
Die Bundestagswahl im Februar erscheint aus freiheitlicher Sicht recht aussichtslos. Egal, was gewählt wird, am Ende kommt halt entweder Schwarz-Grün oder Schwarz-Rot. Die Union wird ihr konservatives Wahlprogramm nicht umsetzen können. Nichts wird sich ändern. Jetzt hat aber ausgerechnet die Ex-Ampel gezeigt, dass es einen Ausweg, eine dritte Option gibt.
Obwohl die Ampelkoalition Geschichte ist, haben sich SPD, Grüne und FDP noch einmal auf etwas geeinigt, was sie zusammen beschließen wollen. Die kalte Progression soll in den Jahren 2025 und 2026 ausgeglichen werden und Kindergeld sowie Kinderfreibetrag sollen leicht ansteigen. Diese Punkte waren schon in der bestehenden Koalition geplant, wären in der Ampel aber Teil eines viel größeren Paketes gewesen.
Die SPD wollte zusätzlich zu dieser Verhinderung einer Mehrbelastung eine Förderung der E-Mobilität. Die Grünen forderten „Steueranreize“ für Investitionen und Forschung von politisch genehm handelnden Unternehmen. Auch mehr bürokratische Vorgaben und Kosten für Unternehmen wurden aus dem ursprünglichen Paket herausgestrichen.
Existierte die Ampelkoalition jetzt noch, hätte es zwar eine Anpassung der Freibeträge und Steuersätze an die Inflation gegeben, dazu bekämen wir Bürger aber mehr Bürokratie, mehr staatliche Wirtschaftslenkung und einen weiter wachsenden Bürokratieapparat serviert. All diese negativen Vorhaben fallen weg, der einigermaßen vernünftige Kern besteht. Der Vorgang steht exemplarisch dafür, dass Minderheitsregierungen völlig unterbewertet sind.
Durch das Ende der Koalitionsdisziplin musste niemand mehr einen faulen Kompromiss mittragen oder konnte eine andere Partei zu diesem zwingen. Wo die FDP noch vor sechs Monaten hätte umfallen müssen, konnte sie jetzt das Maximum rausholen. Sie musste keine linke Politik mehr tolerieren, um eine Winzigkeit ihrer eigenen Programmatik umzusetzen.
FDP-Chef Lindnder. Zwischen Ampelbruch und Neuwahlen konnte seine Partei endlich mal das Maximum rausholen.
Damit haben die freien Demokraten ironischerweise in wenigen Wochen Opposition mehr für die Freiheit getan als in drei Jahren Regierung. Ohne Schaden anzurichten, konnten sie eine weitere Belastung der Steuerzahler verhindern. Die Partei, die von Rot-Grün mittlerweile offen verachtet und deren Untergang herbeigesehnt wird, konnte inhaltlich mit Rot-Grün etwas Positives erreichen.
Warum nicht immer so? Warum gilt es als Selbstverständlichkeit, dass zwei oder mehr programmatisch sehr weit voneinander entfernte Parteien über vier Jahre eine Koalition mit fester Mehrheit bilden müssen und in diesen vier Jahren niemals mit einer anderen Partei gemeinsam abgestimmt werden kann? Sollte es im Verhältniswahlrecht nicht darum gehen, dass im Parlament die politischen Meinungen der Bürger repräsentiert werden?
Genau das findet in unserem System aber nicht statt. Es dürfte kaum ein Wähler existieren, der ein einziges Wahlprogramm einer Partei zu 100 Prozent unterschreiben kann und alle anderen Wahlprogramme komplett ablehnt. Der Normalfall ist, dass ein Wähler vielleicht die Migrationspolitik der CSU möchte, beim Schutz der Privatsphäre aber eher bei der FDP ist, die Außenpolitik der AfD befürwortet und bei den Grünen den Kohleausstieg gut findet.
Wenn sich dieses ganz gewöhnliche Wahlverhalten, das die diversen politischen Ideologien frech ignoriert, dann im Parlament widerspiegelt, es also eine Mehrheit für Grenzschließungen, aber auch eine Mehrheit für den Kohleausstieg gibt, warum sollte dann eine von jenen Mehrheiten für vier Jahre irrelevant werden?
Für die meisten Medien und Politiker ist die Antwort darauf klar: Es braucht Brandmauern! Vor allem mit der AfD, aber auch mit den SED-Nachfolgern und mit dem BSW darf doch nicht zusammengearbeitet werden! Das sind schließlich schmuddelige Parteien, mit denen die Superdemokraten der „politischen Mitte“ doch nicht arbeiten können. Ich finde zwar, dass niemals eine Koalition mit Links- oder Rechtsradikalen entstehen sollte, einfach weil gewisse Personen charakterlich zu indiskutabel für ein Ministeramt sind, aber bei der Verweigerung der inhaltlichen Zusammenarbeit sehe ich es total anders.
CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz
Mir ist egal, wer mit wem etwas beschließt, solange dieses Etwas mehr Freiheit bedeutet. Ob dabei Kommunisten, Rechtsextreme oder Islamisten beteiligt sind, spielt für mich keine Rolle. Sollte unsere Demokratie nicht reif genug für reine Sachdebatten abseits von parteipolitischen Spielchen sein? Wenn es eine Mehrheit im Parlament mit der AfD für eine Grenzschließung gibt, sollte sie genutzt werden. Wenn es eine Mehrheit im Parlament mit der Linkspartei gegen Überwachungsgesetze gibt, sollte sie genutzt werden. Es könnte so einfach sein.
Und ich behaupte: Das sehen die meisten Deutschen so. Die zwischenparteilichen Animositäten und das parteitaktische Geraufe sind ihnen schnurzpiepegal. Sie wollen einfach nur, dass politisches etwas halbwegs Erträgliches geschieht. So hat sich auch kein normaler Mensch darüber empört, als in Thüringen CDU und FDP zusammen mit der Höcke-AfD die Grunderwerbsteuer senkten. Selbst das intellektuelle Prekariat in den Medien war maximal wenige Tage lang erregt, ob dieser demokratischen Anmaßung. Heute erinnert sich niemand mehr daran, nur die Hauskäufer müssen weniger von ihrem hart erarbeiteten Geld an den nutzlosen Staat abgeben.
Drei Jahre lang hat die Ampel die Deutschen gequält, jetzt hat sie einmal etwas geleistet, das einen Dank verdient: Das Aufzeigen der Option einer Minderheitsregierung als Möglichkeit abseits von Schwarz-Grün oder Schwarz-Rot. Die CDU könnte nächstes Jahr den Kanzler und die Minister stellen und dann im Parlament die Mehrheiten suchen, für die sie gewählt worden sein wird. Dann kann auch endlich die AfD inhaltlich eingebunden und zur Verantwortung gezwungen werden. Es reicht mit dem verkrampften Umgang mit der Partei.
Der Normalfall in einer Demokratie ist der Wechsel von linken und rechten Mehrheiten. Da das im Brandmauer-Deutschland über Koalitionen nicht möglich zu sein scheint, gibt es nur den Ausweg einer Minderheitsregierung. Die CDU hat die Wahl, ob sie nach dem wahrscheinlichen Wahlsieg bei den wichtigsten Themen wie Migration und Energie im Parlament die konservative Mehrheit nutzt oder ob sie wieder eine Mitte-Links-Politik betreibt, die die AfD nur weiter stärken würde. Sie sollte von der Ex-Ampel lernen, bei der trotz erheblicher persönlicher Kränkungen und Feindschaften eine inhaltlich vernünftige Zusammenarbeit möglich war. Sie sollte das auch so klar kommunizieren, denn ihr kürzlich beschlossenes Wahlprogramm kann sie in den relevantesten Teilen nur mit der AfD umsetzen. So und nicht anders sieht die Realität aus.
AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel. Will die CDU ihr Parteiprogramm umsetzen, braucht sie die Partei zu ihrer Rechten.
Das hätte auch den großen Vorteil, dass kein Wähler mit Bauchschmerzen die Wahlkabine betreten muss. Niemand muss fürchten, dass seine Stimme für die Grünen am Ende zu einem Bundeskanzler Friedrich Merz führt oder die Stimme für die CSU am Ende einen Finanzminister Robert Habeck ermöglicht.
Nach fast drei Jahrzehnten linker Bundespolitik wird der Souverän im Februar ganz klar eine Politik rechts der Mitte fordern. Die Union wird Koalitionsverhandlungen mit roten oder grünen Sozialisten führen und feststellen, dass sie mit denen keine politische Wende hinbekommen wird. Dann wird sie sich entscheiden müssen: Betrug am Wähler oder das Wagnis einer Minderheitsregierung und das Ende der inhaltlichen Brandmauer. Kein selbstbewusster Demokrat, auch kein langfristig denkender Linker, kann wollen, dass sie sich falsch entscheidet.