
Nun ist er da, der Sydney-Sweeney-Meltdown. Es begann mit einer Werbekampagne, die man geradezu als historisierend bezeichnen könnte: Eine schlanke Schönheit macht Werbung für Jeans – ohne dass man dem Produkt größere Aufmerksamkeit zukommen ließe, denn Blickfang ist das Model, nicht die Hose.
Das wäre nicht weiter aufsehenerregend. Die mittlerweile nervlich merklich angekratzten woken Ideologen sehen jedoch ihre Felle davonschwimmen: Sydney Sweeney ist nicht nur gutaussehend, sie ist auch weiß, blond und blauäugig. Und Jeans – das ist im Englischen gleichlautend mit „Genen“.
Bei dem Wortspiel handelt es sich um eine Hommage an Jeanswerbung von Calvin Klein aus den Achtzigern. Aber das kann niemand wissen, schließlich war das vor langer Zeit in einer weit, weit entfernten Galaxis.
Ein rassistischer Werbespot, ein „eugenischer“, fantasiert die taz, und nicht nur die. Sozusagen die Vorstufe zum Lynchmord an Schwarzen durch den Klu-Klux-Klan, möchte man meinen. Wer teilt Ines Schwerdtner mit, dass Blondheit „rechte Ästhetik“ bedient?
Als lupenreines Qualitätsmedium berichtet auch die Tagesschau, dass die meisten Menschen die Kampagne „kritisch“ sähen.
In den Sozialen Medien brechen derweil dunkelhäutige Frauen zusammen, weinen und klagen, dass sich Weiße vor Kameras wagen, ohne von Quotenschwarzen flankiert zu werden. Faschismus pur.
Sie übersehen, dass in diesem Zusammenhang die einzigen Rassisten diejenigen sind, die beim Ausdruck „gute Gene“ an „weiß und blond“ denken – also sie selbst. Wer hätte in den Neunzigern wohl behauptet, Claudia Schiffer hätte gute Gene, Naomi Campbell aber nicht? Ganz offensichtlich ist der Minderwertigkeitskomplex nicht oktroyiert, sondern selbst kreiert.
Es gibt Menschen, die sind weiß. Die werden so geboren. Die können nichts dafür. Und das ist in Ordnung. Ginge es nach woker Logik, müsste man ihre Präsenz im medialen Raum fördern. Denn global betrachtet sind hellhäutige Menschen die Minderheit schlechthin. Aber woke Logik ist eben keine: Wer nicht dunkelhäutig ist, hat sich gefälligst dafür zu schämen.
Künstliche Hysterie tut nun das, was die Schöpfer der Kampagne mit ihrem augenzwinkernden Wortspiel bezweckt haben: Sie verleiht dem Unternehmen American Eagle Reichweite. Und jeder, ob mit guten oder weniger guten Genen ausgestattet, kauft nun wenigstens gute Jeans. Kein Wunder, dass andere Unternehmen auf diesen Zug aufspringen, und auch American Eagle intensiviert die Provokation.
Die woke Panik angesichts eines blonden Models bestätigt, dass diese Weltanschauung im Kern eine Ideologie der Selbstviktimisierung ist: Auf Kosten eines Kollektivs, das als Sündenbock konstruiert wird, dürfen sich alle anderen als Opfer fühlen, und verbinden dies mit einer Anspruchshaltung, die zugleich die Übernahme jeglicher Verantwortung von sich weist: Wer nicht schön ist, ist Opfer jener, die das Schönheitsideal festlegen. Wer zu dick ist, ist Opfer jener, die Schlankheit präferieren. Wer nicht weiß ist, ist das Opfer der Weißen, nicht etwa der eigenen Minderwertigkeitskomplexe. Wer homosexuell ist, ist Opfer derjenigen, die nicht homosexuell sind, und wer mit seiner Geschlechtlichkeit nicht klarkommt, ist Opfer jener, die Biologie für aussagekräftig halten.
Kein Angehöriger dieser Opferkategorien ist indes je verantwortlich für sich oder für das, was er tut: Alles ist Ergebnis von „internalisiertem“ Selbsthass, von Traumata und Ungerechtigkeit.
Das garantiert ein bequemes Leben: Man darf von niemandem kritisiert werden, ist aber seinerseits dazu berechtigt, andere ungestraft zu mobben und zu diffamieren.
Allerdings ist dieser vergnügliche kollektive Zusammenbruch nur eine Seite der Medaille. Der Kulturkampf, der sich nun an der Jeanswerbung von American Eagles entzündet, zeigt durchaus, dass es nicht nur linke, sondern auch rechte „Woke“ gibt. Die gerieren sich nicht weniger als Opfer, und tun so, als müsse Weißsein „renormalisiert“ werden. Damit beteiligen sie sich im Grunde an der Stabilisierung des potemkinschen Dorfes, das Woke errichtet haben.
Klassischerweise fungiert die Person, die ein Produkt bewirbt, als Projektionsfläche. Das heißt: Wenn ich das Produkt kaufe, werde ich wie die Person, die es anpreist. Deshalb ist es üblich, Werbeverträge mit Menschen zu schließen, denen der Konsument auf irgendeine Weise nacheifern wollen würde.
Der Ansatz, dass andersherum der Werbende dem Konsumenten ähnlich sein solle, um als Identifikationsfigur zu dienen, hat zwar durch Wokeness an Bedeutung gewonnen, ist aber weder schlecht noch neu. Tatsächlich gibt es Produkte, bei denen es glaubwürdiger ist, wenn „Menschen wie du und ich“ dafür Werbung machen.
Wenn sich nun nichtlinke Kulturkämpfer darüber lustig machen, dass woke Werbung Junge und Alte, Übergewichtige, Menschen mit Behinderungen oder Menschen, die schiefe Zähne, Cellulite, Sommersprossen oder sonst einen „Makel“ aufweisen, inkludiert, dann ist das genauso dämlich wie der Anspruch der Woken, alles und jeden repräsentieren zu müssen (außer blonde blauäugige Menschen natürlich, deren Existenz ist hochgradig verunsichernd).
Ebenso ist das Frohlocken darüber, endlich wieder sabbernd Frauen objektivieren zu dürfen, wenig vertrauenerweckend: Konservatismus als Regression? Die auf die sexuelle Revolution folgenden Jahrzehnte waren keine goldene Zeit. Sie waren in Werbe- und Filmindustrie geprägt von der bedenkenlosen Ausbeutung und Sexualisierung junger und sehr junger Frauen und Mädchen. Gegenüber dieser Protopornographie ist Nostalgie unangebracht. Sie zu glorifizieren, ist der falsche Weg, um sich des woken Wahns zu entledigen.
Screenshot via X
Man sollte meinen, dass es einen gesunden Mittelweg geben müsse zwischen der im Rollstuhl sitzenden adipösen schwarzen Transfrau im Bikini und der bis zur Unkenntlichkeit durch Filter und Retuschen gejagten Kunstfigur.
Aber fürs Sommerloch – und für die Bilanz von American Eagle – taugt der inszenierte Skandal prächtig, und die gesamte sozialmediale Weltgemeinschaft wird sich über die Meme-Flut freuen dürfen, die die Sweeney-Kampagne parodiert.
Der eigentliche Skandal bleibt derweil unbeachtet: Dass hier der eigentliche Star des Werbefilms, der wunderschöne, schier atemberaubende 1965 Ford Mustang Shelby GT350 aus der Wahrnehmung verdrängt werden soll. Klarer Fall von Altersdiskriminierung.