
In “Der Zauberer von Oz” will Dorothy nur nach Hause. Dafür muss sie auf dem gelben Steinweg in die Smaragdstadt. Der Roboter, die Vogelscheuche und der Löwe begleiten sie auf dieser Reise. Sie selbst suchen Herz, Hirn und Mut. Der Verband der “Jungen Unternehmer” hat zum Gipfel ins DBB-Forum nach Berlin eingeladen. Auch sie suchen nach Herz, Hirn und Mut. Auf X geben sie dem Gipfel sogar den Hashtag “#fürimmermutig”.
Die äußere Lage in Deutschland erfordert von Unternehmern ebenfalls Mut. Am gleichen Tag des Gipfels gibt das Statistische Bundesamt neue Zahlen heraus. Demnach ist die Zahl der Unternehmensinsolvenzen von einem Rekord zum nächsten gewandert. 12.000 Insolvenzen meldeten die Amtsgerichte im ersten Halbjahr. 12,2 Prozent mehr als im gleichen Halbjahr 2024. Hinter diesen Insolvenzen stehen laut Bundesamt offene Forderungen von 28,2 Milliarden Euro.
Doch die Debatten auf dem Gipfel sind gemäßigt. Paul Ronzheimer berichtet von seiner Arbeit im Ukrainekrieg. Aus dem Publikum kommt die Frage, warum sein Medium, die Bild, Themen immer so zuspitzen müsse. Neben Ronzheimer haben die Jungen Unternehmer noch einen Journalisten vom Springer-Verlag als Redner eingeladen: den Chefredakteur der Welt, Jan Philipp Burgard.
Die SPD sucht für die Jungen Unternehmer einen ihrer stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden im Bundestag aus, Armand Zorn. Von den Jungen Liberalen steht die Vorsitzende Franziska Brandmann auf der Gästeliste, von der Mutterpartei der FDP-Vorsitzende Christian Dürr und von den Grünen deren Vorsitzende, Franziska Brantner. Der Liberale erhält von der Programmplanung 20 Minuten, die Grüne 30 Minuten – Hierarchie muss sein.
Dürr verkörpert die Misere. Nicht nur der FDP, sondern der mittelständischen Unternehmer in Deutschland gleich mit: Eigentlich läuft in der Politik alles in seine Richtung. Keine Partei im Bundestag vertritt liberale Positionen, die angesichts schrumpfender Wirtschaft und steigender Insolvenz-Zahlen so bitter nötig wären. Doch die FDP verharrt in den Umfragen bei drei bis vier Prozent. In den drei Jahren der Ampel haben die Wähler eine Lektion nachhaltig verinnerlicht: Wenn es darauf ankommt, vertritt die FDP liberale Positionen nicht, sondern verrät sie. Wenn es darauf ankommt, fehlt es der FDP an Herz, Hirn und Mut.
Diesen nachhaltigen Eindruck muss Dürr nun in der Außerparlamentarischen Opposition korrigieren. Doch als Ronzheimer redet, ist der kleine Saal des DBB-Forums nur zu zwei Drittel gefüllt. Als Dürr ihn ablöst, verlässt nochmal ein knappes Dutzend den Saal. Der FDP-Chef stellt sein Konzept vor. Seine Partei solle der Vertreter der “Radikalen Mitte” sein. “Radikal” ist offensichtlich ein Buzz-Wort, zu dem ihm PR-Berater geraten haben.
Dürr trägt dieses Buzz-Wort vor wie ein Mann in seiner Midlife-Krise eine Lederjacke: Er fühlt sich darin eher unwohl und für cool hält ihn auch keiner, weil das Kleidungsstück nicht zu ihm passt. Dürr meint, die Migrationspolitik müsse zu einem Kernthema der Liberalen werden. Deutschland brauche Einwanderung, aber es dürften nur Erwachsene kommen, die arbeiten, und Kinder in die Schulen, die Deutsch können. Vor zehn Jahren ein gewagter Vorstoß, heute ein ausgetrampelter Pfad. Auf die Nachfrage, ob die FDP mit der AfD zusammenarbeiten wolle, weicht Dürr aus: Er halte die Diskussion für unsinnig. Mutig sieht anders aus.
Dürr zeigt das gleiche Dilemma auf, dem auch die Jungen Unternehmer unterliegen. Er vertritt heute Positionen, für die vor zehn Jahren andere stigmatisiert und existenziell wie gesellschaftlich vernichtet worden sind. Sie wurden bestraft, weil sie schneller klug, beherzt und mutig waren als Dürr. Doch der FDP-Chef will diese Strafe nicht rückgängig machen. Er traut sich ja auch erst, ihre Positionen zu vertreten, wenn keiner mehr richtig zuhört. Das ist bestenfalls Gratismut und bleibt entsprechend ungehört.
So geht es auch Dürrs Gastgebern. Auf ihrem Podium sitzen als Journalisten nur Vertreter des Springer-Verlags. Ein Unternehmen, das perspektivisch sein Geschäft in die USA verlegen will und auf dem deutschen Markt nur noch Resteverwertung betreibt. Die linken Medien ignorieren die Belange der mittelständischen Unternehmer; die stehen im Widerspruch zu ihrer eigenen Ideologie. Die liberal-konservativen Medien wollen wiederum die Jungen Unternehmer nicht. Die vertreten zwar deren Positionen – aber sind stigmatisiert. Da fehlen dann Herz, Hirn und Mut, zu den eigenen Positionen zu stehen, wenn die von links so stark angefeindet werden.
Das ist durchaus unternehmerischer Realismus: Steuern, Beiträge und Verwaltung sind so rettungslos ausgewuchert in Deutschland, dass sich marktwirtschaftlich kaum noch Geld verdienen lässt. Wer hierzulande Geschäfte machen will, muss sich mit dem Staat gut halten. Sei es, indem er hunderte Millionen Euro an Zuschüssen für Projekte erhält, die er nicht umsetzt, während das Geld in der Insolvenzmasse versickert. Oder indem er Plattformen betreibt, auf denen Bürger denunziert werden, die Meinungen vertreten, die von der Meinungsfreiheit gedeckt sind – aber der Regierung missfallen. Das ist das Geschäftsmodell von Franziska Brandmann. Gast der Jungen Unternehmer und Chefin der Jungen Liberalen. Wer einen Verräter liberaler Überzeugungen sucht, wird in der FDP immer schnell fündig.
Wer so inkonsequent mutig ist, der stellt Forderungen auf, die vielleicht vor zehn Jahren progressiv gewesen wären und die kraftlos vorgetragen so ungehört verhallen, wie es den Jungen Unternehmern geschieht: “Mehr Netto vom Brutto”, Grunderwerbsteuer für Erstkäufer abschaffen, Schulfach Wirtschaft einführen oder private Altersvorsorge stärken. Wer als Mittelständler so mutlos auftritt, der macht es linken Medien leicht, ihn zu ignorieren – und nicht einmal die eigenen Gäste wollen sich zum Mut bekennen.
Als der Gipfel bereits über drei Stunden läuft, gibt es auf X einen einzigen Beitrag mit dem entsprechenden Hashtag. Nach dem Gipfel werden zwei interne Diskussionen folgen: Zum einen über die Frage, warum einen “die Medien” ignorieren. Zum anderen, wieso man jemanden einlädt, der so zuspitzt. Sie bekommen beides nicht zusammen. Die Helden im “Zauberer von Oz” finden am Ende Heimat, Herz, Hirn und Mut. Die deutschen Mittelständler haben noch einen langen Weg vor sich, der ein wenig gelb, aber vor allem sehr steinig ist.