
Ein vertrauliches Konzernpapier sorgt derzeit für Unruhe: Wie das Nachrichtenmagazin Spiegel berichtet, plant die Deutsche Bahn (DB) drastische Einschnitte im Fernverkehr. Demnach sollen bis zum Jahr 2036 nicht nur Züge ausgemustert, sondern auch Zehntausende Sitzplätze abgebaut werden. Besonders stark betroffen: die Intercity-Flotte.
Aus dem 98 Seiten umfassenden Dokument geht hervor, dass die derzeit rund 265.000 Sitzplätze im Fernverkehr auf 244.000 schrumpfen sollen – ein Rückgang um rund 8 Prozent. Besonders gravierend sei der geplante Einschnitt bei Intercity-Zügen: Dort sollen fast die Hälfte der aktuell 55.000 Sitzplätze entfallen. Die Bahn will laut Spiegel durch den Verkauf und die Verschrottung von Zügen Kosten senken – auch, um einem möglichen EU-Beihilfeverfahren zuvorzukommen.
Konkret betroffen sind unter anderem Hochgeschwindigkeitszüge wie der ICE 3 und die neigetechniktauglichen ICE-T-Züge. Auch 27 Doppelstockzüge des Typs IC2 stehen zur Ausmusterung. Zudem sollen geplante Neuzugänge zur Flotte verzögert oder ganz gestrichen werden.
Die Bahn selbst widerspricht dem Bericht allerdings vehement. In einer Stellungnahme betont der Konzern: „Die DB will keine 21.000 Sitzplätze im Fernverkehr streichen.“ Vielmehr würden die tatsächlich für Fahrgäste verfügbaren Sitzplätze bis 2036 steigen – insbesondere im ICE-Bereich. Bei den Sitzplatzzahlen handele es sich um die Sitzplätze im Bestand, nicht aber um die „reale Verfügbarkeit“ der Sitzplätze für die Kunden im täglichen Bahnalltag, teilte die Bahn dem Spiegel auf Anfrage mit. Zum „Bestand“ gehören Züge, die teilweise nur selten zum Einsatz kommen oder bereits veraltet sind. Diese Fahrzeuge müssten aus Effizienzgründen ohnehin ersetzt werden, so die Bahn. Ältere Züge seien wartungsintensiv und oft nicht zuverlässig einsetzbar.
Auch von einem Rückzug aus der Fläche will die Bahn nichts wissen: „Wir stehen weiterhin ganz klar zu einem Verkehrsangebot in der Fläche“, heißt es. Die Strategie sehe vor, moderne Züge mit höherer Zuverlässigkeit einzusetzen – was letztlich die Verfügbarkeit für Fahrgäste erhöhen soll.
Hintergrund der Sparüberlegungen ist offenbar auch der Druck aus Brüssel: Für ehemalige Staatsbahnen wie die DB gelten strenge Regeln bei der Subventionierung defizitärer Geschäftsbereiche. Um einem möglichen Verfahren der EU-Kommission zu entgehen, will das Unternehmen offenbar seine Finanzen in Eigenregie sanieren – notfalls mit spürbaren Einschnitten.
Was bleibt, ist ein widersprüchliches Bild: Interne Unterlagen zeichnen das Bild eines rigiden Sparkurses, während das Unternehmen nach außen hin Optimismus und Ausbaupläne kommuniziert. Ob und wie viele Sitzplätze letztlich wirklich wegfallen – und wie das Bahnfahren der Zukunft in der Fläche aussehen wird – dürfte sich erst in den kommenden Jahren zeigen, mit spürbaren Konsequenzen für die Fahrgäste.