Deutsche Bahn fährt weiter herbe Verluste ein

vor etwa 16 Stunden

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Bildquelle: Tichys Einblick

Wer positive Zahlen beim Konzerngewinn der Deutschen Bahn erwartet hatte, gilt in der Branche als unverbesserlicher Optimist. Die Realität hingegen, sieht wie erwartbar, weiter düster aus. Seit mittlerweile sechs Jahren fährt die DB mit ihren Akteuren an der Konzernspitze hohe Verluste ein. Verspätungen, teure Fahrpreise, verschlissene Gleise und Dauerbaustellen mit längeren Fahrzeiten für die nächsten zehn Jahre gehören inzwischen zum DB-Image.

Dennoch glaubt der schwächste Bahnchef aller Zeiten, Richard Lutz: „Wir kommen Schritt für Schritt voran.“ Spürbar verringere sich die Verschuldung der Bahn durch den im April erfolgten Verkauf der Logistiktochter Schenker. Gegenüber dem Jahresende 2024 seien die Verbindlichkeiten um 10,5 Milliarden auf rund 22 Milliarden Euro gesunken. „Der DB-Konzern steht heute finanziell auf wesentlich stabileren Füßen als noch zu Beginn des Jahres“, behauptet Konzernchef Lutz auf seiner Halbjahresbilanz 2025 in Berlin.

Soso. Die Bahn verkauft ihre Gewinnbringer und kommt voran. An die Logik glauben nicht einmal ihre Gewerkschaften – siehe weiter unten.

Aller Aufschwungpropaganda zum Trotz: Die Deutsche Bahn schreibt weiter tiefrote Zahlen. Zwar konnte der im Staatsbesitz befindliche Konzern im ersten Halbjahr etwas mehr Umsatz verbuchen, doch die Investitionen und hinausgezögerten Sanierungen kosten sehr viel Geld. Die Deutsche Bahn fuhr somit im ersten Halbjahr 2025 einen dreistelligen Millionenverlust ein. Der bundeseigene Konzern verzeichnet nach Ertragssteuern einen Verlust von 760 Millionen Euro. Der Bahnvorstand beschwichtigt, im Vorjahreszeitraum hätte der Verlust noch bei 1,6 Milliarden Euro gelegen. Wenn das kein Erfolg ist, was dann?

Diese Beschönigungen gehen selbst den Lokomotivgewerkschaften zu weit. GDL-Chef Mario Reiß stellt klar: Die Bahn sei dabei, ihr Tafelsilber zu verscherbeln – wie zum Beispiel der Verkauf von DB-Schenker –, und präsentiere jetzt eine solche Verlustquote, das sei mehr als bedenklich.

Denn selbst die von der DB veröffentlichte Halbjahresbilanz am Donnerstag in Berlin macht die prekäre Lage nicht besser, als sie wirklich ist. Selbst wenn der Umsatz im Vergleichszeitraum mit einem Plus von 3,4 Prozent auf 13,3 Milliarden Euro stieg, lag der operative Verlust vor Zinsen und Steuern noch bei 239 Millionen Euro.

Schlimmer noch: „Aufgrund der störanfälligen Infrastruktur, der hohen Zahl zusätzlich notwendiger Baustellen und der infolgedessen weiterhin schlechten Pünktlichkeit blieb der Umsatz insgesamt unter den Erwartungen“, muss der Bahnkonzern in seiner Halbjahresbilanz 2025 einräumen. Nur 63,4 Prozent aller Fernverkehrszüge kämen im ersten Halbjahr 2025 noch pünktlich ans Ziel. Im Vorjahreszeitraum 2024 waren es 62,7 Prozent. Insofern stagniert die Pünktlichkeit auf niedrigem Niveau.

Seit langem fährt der Fernverkehr auch durch verprellte Kunden in die Krise. Angeblich rechne der Konzern wieder mit einem Aufwärtstrend, obwohl der DB Fernverkehr mit minus 59 Millionen Euro in der ersten Jahreshälfte 2025 weiter Verluste schrieb. „Die Erholung des DB Fernverkehrs hat im ersten Halbjahr deutlich an Fahrt gewonnen. Verkehrsleistung, Auslastung, Umsatz und Ergebnis haben sich im Vergleich zum Vorjahr klar verbessert“, teilte ein DB-Sprecher mit.

Rund 943 Millionen Reisende fuhren im ersten Halbjahr 2025 mit den Zügen der DB – ein kleines Plus von 2,55 Prozent zum Vorjahr. Auch DB Regio und DB Cargo würden ihr Ergebnis leicht verbessern.

Die wegen ihrer andauernden Verspätungen allseits bekannte Deutsche Bummelbahn versucht derzeit fast schon verzweifelt, mit einem umfangreichen Sanierungsprogramm wieder in die Spur ihrer verschlissenen Gleise zu kommen.

Allein bei den ICE- und IC-Zügen betrug die betriebliche Pünktlichkeit im Juni dieses Jahr lediglich 57,1 Prozent. Was im Vergleich zum Juni 2024 mit nur 52,9 Prozent pünktlichen Fernzügen schon fast wie ein Fortschritt daherkomme, witzeln Bahnexperten.

Linderung ist nicht in Sicht: „Die Deutsche Bahn bleibt ein schwerwiegender Sanierungsfall“, weiß der langjährige FDP-Verkehrsexperte Torsten Herbst. Ein vergleichbares Privatunternehmen hätte größte Schwierigkeiten, überhaupt noch Kredite zu bekommen. „Besonders schockierend ist doch seit Jahren die schlechte Bilanz der Güterverkehrssparte DB Cargo“, mahnt Herbst im Gespräch mit Tichys Einblick.

Denn der Einzelwagenverkehr schreibe weiterhin rote Zahlen. Womöglich wolle die Bahn ihn sogar bis 80 Prozent aufgeben. Laut Halbjahresbilanz sorgen die per Hand gekuppelten Einzelwagen für einen dreistelligen Millionenverlust bei der DB Cargo. Bis zu 8.000 Stellen könnten dem Güterverkehreinbruch zum Opfer fallen. Dabei subventionierte der Staat das defizitäre Geschäft 2024 mit rund 300 Millionen Euro.

In Bahnsprech hört sich der Güterverkehreinbruch in der Halbjahresbilanz dann so an: „Die Güterverkehrstochter DB Cargo setzte ihre Transformation fort. DB Cargo transportierte im ersten Halbjahr 2025 rund 83 Millionen Tonnen Güter klimafreundlich auf der Schiene – 10 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum.“

Also ziemlich „ungut“. Denn der Umsatz von DB Cargo brach im ersten Halbjahr 2025 um rund neun Prozent auf 2,5 Milliarden Euro (im ersten Halbjahr 2024 noch 2,8 Milliarden Euro) ein. Das operative Ergebnis in den ersten sechs Monaten 2025 weist einen Verlust von minus 96 Millionen Euro aus.

„Die DB braucht endlich eine echte Schlankheitskur, um sich wieder auf ihr Kerngeschäft und zufriedene Kunden zu orientieren“, fordert Bahnexperte Herbst. Der Präsident des Bundesrechnungshofs Kay Scheller beschrieb die Lage noch viel dramatischer: „Die DB entwickelt sich zu einem Fass ohne Boden.“

Derzeit mangelt es bei dem Verkehrsunternehmen nicht nur an der Pünktlichkeit im Betrieb, sondern auch wirtschaftlich läuft es sehr schlecht. Hinzu kommt eine marode Infrastruktur, auf der für den stetig steigenden Verkehr – wie durch das billige Deutschlandticket – kaum noch Platz ist. Das Sanierungsprogramm soll angeblich in drei Bereichen – Infrastruktur, Betrieb, Finanzen – bis Ende 2027 Verbesserungen bringen. Dazu gehören umfassende Sanierungen von rund 40 hochbelasteten Strecken.

Durch monatelange Sperrungen von Strecken wurde im vergangenen Jahr mit der sogenannten Riedbahn die Schnelltrasse zwischen Frankfurt und Mannheim als erste Strecke saniert.

Ab 1. August bis 30. April 2026 erfolgt erneut eine Generalsanierung auf der ICE-Strecke Hamburg–Berlin mit Vollsperrung und eingeschränktem Zugverkehr. Der Knüller dabei: Die moderne ETCS-Technik, die Züge schneller und ferngesteuert fahren lässt, wird nicht gleich mit verbaut. Schneller machen wir später, heißt es bei der Bahn. Die eigentlich notwendige ETCS-Umrüstung soll erst „in den frühen 2030er Jahren erfolgen“. Das heißt wieder eine Dauerbaustelle.

Im nächsten Jahr folgen vier weitere Großprojekte: Ab 2026 will die DB die Strecken Hagen-Wuppertal-Köln, Nürnberg-Regensburg, Obertraubling-Passau und Troisdorf-Wiesbaden sanieren. 2027 sollen die Korridore Rosenheim-Salzburg, Lehrte-Berlin, Bremerhaven-Bremen und Fulda-Hanau gebündelt erneuert und modernisiert werden. Die Korridorsanierungen Lübeck-Hamburg und Frankfurt-Heidelberg würden laut Bahn in die Folgejahre verschoben.

Zudem teilte die Deutsche Bahn nach einem Branchendialog mit, sie wolle sich mehr Zeit für die umfassende Sanierung besonders wichtiger Strecken nehmen. Nun sollen diese Arbeiten erst 2036, statt wie bisher geplant 2035, abgeschlossen sein. Die Modernisierung von mehr als 40 viel befahrenen und dringend sanierungsbedürftigen Strecken verspätet sich damit um mindestens fünf Jahre. Alles dauert also länger als ursprünglich geplant. Verspätungen passen ja zum Konzernimage.

Obendrein sollen dem staatseigenen Konzern noch viele, viele Milliarden fehlen. Allein für den Neu- und Ausbau, klagte Bahnchef Richard Lutz im Juni, fehlten bis 2029 rund 17 Milliarden Euro. Dabei beschloss das Kabinett von Schuldenkanzler Friedrich Merz (CDU) gerade erst, dass die Bahn bis 2029 für Investitionen in die Infrastruktur rund 107 Milliarden Euro erhalten soll.

Durch ständig steigende Preise im Fern- wie Nahverkehr bei weniger Leistung sowie die nicht enden wollenden täglichen Verspätungen hat die DB ihre Kunden nachhaltig vergrault, auch wenn sie jetzt behauptet, im Fernverkehr gebe es eine leichte Erholung.

Neben teureren Tickets hatte die Bahn auch die Kosten für Platzreservierungen erhöht und die günstigen Familienreservierungen seit Juni abgeschafft.

Zuguterletzt dürfen sich Bahnkunden wohl wieder auf steigende Fahrpreise zum Winterfahrplan dieses Jahres freuen. Denn nach den Tarifverhandlungen mit der Eisenbahnergewerkschaft EVG im Februar erhalten DB-Mitarbeiter über knapp drei Jahre insgesamt 6,5 Prozent mehr Geld. Bahner im Schichtdienst erhalten eine zusätzliche Lohnerhöhung. Davon dürfte so mancher angestellte Handwerker nur träumen. Der Tarifvertrag läuft 33 Monate bis Dezember 2027. Das alles hat dann seinen Fahrpreis.

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