Deutsche Außenpolitik: Sehnsucht nach Weimar

vor 3 Monaten

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Bildquelle: Tichys Einblick

Manche Sache ist schon mit der Namensgebung verloren. Wer zum Beispiel als Wanderwitz geboren ist, dem bleibt nichts anderes übrig, als frühzeitig aus der Politik abzutreten und ein zum Scheitern verurteiltes Verbotsverfahren als Denkmal der eigenen Unzulänglichkeit zu hinterlassen. Wobei sowohl Unzulänglichkeit als auch zum Scheitern verurteilte Namensgebung die Stichworte zur Überleitung bieten:

1991 haben die Außenminister Hans-Dietrich Genscher, Roland Dumas und Krzysztof Skubiszewski das „Weimarer Dreieck“ ins Leben gerufen. Es sollte die Beziehungen zwischen Deutschland, Frankreich und Polen stärken. Um an die geistige Tradition Europas anzuknüpfen, schlossen die damaligen Außenminister diesen Bund an Goethes Geburtstag. Doch schon der Name ist missglückt: Berlin und Warschau liegen auf dem selben Breitengrad, dem 52. Ein daraus sich bildendes Dreieck hätte eine absurde Hypotenuse und abartige Katheten und würde extrem spitze Winkel erfordern.

Wobei. So stimmt das halt nicht. Die drei Nationen bemühten es durchaus immer wieder. Doch wie jeder hart Besoffene weiß: Ein Schlaf kann durchaus gnädig sein, im Wachen macht man mitunter Unsinn. Dazu genügt ein Blick auf die Tagesordnung des Gipfeltreffens von Nancy – im Mai 2005: Einhaltung der Haushaltsdisziplin innerhalb der Europäischen Union, die Lösung des Problems des „Britenrabatts“, die Beziehungen der Europäischen Union zur Russischen Föderation und der Ukraine oder die Lage im Nahen Osten.

Diese Tagesordnung zeigt, wie sehr das Weimarer Dreieck zum Symbol des Scheiterns der deutschen Außenpolitik geworden ist. Im Alleingang wie im Verbund mit der EU: Einhaltung der Haushaltsdisziplin? Wenige Jahre nach Nancy flog der griechische Haushalt der EU um die Ohren. Die Haushalte von Frankreich, Portugal oder Spanien sind tickende Zeitbomben. Und in Deutschland macht Kanzler Olaf Scholz (SPD) aktuell Wahlkampf damit, den relativ soliden deutschen Haushalt auf dem Altar sozialer Versprechen opfern zu wollen – und damit den letzten Stabilitätsanker des Euro zu lichten.

Das Problem des „Britenrabatts“? Das hat Angela Merkel (CDU) erledigt. Ihre Einwanderungspolitik hat die einzig ernstzunehmende Militärmacht der EU dazu gebracht, die Union fluchtartig zu verlassen, trotz der damit verbundenen wirtschaftlichen Nachteile. Die Lage im Nahen Osten? Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) ist nach den Morden, Vergewaltigungen und Leichenschändungen der Hamas so oft im Nahen Osten gewesen, dass sich eine Zweitwohnung in Beirut rentiert hätte. Sie hat wahnsinnig viel Zeit und Mühe investiert, um sich als Kümmerin zu inszenieren. Ohne irgendwas zu erreichen. Abgeräumt hat den Konflikt aber Donald Trump, noch bevor er als Präsident der USA im Amt war.

Die deutsche Politik setzt jetzt wieder auf das Weimarer Dreieck des Scheiterns. Scholz ist an diesem Mittwoch nach Paris gereist, um mit Präsident Emmanuel Macron über die Ukraine zu sprechen. Der Winkel von Berlin nach Paris ist genau so gestreckt wie der Spagat, den der Kanzler auf dieser Reise hinzulegen hat. Daheim gibt er den Kritiker der Ukraine-Unterstützer, um ein paar Stimmen von AfD und Bündnis Sahra Wagenknecht abzufischen. In Paris mimt Scholz dann selbst den Ukraine-Unterstützer. Sein notorisch schlechtes Gedächtnis ist das einzig Gute, auf das sich der Kanzler in solchen Momenten des Doppelgesichts verlassen kann.

Die Präsidentin des Bundesrates, Anke Rehlinger, ist ebenfalls zu einer Reise nach Paris und Warschau aufgebrochen. Seit dem erfolgreich entzogenen Vertrauen baut Scholz auf seine Parteifreundin als Flügelfrau im Wahlkampf. Was zeigt, wie weit die SPD in ihrem letzten Gefecht vorangeschritten ist. Wobei. Man soll ja niemanden unterschätzen. Was hat denn die saarländische Ministerpräsidentin an Weisheiten zum Verhältnis Polen, Frankreich und Deutschland beizusteuern? „Das Saarland liegt im Herzen Europas.“ Die Frau kann also fehlerfrei auf eine Landkarte schauen. Man soll wirklich niemanden unterschätzen.

In Paris und Warschau trifft Rehlinger Teilnehmer der „Generation Europa“, schaut sich die Arbeit des Nationalen Forschungsinstituts für Informatik und Automatisierung an oder besucht die Kathedrale Notre Dame. Hört sich nach Terminen für den Fotografen an. Nach Geschwätz, das folgenlos bleibt. Über die Ergebnisse will der Bundesrat auf seiner Internetseite berichten. Das ist am Montag. Am frühen Mittwochnachmittag steht dort immer noch die alte Pressemitteilung: „Das Saarland liegt im Herzen Europas.“ Wussten wir schon, erfreut aber immer wieder das Gemüt.

Folgenloses Geschwätz ist das, wofür das Weimarer Dreieck gut ist. Der polnische Präsident Lech Kaczyński erkannte das und wollte 2006 die Gipfeltreffen einstellen. Doch immer, wenn ein polnischer Staatspräsident die Politik der EU zu gut erkennt und benennt, gewinnt dort Donald Tusk eine Wahl, die nicht annulliert werden muss. Tusk hat das Dreieck wieder mit Leben gefüllt: also mit folgenlosem Geschwätz.

Deutschland und die EU müssten zu einer eigenständigen Außen- und Verteidigungspolitik. Das sagen heute unter anderem Scholz, Baerbock, Robert Habeck (Grüne) und Friedrich Merz (CDU). Das hat auch schon Merkel gesagt, ebenso wie ihre Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Heiko Maas (beide SPD). Doch die Politik der EU wurde trotz all der Forderungen nicht eigenständiger, stattdessen wurde die Führungsrolle der USA immer deutlicher. Zwischenzeitlich hat die EU mit Großbritannien den einzigen Player verloren, der mit seiner Armee und seinen Geheimdiensten halbwegs auf Augenhöhe mit den Staaten spielen kann.

Trump führt die EU im Nahen Osten vor. Er wird dies auch in der Ukraine tun. Wobei sein Vorgänger Joe Biden bereits genauso gehandelt hat. Nur dezenter als der ehemalige Showmaster. Kein Geschwätz in der EU ist so folgenlos wie das von der eigenständigen Außen- und Verteidigungspolitik. Genau dafür steht das Weimarer Dreieck. „Mit meiner ersten Reise als Bundesratspräsidentin will ich einen Impuls für das Weimarer Dreieck setzen“, sagt Rehlinger. Und auf ihre ganz eigene Weise hat sie das auch getan, die Ministerpräsidentin des Saarlands. Das liegt übrigens im Herzen Europas. Nur für den Fall, dass es jemand noch nicht gewusst hat.

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