
Donald Trump hatte angekündigt, den Krieg in der Ukraine binnen 24 Stunden beenden zu wollen – je näher seine Amtseinführung am 20. Januar 2025 rückt, desto lauter werden mögliche Szenarien diskutiert, wie dieser „Trump-Friede“ aussehen könnte und welche konkreten Folgen das haben könnte.
Doch während in weltweit bekannten Zeitungen wie The Economist, der Financial Times oder Le Monde bereits über eine mögliche Entsendung europäischer und auch deutscher Soldaten gesprochen wird, ist das in deutschen Medien kein Thema.
„Tripwire forces“ ist der Begriff, den der Economist benutzt, wenn es um die Frage geht, wie ein ausgehandeltes Ende des Krieges, dazugehörige territoriale Bedingungen und Grenzlinien in der Ukraine militärisch abgesichert werden könnten. Von einer „Line of Control“ ist in Szenarien die Rede, einer „Waffenstillstandslinie“, die von am Konflikt unbeteiligten Soldaten abgesichert werden soll. Auf Deutsch lässt sich das Wort „Tripwire forces“ am besten als „Stolperdraht-Truppen“ übersetzen, die als Abschreckung für Wladimir Putin dienen und einen erneuten Überfall verhindern sollen.
Und zur Entsendung dieser „Stolperdraht-Truppen“ sollen mehrere europäische Staaten bereit sein. Darunter auch Deutschland, jedenfalls unter einer neuen Bundesregierung, berichtet der Economist: „Wie unsere Berichte zeigen, sind wichtige Staaten wie Großbritannien, Frankreich und – unter einem neuen Kanzler – auch Deutschland zu einem Deal bereit, zu dem es auch gehört, dass sie ihre Truppen in der Ukraine als Stolperdraht-Einheiten stationieren.“
Denn, so berichten es Economist und Financial Times unisono: Die USA wollen sich bei der Absicherung eines möglichen Endes des Krieges in der Ukraine – jedenfalls militärisch – heraushalten. Trump würde „nicht einen einzigen US-Soldaten entsenden“, was „nur europäische Truppen übrig lässt“, heißt es in der Financial Times.
In der deutschen Debatte findet ein Szenario, das vorsieht, Bundeswehrsoldaten – neben anderen europäischen Truppen – nach Beendigung des Krieges in die Ukraine zu entsenden, bisher nicht statt.
Seit dem Besuch von Briten-Premier Keir Starmer läuft die Debatte in Großbritannien und Frankreich wenigstens hinter den Kulissen.
In London und Paris ist das anders: Der französische Präsident Emmanuel Macron hatte ein solches Szenario bereits im Februar dieses Jahres ins Gespräch gebracht. Wie Le Monde berichtet, sei Macron seit dem Besuch des britischen Premierministers Keir Starmer vor drei Wochen mit den Briten darüber im Austausch: „Zwischen dem Vereinigten Königreich und Frankreich laufen Gespräche über die Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich, insbesondere im Hinblick auf die Schaffung eines harten Kerns von Verbündeten in Europa, der sich auf die Ukraine und die europäische Sicherheit im weiteren Sinne konzentriert“, zitiert die französische Zeitung eine britische Militärquelle.
Noch deutlicher spricht der estnische Außenminister, Margus Tsahkna, über die Entsendung europäischer Truppen in die Ukraine, um einen Deal für ein Ende des Krieges zu untermauern. Die Financial Times kommentierte Tsahknas Vorstoß als „Testballon“, also als einen mutigen Vorschlag, um eine öffentliche Reaktion zu provozieren und daraus Rückschlüsse zu ziehen. Weiter schreibt die Zeitung: „Auch eine Woche später ist der Testballon noch immer in der Luft und spiegelt wider, wie europäische Nationen darüber nachdenken, ob und wie sie einem solchen Deal zustimmen könnten.“
Der estnische Außenminister Margus Tsahkna
Spannend dürfte zu beobachten sein, wann diese Debatte nach Deutschland schwappt und wie sie im Bundestagswahlkampf intoniert wird. Noch-Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte mit Angriffen auf CDU-Chef Friedrich Merz und der Warnung vor Ultimaten gegenüber der Nuklearmacht Russland bereits deutlich gemacht, dass er sich die Angst vor einer Ausweitung des Krieges im Wahlkampf zunutze machen will. Ob er auch die Verhinderung deutscher Soldaten auf ukrainischem Boden zum Wahlkampf-Slogan machen will, wird sich zeigen – dass die AfD und das Bündnis Sahra Wagenknecht dagegen trommeln werden, sollte sicher sein.
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