
In unserem Privatleben ist die staatliche Bürokratie omnipräsent. Ob bei der Steuererklärung oder im Falle des Papierwustes, durch den sich beispielsweise Hauseigentümer kämpfen müssen – der Staat zieht seine Bürger regelmäßig zur Erfüllung seiner eigenen Verwaltungsarbeit heran. Der Bürger leistet im Prinzip ein zeitlich gestrecktes soziales Verwaltungsjahr, ohne Aufwandsentschädigung und mit dem Zwang des Gesetzes stets im Hintergrund.
Im Bereich der Wirtschaft hat die öffentliche Verwaltung kafkaeske Züge angenommen. Dabei ist es längst nicht mehr nötig, endlose, graue und schwach beleuchtete Gänge zu durchschreiten, um einen Verwaltungsmarathon zu überstehen. Die moderne Bürokratie tritt digital auf – und sie ist in ihrem Charakter invasiv, weil sie im Zusammenspiel mit der Politik im Hintergrund daran wirkt, immer neue Kontrollbereiche für sich zu erschließen.
Die Kosten, die daraus entstehen, lassen sich ziemlich präzise anhand der geleisteten Arbeitsstunden zur Erfüllung der Verwaltungsaufgaben kalkulieren. Nach einer aktuellen Auswertung des Statistischen Bundesamtes führt der erzwungene „Dienstleistungsbeitrag“ der Wirtschaft für die deutsche Verwaltung inzwischen zu Kosten in Höhe von 64,2 Milliarden Euro im Jahr.
Gemeint sind damit Melde- und Nachweispflichten, Dokumentationen und Informationsauflagen – von Umweltberichten über Arbeitszeitnachweise der Mitarbeiter bis hin zu Sicherheitsprotokollen für Maschinen oder Meldungen an die Berufsgenossenschaften. Der Bürokratenstaat überwuchert die eigentliche Tätigkeit der Unternehmen auf unverhältnismäßige Weise.
Die Statistiker aus Wiesbaden wurden konkret: Zum Stichtag 30. Juni 2025 zählten sie 12.427 einzelne Informations- und Dokumentationspflichten, die deutsche Unternehmen, je nach Betriebsgröße und Tätigkeitsbereich, erfüllen müssen. Allein im ersten Halbjahr 2025 kamen weitere 37 Vorschriften hinzu. Seit dem Jahr 2018 hat sich der Verwaltungskatalog um rund tausend einzelne Regeln erweitert.
Bemerkenswert ist, dass ausgerechnet das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) – eine Partei mit klar sozialistischer Handschrift – die Überlastung kleiner und mittlerer Unternehmen durch die verpflichtende Inanspruchnahme durch die Verwaltung kritisiert. Es ist nicht zuletzt der Wohlfahrtsstaat, diese im Kern sozialistische Umverteilungsmaschine, der wesentlich zur Ausweitung der Bürokratiepflichten beiträgt.
Unternehmer, Selbstständige und Freiberufler verfügen kaum über nennenswerte politische Advokaten. In Deutschland herrscht trotz anhaltender Wirtschaftskrise und offensichtlicher Überregulierung des Wirtschaftslebens nach wie vor ein etatistischer Geist, der die Bürokratie indirekt befördert. Die Betriebe werden dabei wie eine Hilfsarmee vor den Karren der Bürokratie gespannt, die den Prozess der Regulierung zur eigenen Existenzberechtigung nutzt. Wie jeder soziale Körper, so strebt auch die öffentliche Verwaltung nach Machtausweitung, sprich: nach höheren Budgets.
In Deutschland – und grosso modo auch in der Europäischen Union – stößt sie nicht auf politischen Widerstand, sondern ist vielmehr mit der Politik zu einer Machteinheit verschmolzen.
Programme wie die grüne Transformation produzieren Dokumentationspflichten, die auf Unternehmen abgewälzt werden und Wandschränke mit Ordnern füllen. Geradezu grotesk erscheint es, dass eine von jeder Realität entkoppelte Ideologie nahezu zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in bürokratische Lasten verwandelt – allein, um sozial- und gesellschaftspolitische Wunschbilder in den ökonomischen Prozess zu zwingen.
Die Bürokratie definiert ziemlich präzise das Verhältnis zwischen Staat und Bürger. Und hier stecken wir in einer Einbahnstraße fest.
Bürokratieabbau ist eines jener politischen Schlagwörter aus der Kiste der Wahlkampfphraseologie, die vom wesentlichen Problem ablenken. Politiker der Parteienrepublik, für die die öffentliche Verwaltung längst zu einer Art Vorfeldorganisation politischer Macht mutiert ist, vermitteln den Eindruck von Aktivität, von Bürgernähe, obwohl Einigkeit herrscht, niemals Hand an diesen wachsenden Kuchen zu legen.
Es ist absurd, vor dem Hintergrund der zunehmend schwierigen Lage am Arbeitsmarkt, anzunehmen, die Politik würde den öffentlichen Dienst zusammenstreichen. Dieser beschäftigt inzwischen 5,5 Millionen Menschen – 420.000 mehr als noch vor den Corona-Lockdowns. Für den Staat dient die Bürokratie offenkundig auch dazu, einen Puffer gegen eine drohende Arbeitsmarktkrise zu schaffen. Ironischerweise verstärkt dieser Ausbau der öffentlichen Hand genau jene Krise, die die Politik damit zu überdecken versucht. Die Folge: Seit Jahren verzeichnet die deutsche Wirtschaft kein Produktivitätswachstum mehr.
In den Vereinigten Staaten ist der Regierung unter Präsident Donald Trump derweil der Turnaround gelungen. Auf föderaler Ebene wurden etwa 100.000 Stellen im öffentlichen Dienst gestrichen – ein deutlicher Erfolg für eine Politik, die auf Deregulierung und freie Marktwirtschaft setzt. Ähnliches gelang Präsident Javier Milei in Argentinien, dem mit einem Wachstumsschub durch eine deregulierte und entfesselte Ökonomie der Befreiungsschlag gelang.
Die Zahlen des Statistischen Bundesamtes belegen diese Tendenz der Politik, doch sie erfassen lediglich die direkten Kosten, die die öffentliche Verwaltung im betrieblichen Ablauf verursacht. Die sogenannten Opportunitätskosten – entgangener Gewinn, der mögliche Einsatz der verlorenen Mittel für Investitionen oder Marktöffnung – bleiben unberücksichtigt. Diesen indirekten Kostenbereich kalkulierte im vergangenen Jahr das ifo-Institut und kam auf zusätzliche Belastungen von etwa 80 Milliarden Euro. Bei der Kernbelastung durch die Verwaltung von rund 66 Milliarden Euro besteht Einigkeit.
Summa summarum liegen wir also bei direkten und indirekten Bürokratiekosten von etwa 146 Milliarden Euro. Es ist daher sachlich korrekt festzustellen, die öffentliche Verwaltung in Deutschland verbrenne rund drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts – ein Ausdruck vollkommener Fehlsteuerung des politisch-administrativen Prozesses. Und es ist vor allen Dingen die Brüsseler Bürokratie, die den nationalen Gesetzgeber mit immer weiterreichenden Regulierungen zum Aufbau zusätzlicher Verwaltung zwingt.
Die Zahlen der Bürokratielasten korrespondieren mit dem Aufbau der Staatsschulden in Deutschland, die in den kommenden Jahren von 63 Prozent auf voraussichtlich 95 Prozent des BIP steigen werden. Dies unter der Prämisse, dass das milliardenschwere Regierungsprogramm der Bundesregierung auch tatsächlich an den Anleihenmärkten mit entsprechender Schuldenaufnahme in die Tat umgesetzt werden kann.
Die deutsche Wirtschaft hat nicht zuletzt aufgrund politischer Ideologie und deren unmittelbarer Umsetzung in bürokratische Pflichten und Kosten ihren internationalen Wettbewerbsvorteil eingebüßt. Der Dirigismus der deutschen wie auch der Brüsseler Politik trifft dabei auf eine selbstverschuldete Energiekrise, deren Zusammenspiel den deutschen Wirtschaftsstandort schwer beschädigt hat.
Der Abstieg der deutschen Wirtschaft ist die Folge des über Jahrzehnte kultivierten Wiederauflebens sozialistischer Ideen, in diesem Fall einer öko-dirigistischen Fundamentalkontrolle zentraler Sektoren wie der Energieversorgung oder der Mobilität. Dass dieses Experiment scheitern musste, hätte jedem klar sein müssen, der sich mit den historisch stets gescheiterten zentral gesteuerten Wirtschaftssystemen befasst hat. Für viele Deutsche scheint dies dennoch eine neue Erfahrung zu sein.