Der Sondervermögen-Bluff: Wie Klingbeil mit seinem Beirat SPD-Interessen durchsetzt

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Finanzminister und Vizekanzler Klingbeil nutzt einen alten Trick, der schon in ganz anderen Zusammenhängen bisher immer sehr erfolgreich war. Er gründet nämlich einen Beirat, der Empfehlungen erarbeiten soll, wie die 500 Millionen Euro Schulden aus dem Sondervermögen am besten ausgegeben werden können. Das hat zwei Vorteile. Erstens: der Finanzminister kann immer darauf verweisen, dass renommierte Experten diese Empfehlungen ausgesprochen haben und es angeblich nicht um seine eigenen Wünsche und Ziele geht. Zweitens: eine Diskussion soll so möglichst unterbunden werden, weil es ja eben Vorschläge von Experten sind. Das kennen wir auch aus anderen Bereichen, wo „Die Wissenschaft“ und Experten herangezogen werden, um jeden Widerspruch oder Zweifel von vornherein zu diskreditieren.

Wohin mit dem ganzen Geld? Finanzminister Lars Klingbeil, der sich selbst als „Investitions-Minister“ sieht und gerne inszeniert, hat da so einige Ideen. Aber viel besser ist es, wenn diese Ideen auch noch den Segen von renommierten Expertinnen und Experten haben.

Deswegen hat Lars Klingbeil jetzt einen Beirat gegründet, der Empfehlungen erarbeiten soll, wie die 500 Millionen Euro aus dem Schuldenvermögen ausgegeben werden sollen. Das Bundesfinanzministerium verkauft das mit folgenden Worten: „Der Beirat besteht aus unabhängigen Expertinnen und Experten, die Erfahrungen aus ganz unterschiedlichen Bereichen einbringen, zum Beispiel der Wirtschaft, Wissenschaft, Kommunalpolitik, Gewerkschaft, dem Impact Investing und der Umsetzung großer Infrastruktur-Projekte.“

Interessant ist hier schon die Aufzählung. Wirtschaft wird als erstes genannt – aber danach kommen noch mehrere andere Bereiche der Vielfalt, darunter natürlich „die“ Wissenschaft. Und dann eben Kommunalpolitik, Gewerkschaft, Impact Investing und eine nebulöse Bezeichnung mit Umsetzung großer Infrastruktur-Projekte. Kommunalpolitik ist per se sehr staatsnah, Gewerkschaften auch. Hinter Impact Investing verbirgt sich eine Ideologie, die darauf aus ist, über Investitionen von großen Summen in Unternehmen und Projekte, gesellschaftspolitische Ziele voranzutreiben. Hier geht es vor allen Dingen um Klimapolitik, die berühmt-berüchtigte Mobilitätswende oder auch Diversity. Investoren steigen bei Unternehmen ein, werden dadurch große Anteilseigner, können mitbestimmen und setzen dann eben diese Ziele auf die Agenda der Unternehmen. Auch hinter der Bezeichnung „Umsetzung großer Infrastruktur-Projekte“ verbergen sich wiederum Gewerkschaften und staatliche Institutionen, weil diese eben grundsätzlich für große Infrastruktur-Projekte in Deutschland verantwortlich sind, wie beispielsweise Autobahnen, Bahntrassen, Brücken, Flughäfen und so weiter.

Allein schon an dieser Analyse dieser Zusammensetzung lässt sich sehen, dass das Gremium gar nicht so unabhängig und vielfältig ist, wie es das Bundesfinanzministerium hier feierlich vorgibt.

Lars Klingbeil lässt einen Beirat Empfehlungen zur Verwendung der 500-Millionen-Schuldenmittel erarbeiten. Nur: Das Gremium ganz und gar nicht so unabhängig, wie es das Bundesfinanzministerium vorgibt.

Das ist auch schließlich gar nicht gewollt. Das ist nicht nur bei Klingbeils Beirat so, sondern das gilt mehr oder weniger für alle politischen Beiräte. Regierungen und Ministerien berufen Beiräte, um bereits vorgegebenen Zielen und Vorhaben in der Öffentlichkeit die Aura der Unabhängigkeit und der wissenschaftlichen Expertise zu verleihen.

Es ist gar nicht so unwahrscheinlich, dass sich Lars Klingbeil das bei Ex-SPD-Kanzler Gerhard Schröder abgeschaut hat. Schließlich war Klingbeil seinerzeit dessen Büroleiter. Gerhard Schröder berief für seine Agenda 2010 und andere politische Vorhaben auch Beiräte und Expertenrunden. Bis heute bekannt ist beispielsweise die Hartz-Kommission und die von dieser Kommission und dem Vorsitzenden Peter Hartz vorgeschlagenen Sozialreformen.

Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) mit Ex-Büroleiter Lars Klingbeil im August 2017 bei einer SPD-Wahlkampfveranstaltung im Diakonie-Krankenhaus Rotenburg (Niedersachsen).

Auch für den Atomausstieg und die Energiewende gab es einen Beirat der Bundesregierung unter dem Namen „Wissenschaftlicher Beirat Globale Umweltveränderungen“, der 2011 einen Bericht vorstellte, in dem der massive Umbau der Energieversorgung gefordert wurde. Die Experten des Beirates hielten den kompletten Verzicht auf nukleare und fossile Energieträger bis 2050 für möglich und haben diesen dringend empfohlen. Es gehe in dieser „großen Transformation“ um den Einstieg in das „post-fossile“ Zeitalter. Das wurde dann auch in aktive Politik umgesetzt, mit denselben Slogans und Schlagworten. Die Folgen davon spüren wir heute an vielen Stellen, von explodierenden Mieten über stetig steigende Energiepreise, über hohe Benzinkosten bis hin zur Inflation bei unseren täglichen Einkäufen.

Während der Corona-Zeit gab es natürlich auch Expertenrunden und Beiräte, die Empfehlungen an die Politik, Aussprachen und eben von Seiten der Politik gerne und immer wieder als Rechtfertigung für unterschiedliche Maßnahmen herangezogen wurden. Selbst dann, wenn die Regierung Maßnahmen ergriff, die die Experten aus Wissenschaft und Forschung gar nicht angeraten hatten … Selbst Bundespräsident Steinmeier ließ es sich nicht nehmen, die Schirmherrschaft für einen eigenen Beirat unter dem Namen „Initiative für einen handlungsfähigen Staat“ zu übernehmen, der im Juli dieses Jahres ebenfalls einen Abschlussbericht vorlegte und der Politik unterschiedliche Ratschläge gab. Allerdings verhallten diese Ratschläge ziemlich schnell in der politischen Sommerpause.

Bundespräsident Steinmeier übernahm die Schirmherrschaft für den Beirat „Initiative für einen handlungsfähigen Staat“.

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Dafür, dass das Finanzministerium lobt, wie weit gefächert und divers die Expertise des neuen Beirates ist, ist der allerdings relativ klein. Der Beirat besteht lediglich aus fünf Personen. Vorsitzender des Beirates ist Harald Christ. Harald Christ war lange selber in der SPD aktiv. Dann wechselte Christ zur FDP und wurde dort Schatzmeister. In der FDP ist Harald Christ auch nicht mehr. Genauso wenig, wie der ehemalige Verkehrsminister, Volker Wissing, der jetzt seit neuestem für die Firma von Harald Christ, Christ Capital, arbeitet.

Mit im Beirat ist auch Professor Dr. Dr. Ann-Kristin Achleitner, eine Professorin an der Technischen Universität München für Wirtschaftswissenschaften. Achleitner sieht im Staat einen wichtigen Akteur für die Förderung von neuen Technologien und das Ankurbeln der Wirtschaft. In einem Kommentar im Handelsblatt beispielsweise bezeichnete sie den Staat als „Schlüssel-Kunden“, dessen Aufgabe es sei, technologische Standards zu fördern und damit Technologien und auch ganze Märkte direkt zu beeinflussen. Damit steht sie sehr nahe an der Lehre ihrer italienischen Professoren-Kollegin, Mazzucato, die ebenfalls im Staat einen zentralen Akteur für die Wirtschaft sieht und die zu den Säulenheiligen der linken Parteien und NGOs in Deutschland und Europa gehört.

Prof. Dr. oec. Dr. iur. Dr. rer. pol. h.c. Ann-Kristin Achleitner

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Sabine Bendig, bis 2023 Personalvorstand bei SAP und davor Deutschlands Chefin von Microsoft, wird ebenfalls dem Beirat angehören. Genauso wie Peter Kurz, der ehemalige Oberbürgermeister von Mannheim von 2007 bis 2023 und mit SPD-Parteibuch. Der ehemalige Bezirksleiter der IG Metall in Baden-Württemberg, Roman Zitzelsberger, wird ebenfalls mitmachen. Als Gewerkschaftschef hat Zitzelsberger natürlich stets eine sozialdemokratische bis linke Linie vertreten und sich grundsätzlich wirtschafts- und globalisierungskritisch geäußert und natürlich auch gegen Kapital und Bonzen gekämpft. Es ist mehr als unwahrscheinlich, dass er in seinem neuen Posten im Beirat jetzt eine andere Meinung vertreten wird.

Zu den genannten Personen kommt noch ein weiteres assoziiertes Mitglied im Beirat dazu. Nämlich Jens Südekum. Südekum ist Professor für Volkswirtschaftslehre in Düsseldorf und beschäftigt sich hauptsächlich mit Globalisierung und Digitalisierung auf dem Arbeitsmarkt. Südekum befasst sich insbesondere mit Fragen der Ungleichheit in Gesellschaften, also dem, was wir unter der sogenannten „immer größer werdenden Schere zwischen Arm und Reich“ aus der öffentlichen Diskussion kennen. Hier plädiert auch er für deutliche Eingriffe des Staates in die Wirtschaft und in die Vermögensverteilung in der Gesellschaft. Und Südekum vertritt auch die These: „Eine grüne Null ist viel wichtiger als eine schwarze.“ Was bedeuten soll, dass Staaten und Gesellschaften zur Lösung der Klimakrise viele, praktisch unbegrenzt Schulden machen sollen und müssen.

Inwiefern ein Beirat, der hauptsächlich aus SPD-Mitgliedern besteht und aus Anhängern von staatsinterventionistischen Wirtschaftslehren, wirklich unvoreingenommen und unabhängige Bewertungen und Ratschläge geben kann, das darf vor diesem Hintergrund durchaus kritisch hinterfragt werden.

Wie aber bereits oben anhand von verschiedenen historischen Beispielen belegt: Vielleicht ist das ja auch gar nicht der Sinn und der Auftrag dieses Beirates. Vielleicht gibt es ja einen ganz anderen …

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