
Die Linke wird nie gewählt. Das ist ihr historisches Problem. Daher stiehlt sie sich die Macht, auf die Methoden kommt es da nicht an. Hauptsache, sie führen zum Erfolg. Oder sie zieht mit parlamentarischen Tricks und Finten den verschlafenen bürgerlichen Parteien den Sitz im Parlament unter dem Hintern weg. „Pardauz aber auch!“, rufen die und sind schwer beleidigt.
Da sind sie schon vor der Tür, weit weg von der Macht. Bürgerliche Politiker glauben an Mandat, Gesetz und Recht als Werte an sich. Linke Politiker instrumentalisieren das Recht, um Macht zu gewinnen und sie gegen jeden demokratischen Impuls zu verteidigen, mit allen Mitteln. Sie fühlen sich dazu sogar verpflichtet, denn sie stehen immer auf der „richtigen Seite der Geschichte“. Wie sangen die Sozialdemokraten gern: „Mit uns zieht die neue Zeit!“ Wer da nicht mitmarschiert, ist von gestern, untauglich für die Morgenröte.
Das ist die Geschichte der Sozialisten in ihren unterschiedlichen Ausprägungen seit der russischen Revolution – die in ihrer ersten Phase im Februar eine liberal-bürgerliche war, ehe sie im Oktoberputsch in die blutigen Hände der bolschwewistischen Sozialisten geriet. Alle osteuropäischen Staaten haben diese Form der Machtergreifung durch Sozialisten mit Hilfe der Roten Armee erlebt und viele Menschen haben es nicht überlebt. Die Bewacher in den KZs trugen nur andere Uniformen.
In anderen Ländern führte dieses Vorgehen zum Bürgerkrieg wie in Spanien, wo auf die Vernichtungskampagnen der linksextremen Volksfront der brutale Gegenschlag und das Blutbad des Generalissimus Franco folgten. Die Weltliteratur ist voll von Beschönigungen dieser Machtübernahmen und Idealisierungen der Volksherrschaft im Namen des Sozialismus, die immer über die Leichen der Völker geht. Sei es Fidel Castro in Kuba oder Pol Pot in Kambodscha; Mao Tsetung werden 40 bis 80 Millionen Todesopfer zugerechnet, genau vermag man die Opfer des Sozialismus nicht zu zählen. „Politische Macht wächst aus den Gewehrläufen.“ Die Gründergeneration der Grünen um Jürgen Trittin hat ihre Lektion aus der Mao-Bibel gelernt und diese Losung verinnerlicht.
Aber nein, so soll es ja diesmal nicht sein. Man ist ja kultiviert; Machtübernahme erfolgt zivilisiert, auch damit die Bürger in ihren Federbetten weiter ruhig schlafen. Ehe sie am Morgen die veränderte und unveränderliche linke Realität erleben. 36 Jahre nach dem Mauerfall will die Berliner SPD wieder Privateigentum verstaatlichen, Wohnungen, Unternehmen, Handwerk und Dienstleistung, Geschäfte jeder Art, die nach Ansicht der Partei klimafalsch handeln. Der Co-Vorsitzende der Grünen Jugend, Jakob Blasel, fordert die Verstaatlichung von klimaschädlichen Konzernen. DIE LINKE hat das sowieso auf der Agenda. Dafür soll ein neues Amt gegründet werden in Berlin, die „Vergesellschaftungsbehörde“. Wenn’s dann nicht so klappt mit der Funktionärswirtschaft, beginnt die nächste Runde von Enteignung und Repression bis hin zur Säuberung der Gesellschaft von schädlichen Elementen. Auf selbstverschuldetes Versagen folgt die Verfolgung der Staatsfeinde, das ist die historische Gesetzmäßigkeit linker Politik.
Zivilisiert sollte auch diesmal die Machtübernahme durch das politische Lager aus SPD, Grünen und Linken erfolgen; mit richtigen „Wissenschaftlerinnen“ an der Spitze und Beamtenbesoldung. Es gilt, den Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts endlich unter Kontrolle zu bringen. Frauke Brosius-Gersdorf und Ann-Katrin Kaufhold haben sich dafür qualifiziert, indem sie sich für ein AfD-Verbot ausgesprochen und erklärtermaßen ein biegsames, anpassungsfähiges Verhältnis zum Grundrechtsentzug für Bürger haben. Verboten wird natürlich erst, man ist ja eine gesittete Juristin, nachdem die Geheimdienstler vom Bundesamt für Verfassungsschutz die Belege herbeigeschafft haben. Der Rest ist dann nur noch ein gesitteter Schauprozess, wenn die richtigen Richterinnen entscheiden. So viel Form soll beibehalten werden, das schon.
Darüber hinaus erklärt uns Brosius-Gersdorf, wie diese lästige Menschenwürde zu verstehen sei, die diese Menschen glauben, als unveräußerliches Recht zu besitzen. Man kann sie wegdefinieren. Erstmal für Ungeimpfte, dann für Ungeborene. Und wenn man in Fahrt gekommen ist, dann für Ungläubige, die sich der staatlich verordneten Mehrheit partout mit falschen Wahlentscheidungen entziehen wollen. Ann-Katrin Kaufhold stellt das Wahlrecht in Frage, natürlich nicht so direkt, wie es hier steht. Sondern weil Parlamente, die gewählt werden müssen, es an Zuverlässigkeit mangeln lassen, zu populistischen Lösungen neigen, wie das Wort schon sagt.
So denkt sie über eine Gesellschaft nach, in der Wahlen überflüssig sind. Im Rahmen der „Post-voting society“, ein Konzept, das in einer Smart-City-Agenda des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung diskutiert wurde: finanziert also aus Steuergeldern und herausgegeben von der damaligen Umweltministerin Barbara Hendriks. Im Bericht heißt es: „Da wir genau wissen, was Leute tun und möchten, gibt es weniger Bedarf an Wahlen, Mehrheitsfindungen oder Abstimmungen. Verhaltensbezogene Daten können Demokratie als das gesellschaftliche Feedbacksystem ersetzen.“
Beiden Damen ist eine gemeinsame Sichtweise eigen: Wahlen sind nicht mehr der Ausdruck der Volkssouveränität, der Machtbeauftragung von unten nach oben. Menschenrechte sind nicht länger unveräußerlich. Vielmehr entscheidet die Regierung darüber, ob sie noch Menschen- und Grundrechte gewähren mag oder ob sie noch Wahlen braucht. Es geht ja auch ohne diesen ganzen demokratischen Klimbim, mit dem sich die Bürger wichtig machen (und stören). Die Regierung weiß doch, was wichtig und richtig ist. Die gesamte Zielrichtung des Grundgesetzes ist längst umgekrempelt worden. Statt den Bürger vor dem Staat zu schützen, nimmt es ihn neuerdings in Dienst und Verpflichtung.
Mehr Demokratie-Umkehr geht kaum. Es deutet in Richtung demokratischer Sozialismus der DDR, wo von oben nach unten durchregiert wird. Und nein, eine weitere Text-Exegese des breit angelegten Textbausteinkastens der beiden Wissenschaftlerinnen ist nicht erforderlich. Die staatliche Planung und Lenkung ist das Hauptmotiv. Es hat endlich von oben nach unten zu gehen. So pflegt Kaufhold eben gerne Verstaatlichung von Wohnraum zu fordern, im Auftrag der von Linken getragenen Regierung. Und die Linke predigt wiederum, dass wieder der Staat die Lebensmittelpreise festsetzen soll wie in der DDR. Man träumt ganz offen von den verfallenden Ruinen der DDR und den Schlangen vor den Geschäften, in denen es vielleicht Bananen gibt. Da stören Wahlen nur den wohlgeordneten Betrieb in die bevormundete Armut. Diesmal heißt der Sozialismus allerdings Klimarettung mittels Verknappung und „De-Growth“. Ludwig Erhard wird auf den Kopf gestellt, aber er bleibt trotzdem Ludwig Erhard, behauptet jedenfalls der Wirtschaftsredakteur der Zeit, Mark Schieritz.
Derart vorgebildet kann man den beiden Richterkandidatinnen auch anvertrauen, dass sie die lästige Partei mittels Verbot ausschalten, und deshalb beruft man sie in den dafür zuständigen Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts. Und darin liegt der verborgene Charme des radikalen Gesellschaftsumbaus.
Denn die öffentlichen Auseinandersetzungen über den § 218 und Verstaatlichungsphantasien, so der Verfassungsrechtler Franz Josef Lindner seien lediglich „vordergründig“. Die Verfassungsrichterwahl sei vielmehr „der entscheidende Schritt der SPD auf ihrem Weg zurück ins Kanzleramt“.
Lindner skizziert ein Szenario, das auf mehreren politischen und juristischen Bausteinen beruht. Zunächst habe die SPD auf ihrem jüngsten Parteitag beschlossen, ein Verbot der AfD anzustreben. Zuständig für ein solches Verbotsverfahren ist der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts – jener Senat also, dessen personelle Zusammensetzung nun mit SPD-Kandidatinnen verändert werden soll.
Daraus ergebe sich für die SPD eine klare Kalkulation: „Im Falle eines Verbotsantrags steigen also aus Sicht der SPD die Erfolgschancen deutlich.“ Denn gelänge das Verbot, würden die 151 Bundestagsmandate der AfD entfallen. Die Folge: Der Bundestag schrumpft auf 479 Sitze, die Kanzlermehrheit läge dann bei 240 Abgeordneten – eine Marke, die SPD, Grüne und Linke mit ihren derzeitigen 269 Sitzen problemlos erreichen. Wenn man sie so korrigiert, stören Wahlen nicht einmal mehr.
Bis dahin, so Lindners Analyse, wäre die AfD ausgeschaltet und das nicht-linke Lager organisatorisch geschwächt. Die Union würde von den Wählern abgestraft, wenn sie sich zuvor an einem solchen Szenario mitschuldig gemacht hätte. In seinen Worten: „Die am Nasenring vorgeführte Union dürfte keine ernsthafte Wahloption mehr sein.“ Bekanntlich wählen die allerdümmsten Kälber ihre Metzger selber.
Lindner fasst die Gesamtdynamik in einem zugespitzten Satz zusammen: „Eine rot-rot-grüne Republik wäre zementiert, die Opposition zerschlagen. Darum geht es!“ Und um die Macht im Parlament, Kanzleramt und dem riesigen Berliner Apparat mit seinen Verästelungen in alle Lebensbereiche. Vor diesem Hintergrund sei es auch wenig verwunderlich, dass die SPD an ihren Kandidatinnen festhalte. Für sie wäre ein Rückzug „ein strategischer Fehler“.
Die Warnung an die CDU fällt deutlich aus: „Für die Union bedeutet das: sie ist möglicherweise nur noch 2 Schritte vom politischen Suizid entfernt.“ Nämlich dann, wenn sie sowohl den SPD-Richterkandidatinnen als auch einem Verbotsantrag zustimme. Eine solche Entwicklung könnte die politische Landschaft der Bundesrepublik dauerhaft verändern – ohne breite gesellschaftliche Debatte, aber mit weitreichenden Konsequenzen für die Gewaltenteilung und das parlamentarische Gleichgewicht.
Wie das geht, hat das Bundesverfassungsgericht beim Klimaurteil beispielhaft vorgeführt: Urplötzlich wurde der Klimaschutz auf Jahr und Grad genau zum Staatsziel hochgejazzt, auf fragwürdigster Grundlage, ohne fundierte Begründung und Überlegung zu den Konsequenzen.
Durchgedrückt wurde das Urteil von der grünen Parteigängerin und Politaktivistin in der roten Robe, Gabriele Britz. Dabei, so führt der frühere Hamburger Umweltsenator Professor Fritz Vahrenholt (SPD) vor, hat sie praktischerweise die Begründung des Urteils von Pamphleten übernommen, die ihr Ehemann, der damalige Frankfurter Grünen-Chef Bastian Bergerhoff, vorformuliert hat. Das Voneinander-Abschreiben hat bei grünen und linken Karriere-Pärchen mittlerweile Tradition; und man weiß gar nicht mehr, wen man da vor sich hat in der stringenten Parteilogik. Bezeichnend auch, dass Friedrich Merz mit dem Koalitionsvertrag dann versprochen hat, die Regelung auch explizit ins Grundgesetz einzufügen. Der lange Marsch zur Macht ist in diesem Punkt ans Ziel gelangt.
Aber diesmal geht es noch weiter. Es geht auch um Koalition und Regierung.
Die SPD kann nach einem AfD-Verbot dann den ungeliebten, lästigen Friedrich Merz abschütteln. Ihre Macht wäre erstmal bis zum Ende der Legislaturperiode gesichert, und mit Hilfe des gefälligen Verfassungsgerichts lassen sich dann allerlei Dinge durchsetzen, die heute noch an bockigen Richtern scheitern könnten. Der Bundesverfassungsschutz wird gegen jeden Kritiker mobilisiert, kritische Medien verboten, freche Kommentare in den sozialen Medien als Anlass zu flächendeckender Verfolgung genommen. Oder gleich ganz verboten – wegen „Hass und Hetze“.
Nicht dass die CDU unter Merz hier dem Vorgehen einen Riegel vorschieben werde. Sie dämmert vielmehr vor sich hin und erkennt das strategische Vorgehen der grünlackierten Sozialisten nicht. Sie erkennt nicht, wie eng ihr Koalitionspartner mit den Grünen kungelt und längst die unverbrüchliche Nähe zur offen kommunistischen Linken sucht. Friedrich Merz und Jens Spahn sonnen sich noch im tätowierten Charme von Heidi Reichinnek und fühlen sich geschmeichelt, ehe sie politisch gemeuchelt werden. Hauptsache mit Maske.
Und die SPD weicht keinen Millimeter. SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf hat gerade Friedrich Merz wegen dessen Forderung angegriffen, das Wohngeld für Bürgergeld-Empfänger zu begrenzen. „Wir müssen endlich aufhören zu glauben, dass wir den Staat auf Kosten der Bürgergeldbezieher sanieren könnten. Das ist schlichtweg falsch“, sagte er dem Portal T-Online. Merz hatte sich am Sonntag dafür ausgesprochen, die vom Staat erstatteten Wohnkosten für Bürgergeld-Empfänger zu begrenzen. Dabei kritisierte er, dass der Steuerzahler Bürgergeld-Empfängern teils Wohnungen finanziere, die sich „eine normale Arbeitnehmerfamilie nicht leisten“ könne. Der SPD-Generalsekretär wies dies vor dem Hintergrund von „Kinderarmut und zunehmender Obdachlosigkeit“ zurück. Menschen zum Umzug zu zwingen, „ist unsinnig“. Merz darf bellen, die Karawane zieht weiter.
Dafür pocht Klüssendorf auf eine Steuererhöhung bei allen Erbschaften: „Wir müssen endlich über eine ehrliche und verantwortliche Besteuerung von Erbschaften sprechen.“ Sie soll „Milliardensummen in die Länderhaushalte spülen, was in die Bildung oder innere Sicherheit fließen kann“. „Ich kann aber jetzt schon sagen, dass ich bei dem Thema sehr unnachgiebig agieren werde.“
Und die SPD-nahe Pseudo-Forschungseinrichtung Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, DIW, mit SPD-Propagandist Marcel Fratzscher an der Spitze fordert einen „Boomer-Soli“: Künftig sollen Ältere von ihren Renten, Pensionen, Miet- und sonstigen Einkünften wie Lebensversicherungen und Aktienerträgen eine zusätzliche Steuer für die Rente abführen. Dass alte Leute noch eine extra Steuer trotz jahrzehntelanger Höchstbesteuerung zusätzlich wegen ihres Alters aufgebrummt kriegen, dürfte weltweit einzigartig sein.
Aber den Soziallisten droht das Geld der anderen schon auszugehen, noch ehe sie so ganz richtig und fest an der Macht sind. Umso wichtiger ist die Festigung ihrer Machtbasis, noch ehe sich Widerstand bilden kann.
Bürgerliche Politiker haben verinnerlicht, dass Demokratie Macht auf Zeit verleiht, die auch wieder aberkannt werden kann, spätestens bei der nächsten Wahl.
Sozialisten haben Lenins Postulat verinnerlicht, wonach die Machtfrage die eigentliche Entscheidung der Politik ist. Sie handeln nach der Formel von der Dialektik von Taktik und Strategie. Taktisch ist alles erlaubt, jede Bemäntelung, auch der Hitler-Stalin-Pakt, der nicht wenige Parteimitglieder der KPD das Leben gekostet hat. Es muss nur der Strategie dienen, nämlich der Strategie der unumstrittenen Machteroberung.
Was in Deutschland abläuft, ist wie aus dem Lehrbuch einer sozialistischen Kaderschule. „Es muss demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand haben, denn was Demokratie ist, bestimmen wir“, hat Walter Ulbricht 1945 zu KPD-Kadern in Moskau als Richtlinie bei der Gestaltung der Demokratie in Ostdeutschland als Losung ausgegeben. Nur die Träumer in der CDU haben nicht begriffen, was vor ihren Augen abläuft: die Übernahme von Institutionen, um die Macht an sich zu reißen.
Vergangene Woche hat der zehnköpfige Wahlausschuss der Stadt Lage, der mit Kommunalpolitikern von CDU, SPD, FDP, Grünen und AfD besetzt ist, entschieden, den AfD-Kandidaten Uwe Detert nicht zur Bürgermeisterwahl im September zuzulassen – wegen „Zweifeln an der Verfassungstreue“.
Ist eigentlich die CDU/CSU noch verfassungstreu, nachdem sie (vorerst) gewagt hat, bei Richterwahlen anders zu wählen, als SPD und Grüne es von ihr verlangen? Zweifel sind berechtigt, Befürchtungen auch.
Lenin formuliert 1917 die Kernfrage der Revolution: „Die Frage der Staatsmacht kann weder umgangen noch beiseite geschoben werden, denn das ist eben die Grundfrage, die in der Entwicklung der Revolution, in deren Innen- und Außenpolitik alles bestimmt.“
Um die Macht im Staate geht es. Auch diesmal.