Deutschland in der Schuldenspirale

vor etwa 18 Stunden

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Bildquelle: Tichys Einblick

Am Donnerstag berichtete das Handelsblatt von einer neuen Lücke im Bundeshaushalt. Bis zum Jahr 2029 sollen nach Aussagen mehrerer Regierungsvertreter die bislang noch nicht finanzierten zusätzlichen Schulden von 144 auf 150 Milliarden Euro anwachsen. Wohlgemerkt: Es handelt sich um Ausgaben, die zu den bereits kalkulierten neuen Schulden des Haushaltes hinzugerechnet werden. Zuvor hatte sich die Bundesregierung darauf geeinigt, die geplante Anhebung der Mütterrente um ein Jahr auf 2027 vorzuziehen, was einen zusätzlichen Ausgabenposten von 4,5 Milliarden Euro ausmacht.

Festzustellen ist, dass Deutschland unter der Regierung von Bundeskanzler Friedrich Merz seine letzten Bemühungen um fiskalpolitische Seriosität und konservative Haushaltsführung über Bord geworfen hat. Die Kosten des politischen Konsenses der Wackelkoalition zur Streitvermeidung werden auf den Steuerzahler umgelegt.

Die Zahlen mögen bereits jetzt besorgniserregend sein. Doch befinden wir uns im Zustand der Ruhe vor dem Sturm. Für das laufende Jahr wird die Netto-Neuverschuldung, gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP), bei 3,2 Prozent liegen. Dieser Wert inkludiert sowohl die etwa 82 Milliarden neuen Schulden des Bundes als auch 15 Milliarden zusätzliche Schulden von Ländern und Kommunen und rechnet auch die als Sondervermögen getarnten Schattenschulden des Bundes mit ein, die sich auf etwa 37 Milliarden Euro belaufen. Die Kalkulation verliert selbstverständlich ihre Gültigkeit in dem Moment, in dem die deutsche Wirtschaft tiefer in die Rezession abgleitet.

Wir beobachten eine Haushaltspolitik, an die sich die meisten Deutschen erst noch gewöhnen müssen. Mediterrane Verhältnisse hätten wir uns eher beim Wetter gewünscht, weniger bei der Verwaltung öffentlicher Gelder.

Im Grundgefühl einer beispiellosen Hybris hat die deutsche Politik in den letzten zehn Jahren den Wohlfahrtsstaat sperrangelweit für eine Armutszuwanderung geöffnet, die nicht nur fiskalische, sondern längst kulturelle und ökonomische Probleme nach sich zieht, die chaotische Zustände erreicht haben. Verstärkt durch die Alterung der Gesellschaft und der selbst herbeigeführten ökonomischen Krise braut sich in den Sozialkassen eine Katastrophe zusammen.

2025 droht hier ein globales Defizit von über 55 Milliarden Euro – allen voran in der gesetzlichen Krankenversicherung, die mit einem Rekordloch von knapp 47 Milliarden Euro ins Minus rutscht. Die Pflegeversicherung steuert einen Fehlbetrag von 1,6 Milliarden Euro bei, und auch die Rentenkasse rutscht mit rund sieben Milliarden ins Defizit.

Was einst als „generationenfestes“ System gepriesen wurde, ist zum Fass ohne Boden geworden. Bundeszuschüsse, Hilfsdarlehen und immer weiter steigende Beitragskosten prägen das Bild eines Wohlfahrtsstaats in der ersten Phase seines Kollapses.

Vae victis – und wohl dem, der diese Entwicklung rechtzeitig erkannte und über die Mittel verfügte, sich aus der Sozialstaatsfalle zu befreien. Die Zeche zahlen die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, die stillen Helden, die die Schäden der skrupellosen Schuldenpraxis der Politik durch ihre Arbeit und ihre Lebenszeit klaglos kompensieren.

Seit der Zeit vor den Lockdowns stiegen die Staatsausgaben um etwa ein Drittel, während das Steueraufkommen real lediglich um 14 Prozent wuchs. Selbst ein ökonomischer Analphabet sollte aus diesem Missverhältnis ableiten, dass sich bei den Staatsausgaben strukturell etwas ändern müsste, und zwar sehr zügig.

Doch von Einlenken kann in Berlin keine Rede sein. Der politische Wettbewerb unter den staatsgläubigen Parteien, zu denen auch die Union zählt, bringt im Ergebnis nichts anderes hervor als steigende Sozialbudgets, immer neue Leistungsversprechen und Interventionen in das Wirtschaftsgeschehen.

Mit sturer Nibelungentreue zur Klimaagenda und zur Politik der offenen Grenzen taumelt der Staatskörper unvermeidlich einer Weggabelung zu. Haushaltskrisen lassen sich zeitlich nicht prognostizieren. Sie treten auf, wenn Staaten nicht mehr in der Lage sind, neue Schulden am Anleihenmarkt zu platzieren. Dann gilt das Hemingway-Motto, der auf die Frage, wie man insolvent ginge, lakonisch antwortete: „First slowly, then suddenly.“

Der alternative Pfad ist der, den in diesen Tagen Argentinien unter seinem Präsidenten Javier Milei beschreitet. Symbolisch in Szene gesetzt mit der legendären Kettensäge führte er zurück auf einen zivilisatorisch überlegenen Pfad, in dem der Staat auf seine Kernfunktionen der inneren und äußeren Sicherheit begrenzt würde.

Wir sind, nolens volens, Zeugen und Teilnehmer eines überdimensionierten Sozialexperiments geworden. Die Frage lautet nur mehr, ob wir den europäischen Sozialismus, die degenerierte Ideologie, die Europa und der Welt so viel Leid gebracht hat, eines Tages erfolgreich überwinden können. Oder, ob wir in kindliche Reaktionsschemata zurück fallen und aus Angst vor dem nötigen Anpassungsschmerz die Rückkehr in die bürgerliche Gesellschaft, in der das Individuum die Verantwortung für sein Handeln übernimmt, verweigern.

Frankreichs Haushaltsdebatte und politisches Patt gestatten uns einen Blick in die eigene Zukunft. Bei unseren Nachbarn hat sich die Staatsquote bis auf 57 Prozent emporgeschwungen, die Politik der offenen Grenzen ist ebenfalls gescheitert, das Land ist mit seinem wuchernden Wohlfahrtsstaat unregierbar geworden.

Alles mündet letztlich in eine Regierungskrise als manifester Normalzustand, der sich in einen Vertrauensverlust in die Geltung staatlicher Institutionen übersetzt. Die durch den Sozialstaat unterdrückte ökonomische Volatilität wandert im Ergebnis als sozialer Unfriede auf die Straßen.

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