
Nachdem das Magazin Cicero das gesamte Gutachten des Bundesamtes für Verfassungsschutzes über die AfD veröffentlicht hat, können sich Presse und Öffentlichkeit ein eindeutiges Bild von der Arbeit der Behörde machen. Die Veröffentlichung entlarvt diese vor allem als nicht neu – es ist eine reine Sammlung von bekannten, öffentlichen Zitaten. Geheimquellen sind im Gutachten keine ersichtlich. Dabei hatte der Verfassungsschutz die Geheimhaltung mit dem Schutz von Geheimquellen begründet.
Vor allem aber zeigen viele Beispiele, wie dünn der Verfassungsschutz tatsächlich arbeitet. Allerlei gesammelte Zitate und daraus gesponnene Ableitungen geben die Argumentation der Behörde regelrecht der Lächerlichkeit preis. Apollo News kuratiert einige von ihnen.
Als Beleg für die Verfassungsfeindlichkeit der Partei wird beispielsweise ein Zitat aus dem Wahlprogramm der AfD Sachsen angeführt. Dort heißt es:
„Kindertageseinrichtungen müssen einen sicheren Erwerb der deutschen Sprache für alle Kinder, die auf Dauer hier leben werden, gewährleisten. Daher soll in sächsischen Kindertageseinrichtungen die deutsche Sprache verbindlich sein. Der Anteil nichtdeutschsprachiger Kinder in Kita-Gruppen ist auf maximal 10 Prozent zu begrenzen, um eine gute Sprachentwicklung aller Kinder sicherzustellen. Kinder von Familien ohne dauerhafte Bleibeperspektive sind bei Bedarf in gesonderten Einrichtungen durch Muttersprachler zu betreuen, um bei ihrer Rückkehr in die Heimat keine Nachteile zu erleiden. Die Betreuung dieser Kinder ist vornehmlich Elternaufgabe.“
Der Verfassungsschutz bemängelt das mit abenteuerlicher Ableitung: „Eine derartige Unterteilung führt zu einer Ungleichbehandlung von Kindern im Kita-Alter, die an ihre Ethnie anknüpft und damit menschenwürdewidrig ist“, behauptet die Behörde. Und er schreibt weiter: „Aufgrund des bundesweiten akuten Betreuungsnotstands führt bereits die Begrenzung auf 10 % nicht deutschsprachiger Kinder in den jeweiligen Kita-Gruppen dazu, dass die Kapazitäten sofort erschöpft wären und ein Großteil der Kinder mit Migrationsgeschichte bereits keinen Zugang zu Kindertagesstätten und damit zu frühkindlicher Bildung und Integrationsmöglichkeiten erlangen könnte.“
Der Verfassungsschutz lastet der AfD weiterhin an, wie sie über Migranten- beziehungsweise Ausländerkriminalität spreche. Oft genug reicht schon die Benennung der statistisch beweisbaren, besonderen Problematik für eine Benennung als verfassungsfeindliches Beispiel aus.
So schreibt die AfD in ihrem Grundsatzprogramm etwa:
„Millionen Menschen aus anderen Kulturkreisen ohne die für eine Integration erforderlichen Qualifikationen werden mit falschen Versprechungen nach Deutschland gelockt. In ihrer Heimat haben sie alle Brücken abgebrochen. Enttäuschte Hoffnungen auf Wohlstand bergen die Gefahr, dass viele in die Kriminalität abgleiten.“
Der Verfassungsschutz liest daraus die eindeutige Unterstellung, dass „viele“ dieser Migranten auch tatsächlich kriminell würden – eine Interpretation. Dadurch zeichne die Partei „ein Bedrohungsszenario, das geeignet ist, generelle Ablehnung gegenüber Migranten ,anderer Kulturkreise‘ hervorzurufen.“
Auch eine Aussage des AfD-Landtagsabgeordneten Klaus Esser, die sich auf offizielle Daten des BKA stützt, wird durch den Verfassungsschutz als Beleg für die Verfassungsfeindlichkeit, konkret das „ethnisch-abstammungsmäßige“ Volksverständnis festgehalten. Esser schrieb im Messengerdienst Telegram:
„Deutsche werden Opfer derer, denen sie gutmütig helfen wollten! Eine Auswertung des BKA hat ergeben, dass legale und illegale Asylzuwanderer weit mehr Gewaltverbrechen an Deutschen begehen als andersherum. Das Missverhältnis wird sowohl bei Tötungsdelikten als auch bei Sexualverbrechen und anderen Gewalttaten offenkundig. Würde zusätzlich noch differenziert, wie lange Täter mit deutschem Pass bereits die Staatsbürgerschaft besitzen, wäre das Bild wahrscheinlich noch eindringlicher.“
Die Zahlen des BKA stimmen, sind dazu noch staatlich bestätigt. Der Verfassungsschutz meint trotzdem: „Esser schreibt autochthonen Deutschen damit grundsätzlich die Opferrolle zu, während er Asylsuchenden wie auch Deutschen mit Migrationsgeschichte angesichts ihrer ethnischen Herkunft einen stärker ausgeprägten Hang zu Kriminalität unterstellt. Damit unterstellt er zugewanderten Personen kriminelle Eigenschaften allein auf Basis ihrer Herkunft und setzt sie auf diese Weise in ihrer Menschenwürde herab.“
Auffällig ist im Gutachten ein Satz des sächsischen AfD-Landesvorsitzenden Jörg Urban – sie ist als Beleg für die Ablehnung beziehungsweise Verächtlichmachung des Demokratieprinzips festgehalten. Urban schrieb 2022 auf Facebook unter Bezugnahme auf staatliche Meldestellen in Nordrhein-Westfalen:
„Das Ziel dieser neuen Sprachpolizei ist klar: Den Bürgern wird signalisiert, dass sie unter Beobachtung stehen, dass kritische politische Äußerungen erfasst und gesammelt werden. [… Die Regierung setzt also, auch wenn kein juristisches Vergehen vorliegt, auf Einschüchterung – auf totalitäre Methoden, wie wir sie z.B. aus der DDR kennen.“
Diese Äußerung wird vom Verfassungsschutz erfasst und im Gutachten festgehalten – warum, wird an dieser Stelle nicht begründet. In dem Kapitel moniert der Verfassungsschutz jedoch grundsätzlich DDR-Vergleiche, die unzulässig seien und die Demokratie verächtlich machen würden.
Auch die Forderung an Einwanderer, sich zu assimilieren, wird vom Verfassungsschutz offenbar als grundgesetzwidrig betrachtet. Beispielsweise bemängelt man einen radikalen Post der ehemaligen AfD-Jugend in Sachsen, der inzwischen aufgelösten Jungen Alternative. Diese schrieb auf X beziehungsweise Twitter:
„Erst illegale Einreise, dann Duldung, Wohnung und Sozialhilfe und jetzt auch noch den deutschen Pass. Schon ist man angeblich ein ,Deutscher. Was die Regierung hier treibt, ist ein stiller Putsch gegen das eigene Volk! Das eigentliche Volk wird durch erhebliche Erweiterung und Ersetzung still und heimlich seiner Macht und Selbstbestimmung beraubt. Nicht mit uns! Die deutsche‘ Staatsbürgerschaft darf kein Ramschartikel sein, den jeder dahergelaufene Möchtegern bekommt. Einbürgerungen gehören auf ein absolutes Minimum beschränkt und dürfen wenn überhaupt nur am Ende eines langen Integrations-und Assimilierungsprozesses stehen. Alles andere ist ein direkter Angriff auf die Rechte der Deutschen.“
Der Verfassungsschutz bemängelt hier jedoch nicht die Wortwahl oder selbst die Forderung nach einem „absoluten Minimum“ an Einbürgerungen, sondern schlicht den Ruf nach Assimilierung. „Auch die Junge Alternative Sachsen stellt die Forderung nach einer Assimilierung von Zugewanderten auf“, ist zu Beginn ausdrücklich festgehalten.