
Probleme bei der Einbürgerung? Kein Problem! Die Kanzlei Migrando Rechtsanwälte aus Cottbus wirbt in einem bizarren Video dafür, deutscher Staatsbürger zu werden. Den Kunden verspricht sie nicht nur rechtlichen Beistand auf dem Weg zum deutschen Staatsbürger, sondern erledigt auch den Austausch mit den Behörden. Doch es gibt bereits Kritik an der Kanzlei.
„Du wartest monatelang auf einen Termin bei der Ausländerbehörde? Der Antrag für die Einbürgerung ist kompliziert und zieht sich? Du bist nicht allein. Hunderttausende stoßen hier auf Hindernisse“, heißt es zu Beginn der Einbürgerungswerbung von Migrando.
Aber: „Migrando hat die Lösung.“ So habe sich die Kanzlei auf Einbürgerungen spezialisiert und helfe den Kunden dabei, den Antrag dafür zu stellen, die Wartezeit zu verkürzen und Beratung zu erhalten. Außerdem: „Unsere Anwälte vertreten dich rechtlich, kommunizieren mit den Behörden und notfalls reichen wir eine Untätigkeitsklage ein“, verspricht die Kanzlei im Video.
Das Ziel: „Ihnen den Einbürgerungsprozess so einfach wie möglich zu machen und sicherzustellen, dass Sie Ihre Rechte vollständig nutzen können“, liest es sich auf der Website – notfalls mit Klage. Die Kanzlei geht auf der Seite weiter ins Detail. So gibt es etwa Ratgeberbeiträge darüber, was ein Ausländer bei der Heimatreise mit Schutzstatus beachten muss oder wie viel Gehalt bei einer Familienzusammenführung nötig ist.
Den Migrando-Mitarbeitern scheint die Einbürgerungsarbeit zu gefallen.
Besonders praktisch: Auf der Seite ist ebenso ein Online-Test verfügbar, mit dem bereits im Vorhinein die Voraussetzungen für Einbürgerung oder Niederlassungserlaubnis geprüft werden können. Dabei wird etwa abgefragt, wie lange man bereits in Deutschland lebt oder ob man Geld vom Jobcenter erhält. Ob es Chancen auf eine Einbürgerung gibt, erfährt man im Anschluss per E-Mail. Ist das Testergebnis negativ, erklärt Migrando, warum die Erfolgschancen auf eine Einbürgerung gering sind.
Zum Beispiel heißt es dann: „Ein Antrag auf Niederlassungserlaubnis oder Einbürgerung hat in Ihrem Fall leider noch keine Aussicht auf Erfolg, da Sie aktuell noch keinen Aufenthaltstitel haben. Sie benötigen zunächst ein befristetes Aufenthaltsrecht. Für Menschen mit einer Duldung kommen insbesondere folgende Aufenthaltstitel infrage: §§ 25a, 25b, 19c, 19d, 25 Abs. 5, 28 oder 104c AufenthG.“
Test und Tipps gibt es noch gratis. Möchte man jedoch die volle Unterstützung in Anspruch nehmen, wird es teuer: 2.490 Euro kostet die Einbürgerung bei Einmalzahlung, bei zwei Monatszahlungen sind es je 1.249 Euro und bei einer Ratenzahlung über 12 Monate sind es 249 Euro je Monat. Zum Vergleich: Im Staatsangehörigkeitsgesetz ist festgehalten, was die Einbürgerung eigentlich kostet, wenn man sich selbst an die zuständige Einbürgerungsbehörde wendet: 255 Euro je Erwachsener, bei minderjährigen Kindern sind es 51 Euro.
Den Pass gibt es über Migrando ganz sicher nicht geschenkt – im Gegenteil.
Inhaber der vermutlich lukrativen Einbürgerungskanzlei ist der Rechtsanwalt Fabian Graske, „das öffentliche Gesicht von Migrando“, wie es auf der Website heißt: „Seit 2017 setzt er sich leidenschaftlich für das Ausländerrecht ein und hat ein tiefgreifendes Wissen in migrationsrechtlichen Themen aufgebaut.“
Die Inhalte der Seite werden zusätzlich von Christin Schneider verantwortet: „Mit zehn Jahren Tätigkeit bei der Ausländerbehörde verfügt sie über einzigartige, praxisbezogene Erfahrungen aus erster Hand“, so ihre Vorstellung auf der Seite. Auf Instagram gibt sie Tipps, wie es mit der Einbürgerung klappt – auf die jeweiligen Herkunftsländer der möglichen Kunden angepasst.
Auf YouTube ist Graske selbst präsenter. Auf der Plattform rührte er im vergangenen Jahr mit dem SPD-Bundestagsabgeordneten Hakan Demir die Werbetrommel für das neue Einbürgerungsgesetz. Graskes Fragen an den Politiker: „Warum hat es so lange gedauert, bis das Einwanderungsgesetz endlich geändert wurde? Welche Vorteile bringt das neue Gesetz für Migranten und für Deutschland?“
Graske im Interview mit dem sozialdemokratischen Bundestagsabgeordneten Hakan Demir
Auf der Plattform „abgeordnetenwatch“ muss sich der SPD-Politiker im Anschluss jedoch noch eine ganz andere Frage gefallen lassen: „Wie können Sie mit Migrando ein Interview führen, die Tausende von Euro für einen Einbürgerungsantrag von den Hilfesuchenden kassieren?“ Demir antwortet: „Ich sehe es dabei auch als meine Aufgabe an, die Fortschritte dieser Reform (des Staatsangehörigkeitsgesetzes) öffentlich zu erklären und einzuordnen – und damit auch dafür zu werben, dass Menschen die neuen Gesetze tatsächlich in Anspruch nehmen. Genau diesem Zweck diente auch mein Interview mit Migrando. Eine Einschätzung dazu, ob die Anwaltshonorare von Migrando – im Vergleich zu anderen Fachanwält:innen – besonders hoch oder niedrig sind, treffe ich nicht.“
Der Weg zum deutschen Pass: Mit Migrando könnte er weniger steinig werden.
Im Video wirbt Migrando mit „tausenden zufriedenen Mandanten und hunderten fünf Sterne Bewertungen auf Google“. Der Beitrag auf „abgeordnetenwatch“ ist jedoch nicht der einzige negative Kritikpunkt, der öffentlich geäußert wurde. In den Kommentaren unter den Instagram-Beiträgen finden sich einige Beschwerden unzufriedener Kunden. Ein Nutzer schreibt: „Meine Frau ist seit April letztes Jahr Kundin bei euch und es passiert nichts. Sie hat 1500 Euro gleich am Anfang bezahlt und wir werden immer wieder vertröstet. Anfangs hat man uns gesagt, dass es ca. 3 Monate dauert.“
Am Ende sind beide Seiten zufrieden? So wie hier in der Werbung scheint es nicht immer zu funktionieren.
Ein anderer berichtet: „Ich wende mich heute mit großem Unmut an Sie. Seit über sieben Monaten bin ich Mandant bei Ihnen und zahle monatlich 300 Euro. Leider muss ich feststellen, dass Ihre Dienstleistung meinen Erwartungen in keiner Weise gerecht wird. Ein persönlicher telefonischer Kontakt scheint inzwischen unmöglich geworden zu sein – etwas, das in einer vertrauensvollen Zusammenarbeit absolut notwendig wäre. Auch auf E-Mails erfolgt entweder gar keine Reaktion oder erst nach mehreren Wochen.“
Migrando selbst hat zu den Vorwürfen auf Anfrage bisher keine Stellung bezogen, auch die Kommentare im Netz blieben ohne Reaktion.
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