überhaupt noch so eine Sache. Solche Studien kosten ein Vermögen. Im vorliegenden Fall hat der ÖRR-Experte Lutz Olaf ein vertrauliches Papier veröffentlicht. Es legt den Schluss nahe, dass die Entwicklung der „Digitalen Medientypen“ (DMT) durch die GIM wohl um die 400.000 Euro teuer war:
Für sehr, sehr viel Geld der Zwangsgebührenzahler haben ARD und ZDF also genau diese Zwangsgebührenzahler analysieren lassen. Und trotzdem dürfen die Zwangsgebührenzahler nicht einfach auf alle Studienergebnisse zugreifen. Zwar ist online ein „umfangreiches E-Book mit allen DMT-Steckbriefen“ abrufbar. Allerdings nur, wenn man zusätzlich 950 Euro überweist. Kein Schreibfehler: neun-fünf-null. Pro Download. Für eine Studie, die der Zwangsgebührenzahler schon einmal bezahlt hat.
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Man könnte über das Ganze herzhaft lachen – wenn es nicht so teuer und auch nicht so traurig wäre.
Denn es sind solche Arbeiten, die die einstmals hochehrwürdigen empirischen Sozialwissenschaften in Verruf gebracht haben. In der typisch menschenfernen Sprache von Unternehmensberatern wird heute mit modern klingenden Kunstwörtern methodische, inhaltliche und gedankliche Tiefe simuliert. Alles natürlich streng wissenschaftlich.
In Wahrheit zeichnen die zeitgenössischen Ergüsse dieses Betriebs kein realistisches Bild der Welt – sondern sie spiegeln das Weltbild der zahlenden Auftraggeber.
Durch die „Digital Media Types“ können wir die Mediennutzung in Deutschland nicht besser verstehen. Doch immerhin können wir dadurch besser verstehen, wie die überbezahlten Verwaltungsangestellten von ARD und ZDF ihre Zuschauer sehen wollen.
Allerdings wussten wir das auch schon vorher.