Deutschland muss Füllvorgaben für Gasspeicher senken

vor etwa 1 Monat

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Bildquelle: Tichys Einblick

Vorräte legt man für schlechte Zeiten an, das wissen die Eichhörnchen. Im Winter gibt es keine Eicheln, also sammeln die Nager im Sommer eifrig so viele Baumfrüchte wie möglich und verstauen sie in Speichern. Von den angelegten Vorräten ernähren sich die Hörnchen dann in der kalten Jahreszeit und können so den Winter überleben. Je mehr Vorräte man im Sommer angelegt hat, desto besser übersteht man den Winter.

Wir behalten das im Hinterkopf.

Die Bundesregierung hat gerade die Speichervorgaben für Erdgas gesenkt. Zum Stichtag 1. November müssen die deutschen Gasspeicher nur noch zu 80 Prozent befüllt sein. Bisher waren es 90 Prozent – das ist auch die Zielmarke, die die EU ihren Mitgliedsstaaten vorgibt.

Doch das noch vom Grünen Robert Habeck geschäftsführend geführte Bundeswirtschaftsministerium hat die Gasspeicherfüllstandsverordnung überarbeitet und die Speichervorgaben für Erdgas in Deutschland gesenkt. Dabei handelt es sich um eine sogenannte Ministerverordnung, für die es keine Zustimmung durch den Bundestag braucht.

Im Winter wird deutlich mehr Gas benötigt – denn da wird geheizt, die Menschen brauchen mehr warmes Wasser, und wegen der kurzen Tage sind auch die Lampen viel länger an. Deshalb befüllen wir im Sommer unsere Gasspeicher wie das Eichhörnchen seine Vorratskammern.

Am 1. November 2024 hatten wir unsere Gasspeicher zu über 98 Prozent befüllt. Doch im vergangenen Winter stieg der Gasverbrauch rapide. Das lag vor allem daran, dass Deutschland Rekordmengen zur Stromerzeugung in Gaskraftwerken einsetzte: Denn wegen der Dunkelflauten lieferten Windkraft- und Solaranlagen fast keine Leistung, und alle Kernkraftwerke sowie die meisten Kohlekraftwerke waren ja abgeschaltet.

Am 31. März 2025 betrugen die Füllstände unserer Gasspeicher noch 28,7 Prozent. Fast 70 Prozent der Gasvorräte hatten wir im vergangenen Winter also verbraucht.

Was soll’s, könnte man meinen, dann füllen wir jetzt halt wieder auf. Das ist theoretisch richtig, aber praktisch leider eben doch nicht so einfach. Denn die derzeit ungewöhnlich hohen Gaspreise stehen im Weg.

International wird in der Einheit MMBtu abgerechnet. Das ist die Abkürzung für „Million British thermal units“. Eine MMBtu entspricht 26,4 Kubikmeter Gas. Seit Dezember 2024 schwankt der Preis zwischen 2,8 und 4,2 Euro je MMBtu. Zum Vergleich: Im vergangenen Sommer befand sich der Preis meist bei 1,2 bis 2,4 Euro je MMBtu.

Zu dieser Zeit befüllen die Betreiber ihre Gasspeicher mit günstigem Gas, um es im Winter dann gewinnbringend weiterzuverkaufen. Anfang dieses Jahres lagen die Preise jedoch höher als im Winter, weswegen es kaum Anreiz für Betreiber gab, ihre Speicher zu befüllen. Zudem sind in manchen Sommermonaten die Preise höher als im Winter. Das liegt an komplizierten Marktmechanismen, die selbst Experten oft nur schwer durchschauen.

Im Ergebnis wird jedenfalls gerade weniger Gas eingespeichert, als es eigentlich sollte.

Die Reaktion der geschäftsführenden rot-grünen Bundesregierung auf das Problem war nun nicht, kreative Lösungen zu suchen – sondern die Speichervorgaben zu senken. Marktkenner halten das für gefährliche Augenwischerei. Dann könne man zwar am 1. November publikumswirksam berichten, dass die Speicher den Vorgaben entsprechend gefüllt seien. Nur sind halt die Vorgaben zu niedrig.

Eine simple Rechnung zeigt das: Anfang November 2024 waren die Speicher, wie beschrieben, zu 98 Prozent gefüllt. Zwischen diesen 98 Prozent und der neuen Vorgabe von 80 Prozent liegen 18 Prozent. Ende März 2025 waren die Speicher noch zu knapp 28 Prozent befüllt. Zieht man davon 18 Prozent ab, ist man bei gerade noch zehn Prozent Füllstand. Aber der vergangene Winter war keineswegs besonders kalt.

Wenn die Betreiber in diesem Jahr die neue, niedrigere Vorgabe von nur noch 80 Prozent Speicherfüllstand einhalten, und wenn der kommende Winter etwas kälter wird als der vergangene – dann dürften wir also nur zehn Prozent mehr Gas verbrauchen. Ansonsten laufen unsere Gasspeicher leer.

Die Speicher-Vorgaben der EU sind in diesem Fall ausnahmsweise einmal also durchaus sinnvoll. Doch die Bundesregierung verhandelt gerade mit Brüssel, um sie nicht erfüllen zu müssen.

Vielleicht hoffen grüne Beamte in den Ministerien ja darauf, dass man das Land doch noch dazu zwingen kann, mindestens auf mittlere Sicht auf Gas zu verzichten und es durch klimafreundliche erneuerbare Energieträger zu ersetzen. Diese Idee hat jüngst eine Marktuntersuchung des Beratungsunternehmens McKinsey als Illusion entlarvt. McKinsey rechnet noch im Jahr 2030 bei uns mit einem Gasverbrauch von um die 700 Terawattstunden. Zum Beispiel werden viel weniger Wärmepumpen verbaut, als die Klimapolitiker prognostiziert hatten. Und Kraftwerke brauchen für ökologisch günstige Fernwärme immer mehr Gas.

Dass Deutschland wegen des Überfalls auf die Ukraine auf russisches Gas verzichtet, kommt uns teuer zu stehen. Erdgas kostet in Deutschland aktuell etwa doppelt so viel wie vor dem Krieg. Nach Zahlen des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft musste ein durchschnittlicher Haushalt im vergangenen Jahr rund sechs Cent pro Kilowattstunde bezahlen. Vor dem Krieg waren es nur rund drei Cent.

Aber das Problem mit dem Preis erledigt sich natürlich, wenn gar kein Gas mehr da ist.

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