Trump empört Europa – Deutsche Hysterie und amerikanische Vernunft

vor etwa 2 Monaten

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Bildquelle: Tichys Einblick

Seit dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump übertreffen sich deutsche und europäische Politiker und Medien in hysterischen Reaktionen auf die „Revolution des gesunden Menschenverstands“, wie der ehrgeizige Republikaner seine Präsidentschaft betitelt. Auch seine Rede vor dem Kongress mit viel Selbstlob, pathetischen Worten („Amerika ist zurück“) und emotionalem Gedöns (Krebskrankes Kind wird „Geheimdienstler“) bot seinen Gegnern viel Stoff für ihre heftige Antipathie gegen Trump. Aber die ersten Wochen seiner Präsidentschaft waren in erster Linie von einem enormen Gestaltungs- und Reformwillen geprägt – mit erheblicher rationaler Substanz.

In Europa übertrumpfen sich Politiker und Medien im Ausmaß ihrer Empörung, sprechen von „Epochenbruch“ und Untergang der westlichen Welt. Noch ist es viel Lärm um fast nichts. Zumindest in der Weltpolitik ist noch nichts wirklich Wesentliches geschehen. Außer der Tatsache, dass mit Trump ein Politiker im Weißen Haus sitzt, der die Welt, insbesondere die westliche, nachhaltig verändern möchte – eine Welt, die sich in vielfacher Hinsicht seit langem auf gefährlichen Irrwegen und in fatalen Sackgassen befindet.

Ganz nebenbei erhalten die kleinmütigen, mittelmäßigen und staatsgläubigen Politiker in Deutschland und Europa eine Lektion, wie man versuchen kann, einen überbordenden Staatsapparat zu verschlanken, einen ausufernden Billionenhaushalt transparent zu machen und zu entrümpeln sowie schreckliche Fehlentwicklungen in Bildung, Wissenschaft und Kultur zu stoppen.

Auch wenn fast jeden Tag eine neue amerikanische „Skandal“-Sau durch das Weltendorf getrieben wird, hat wenig mehr Entsetzen in Europa ausgelöst als der Eklat im Oval Office des Weißen Hauses, als Trump, sein Vize J.D.Vance und der ukrainische Staatschef Wolodymyr Selenskyj heftig aneinandergerieten. Wirklich überraschend waren dabei nicht die politischen Differenzen zwischen Washington und Kiew, sondern die Tatsache, dass der heftige Disput vor den Augen der Weltöffentlichkeit stattfand.

Der enorme Widerwille gegen Trump und die tiefe Abneigung gegen seine drastische Reformpolitik prägen ohnehin seit vielen Jahren die Haltung der Eliten und Medien in weiten Teilen Europas – das Wortgefecht vor laufenden Kameras im Weißen Haus ließ nun manche Dämme diplomatischer Zurückhaltung endgültig brechen.

Die Welt stehe vor einer „neuen Zeit der Ruchlosigkeit“, meinte die sichtlich tief aufgewühlte Außenministerin Deutschlands, Annalena Baerbock (Die Grünen), die das Video vom Eklat in Washington vor lauter Empörung nach eigener Aussage zweimal unterbrechen musste. Baerbocks noch unbekannter Nachfolger im Berliner Außenamt wird einmal in der US-Hauptstadt erklären müssen, wie ein deutscher Außenminister den amerikanischen Präsidenten als „ruchlos“ bezeichnen konnte – denn nicht anders waren ihre Worte zu verstehen.

Die grüne Ministerin war keineswegs allein mit ihrem großen Schmerz der düsteren Vorahnungen. Ex-Außenminister Joschka Fischer meinte in einem Interview der Zeit, der „Westen ist beendet, und zwar von innen heraus“. Nur eine „massive Aufrüstung in Deutschland und Europa“ verhindere die „Unterwerfung“, so das Gründungsmitglied der deutschen Grünen.

Sein Parteifreund Anton Hofreiter unkte in der „Welt“, Trump sei offenbar bereit, „große Teile Europas der russischen Einflusszone zu überlassen“. Der US-Präsident sei ein „imperialer Autokrat“, der Demokratie „für eine defizitäre Staatsform“ halte.

Frankreichs Premierminister François Bayrou sprach von einer „brutalen“ Demütigung Selenskyjs. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der Trump vor Jahren einmal als „Hassprediger“ bezeichnet hatte, zeigte sich schockiert, die Szene im Weißen Haus habe ihm den Atem stocken lassen, sagte er.

Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas hinterfragte die Führungsrolle der USA in der westlichen Welt: „Heute ist klar geworden, dass die freie Welt einen neuen Anführer braucht“, meinte Kallas. Wäre interessant zu wissen, welcher europäische Politiker dazu das persönliche Format und die politische Machtbasis für eine solche Führungsrolle hätte.

Auch die meisten Medien in Deutschland und Europa stimmten in das große Wehklagen ein. FAZ-Herausgeber Berthold Kohler sprach von einem „worst case“-Szenario für Europa, der nun eingetreten sei. Nun drohe im westlichen Verteidigungsbündnis ein „Schisma, das die Epoche der transatlantischen Verbundenheit beendet“. Kohler beschuldigte Trump, „die Gewaltenteilung auszuhebeln, Justiz und Medien gleichzuschalten“.

Es ist schon eine ziemlich einseitige Sicht, nach der jahrelangen Politisierung der Justiz, die die Demokraten zur Waffe gegen Trump missbrauchten, und der tiefen Feindseligkeit der meisten amerikanischen Leitmedien gegen Trump, ihm nun zu unterstellen, er würde Justiz und Pressefreiheit angreifen.

Es gibt manchen Grund, Trumps Vorgehen gegenüber den Medien zu kritisieren – beispielsweise die Maßnahmen des Weißen Hauses gegen die größte Nachrichtenagentur der Welt, AP, weil diese den „Golf von Mexiko“ nicht „Golf von Amerika“ nennen möchte. Auch die Bevorzugung mancher Medien und Blogger im Weißen Haus ist fragwürdig. Aber hier schon von einer „Gleichschaltung der Medien“ zu sprechen, wie das der FAZ-Herausgeber macht, ist absurd.

Auch Springer-Chef Mathias Döpfner sprach in einem „Welt“-Beitrag von einer „wankenden Weltordnung“; die US-Regierung verletze „rote Linien, die in einer rechtsstaatlichen Demokratie nie überschritten werden dürften“.

„Postfaktische Verdrehungen“ fluteten die Medien. Die „Süddeutsche Zeitung“ meinte, Trump lasse die Weltpolitik „zu einer Reality-Show verkommen“.

Die finnische Zeitung „Hufvudstadsbladet“ (Helsinki) schrieb, das Vorgehen Trumps erinnere „an einen Abrechnungskrieg zwischen Mafiabanden“. Im Grunde folge der US-Präsident dem Diktat Russlands. Auch die tschechische Zeitung „Seznam Zprávy“ klagte: „Jetzt herrschen Gangster und machttrunkene Egomanen, die über das Überleben anderer entscheiden.“

Die sichtlich erfreuten, positiven Reaktionen in Moskau auf den amerikanisch-ukrainischen Disput sowie der vorläufige Stopp von US-Waffenlieferungen an die Ukraine scheinen für viele schon ausreichend zu sein, um Trump den „Verrat an der Ukraine“ vorzuwerfen. Dabei hat Trump bisher Kiew nur klar gemacht, dass es sowohl an einen Verhandlungstisch für einen Waffenstillstand kommen als auch die USA mit Abkommen über Rohstoffe für die enormen Militär- und Finanzhilfen entschädigen muss. Selenskyj hat nicht lange gebraucht, um all dem zuzustimmen – Trump konnte am Dienstagabend im Kongress aus einem entsprechenden Brief aus Kiew verweisen. Der Friedensprozess ist auf dem Weg.

Auch Trumps drastische Forderungen an Europa, mehr militärische Verantwortung für den alten Kontinent zu übernehmen, scheint keineswegs nur das Vorspiel für eine Abkehr der USA vom Nato-Bündnis zu sein. Bei den (getrennten) Besuchen von Frankreichs Präsident Macron und des britischen Premierministers Keir Starmer gab es vergangene Woche im Weißen Haus vor allem freundliche, wenngleich mahnende Worte für die Bündnispartner – nicht den geringsten Hinweis auf ein Verlassen der Nato.

Zweifellos werden Austritte der USA aus der Nato und aus den Vereinten Nationen (UN) in Washington diskutiert. Trumps engster Berater, der milliardenschwere Unternehmer Elon Musk, hat sogar eine entsprechenden Forderung des konservativen Kommentators Gunther Eagleman auf der Internetplattform X mit einem kurzen „Ja, stimmt“ befürwortet.

Auch der republikanische Senator Mike Lee strebt den Austritt aus der Nato und aus den UN an; die Vereinten Nationen seien „eine Plattform für Tyrannen und eine Bühne, um Amerika und seine Verbündeten anzugreifen“. Allerdings lassen sich die amerikanischen Drohungen an Nato und UN auch als drastische Warnungen und deutliche Aufforderung zu einer fairen Lastenteilung und strukturellen Reformen der beiden Organisationen lesen.

Trump beklagt seit langem, dass die US-Interessen trotz enormer Eigenleistungen nicht ausreichend gewürdigt und berücksichtigt werden. Für diese Einschätzung gibt es viele gute Gründe, die auch schon Vorgänger Trumps wie Richard Nixon, Ronald Reagan und George W. Bush benannt hatten.

Es scheint klug, Trumps Forderungen, Warnungen und Drohungen international ernst zu nehmen. Die Zugehörigkeit der USA zur Weltgesundheitsorganisation WHO und zum Pariser Klima-Abkommen ebenso wie die Finanzierung der UN-Hilfsorganisation für Palästina-Flüchtlinge UNRWA und des Menschenrechtsrats hat Trump bereits aufgekündigt. Allerdings berühren diese – teilweise zu Recht heftig umstrittenen Organisationen – nicht die existenziellen Interessen der USA wie das die Nato und teilweise auch die UN tun.

Wer sich vom Pulverdampf der heftigen Reaktionen auf die ungewöhnlichen Vorgänge am vergangenen Freitag im Oval Office nicht irritieren lässt, wird erkennen, dass Trump derzeit noch an der Bündnispolitik ebenso wie an der Unterstützung der Ukraine festhalten möchte. Der vorläufige Stopp der Waffenlieferungen wird nach Einschätzung der Experten der Ukraine kurzfristig militärisch keine schweren Nachteile oder Schaden bescheren.

Gravierender würde sich auswirken, wenn der am Mittwoch beschlossene Stopp von US-Geheimdienstinformationen an die Ukraine nicht bald wieder aufgehoben werden würde – der Nationale Sicherheitsberater Trumps, Mike Waltz, versicherte, dass der Präsident bei weiteren Fortschritten für den Beginn von Waffenstillstands-Verhandlungen „die Aufhebung dieser Pause ernsthaft in Betracht ziehen“ werde.

Allerdings hängt alles davon ab, ob aus US-Sicht Selenskyj den Weg zu Gesprächen mit Moskau freimacht – denn darauf drängt Trump massiv. Berechtigterweise fragen vor allem die europäischen Verbündeten, was denn Wladimir Putin, der diesen Angriffskrieg begonnen hat, an Zugeständnissen leisten müsse.

Trump wird aber keineswegs nur wegen seiner bisher nur wenig durchschaubaren Ukraine-Strategie kritisiert. Nicht nur die Linke in Europa hat seit vielen Jahren einen tiefen Widerwillen gegen Trump. Zweifellos liefern seine Prahlerei und sein Gefallen an protzigem Auftreten, sein willkürlicher Umgang mit Fakten und Daten, seine zuweilen maßlosen, emotionalen Formulierungen, das Bully-Gehabe eines Immobilien-Unternehmers und sein oft undiplomatisches Vorgehen ständig neue Aufhänger für Empörung und Abscheu.

Allerdings gilt es, hinter der oft genug irritierenden Rhetorik und manch kühnen, zuweilen abenteuerlichen Visionen Trumps nicht den Blick auf die nüchternen Tatsachen zu verlieren.

Die Zukunft Gazas bleibt angesichts der prekären Lage nach wie vor unklar – allerdings wissen die Extremisten von Hamas und anderen Palästinenserorganisationen, dass im Weißen Haus ein Mann sitzt, der ihnen längst nicht mehr mit der Nachgiebigkeit und Toleranz begegnet wie die früheren Präsidenten Joe Biden und Barack Obama.

Insbesondere aber auch innerhalb der USA haben Aufräumarbeiten begonnen, die für Europa vorbildlich sein sollten.

Das Jammern und Klagen in der alten Welt über den rüpelhaften US-Präsidenten, der erkennbar versucht seine Wahlversprechen tatsächlich umzusetzen und sein Land „wieder groß“ zu machen und die Interessen seines Landes an erster Stelle zu setzen, wird noch lange anhalten. Trump steht für eine amerikanische Realpolitik und nicht für irreales Wunschdenken und phantastische Vorstellungen über eine „gerechte Weltordnung“.

Wirklich entscheidend wird sein, wie sich die Welt in den kommenden Jahren politisch und ökonomisch verändern wird, ob Trump seine Versprechen wirklich einlösen kann, zu denen auch die Verteidigung der Werte und Ideale des freien Westens gehören, im Inneren wie nach außen. Daraus kann man auch eine klare Kampfansage gegen Ideologen, Islamisten und Schurkenstaaten herauslesen.

Ganz besonders wichtig wird sein, ob es Trump wirklich gelingt, einen für alle einigermaßen akzeptablen Frieden für die Ukraine zu erreichen und im Nahen Osten Israels Sicherheit zu garantieren, ohne dass der Nahe Osten ein Pulverfass bleibt, das ständig vor einer Explosion zu stehen scheint.

„Die Trump-Regierung beendet die Nachkriegsära“, schreibt die US-polnische Historikerin Anne Applebaum. Nun, das konnte man nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und des Ostblocks auch sagen. Wirklich zu Ende geht eine Zeit, in der sich Europa bequem und sparsam auf die USA als Schutzmacht verlassen konnten. Was sich in der Welt sonst noch ändern wird, lässt sich nach wenigen Wochen Präsidentschaft kaum vorhersagen. Warten wir ab. Alles erklärt sich vom Ende her.

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