
Zuletzt hat Chinas Präsident und Staatsoberhaupt Xi Jinping führende Köpfe der globalen Wirtschaft zu einem Gipfeltreffen in die Hauptstadt eingeladen – mit dem Ziel, die wirtschaftlichen Beziehungen trotz zunehmender Handelsbarrieren aufrechtzuerhalten. Hintergrund sind vor allem die Zölle seitens der EU und der Vereinigten Staaten gegenüber China.
Wie die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua berichtete, begrüßte Xi beim Treffen Ende März 2025 zahlreiche hochrangige deutsche CEOs im Zentrum Pekings: darunter Miguel Angel López Borrego, Vorstandschef von ThyssenKrupp, Mercedes-CEO Ola Källenius und Siemens-Chef Roland Busch. Auch BMW-Vorstandsvorsitzender Oliver Zipse, Christian Hartel von Wacker Chemie sowie Klaus Rosenfeld, der Chef des Autozulieferers Schaeffler, nahmen an dem Treffen teil.
Neben Präsident Xi waren auch führende Vertreter der chinesischen Regierung anwesend – darunter Außenminister Wang Yi, Handelsminister Wang Wentao und Finanzminister Lan Fo’an. Über die konkreten Inhalte des Austauschs drangen bislang keine Details an die Öffentlichkeit.
Angesichts der anhaltenden konjunkturellen Schwäche unternimmt China derzeit Anstrengungen, um sein Wirtschaftswachstum wieder in Schwung zu bringen und ausländisches Kapital im Land zu halten – beziehungsweise anzulocken. Parallel dazu werfen immer mehr deutsche Konzerne ihren Blick gen Osten, da der deutsche Standort durch wachstumsfeindliche Rahmenbedingungen zunehmend unattraktiv wird. In dieser Gemengelage liegt es nahe, dass sich wirtschaftliche Interessen annähern – so führt das eine zum anderen und Gleichgesinnte treffen sich.
Im Vergleich zu Deutschland kann China Unternehmen genau das bieten, was für ihre Wettbewerbsfähigkeit und Profitabilität entscheidend ist – allen voran günstige Energie. Während die Industriestrompreise in Deutschland im Jahr 2024 im Durchschnitt bei knapp 17 Cent pro Kilowattstunde lagen, bewegten sie sich in China zwischen 7 und 9 Cent.
Der höhere Strompreis in Deutschland ist vor allem auf Umlagen, Steuern und Netzentgelte zurückzuführen, die den Endkundenpreis erheblich beeinflussen und einen großen prozentualen Anteil ausmachen. Allein die Netzentgelte, die dem Verbraucher auferlegt werden, um die Ausrichtung deutscher Stromnetze auf die Nutzung volatiler und wetterabhängiger erneuerbarer Energien zu finanzieren, machen mittlerweile rund 27 Prozent des Strompreises aus.
In China unterliegen Strompreise deutlich geringeren Belastungen durch Steuern, Umlagen oder Netzentgelte als in Deutschland. Der chinesische Staat reguliert Stromerzeugung und Netzbetrieb zentral, wodurch zusätzliche Kosten weitgehend entfallen.
Hinzu kommt die strukturelle Problematik der erneuerbaren Energien selbst: In Zeiten, in denen weder Sonne scheint noch Wind weht – den sogenannten Dunkelflauten, die vor allem im Herbst und Winter in Deutschland häufig auftreten – fällt die Stromerzeugung aus Solar- und Windkraft nahezu auf null. Das führt, insbesondere aufgrund des Nachfrageüberhangs seitens der energieintensiven Industrie, regelmäßig zu massiven Preissprüngen an der Strombörse.
China hingegen setzt auf eine breit aufgestellte Energieversorgung und beschränkt sich – anders als die Bundesregierung – nicht ideologisch auf wetterabhängige Energiequellen. Stattdessen setzt Peking auch weiterhin auf Kernkraft und fossile Energieträger. Eine Erhebung von Statista verdeutlicht dies: Kohle war im Jahr 2023 mit einem Anteil von rund 60,8 Prozent nach wie vor der wichtigste Energieträger in China. Erneuerbare Energien wie Solar- und Windkraft kamen auf 17,6 Prozent, Kernkraft auf 4,6 Prozent und Wasserkraft auf 13 Prozent.
Auch in Sachen Bürokratie bietet China Unternehmen im Vergleich zu Deutschland einen deutlich vorteilhafteren Standort. Vor allem die administrativen Anforderungen sind in der Volksrepublik erheblich geringer. Unternehmensgründungen und generelle Genehmigungsverfahren verlaufen deutlich schneller und unkomplizierter, da weniger Dokumentation und behördliche Abstimmungen erforderlich sind.
Im Gegensatz dazu zählt Deutschland zu den „bürokratischsten‟ Ländern der Welt. Mit über 52.000 Einzelnormen und einer entsprechend hohen Regelungsdichte verursacht die deutsche Bürokratie massive Kosten, aber auch zeitliche Zusatzbelastungen für Unternehmen.
Auch steuerlich ist China für Unternehmen mittlerweile deutlich attraktiver als Deutschland. Der reguläre Körperschaftssteuersatz liegt bei 25 Prozent, wobei kleine und mittelständische Betriebe sowie bestimmte Branchen – etwa High-Tech-Unternehmen – von reduzierten Sätzen zwischen 5 und 10 Prozent profitieren können.
So zieht China gezielt Investitionen in zukunftsrelevante Sektoren wie Künstliche Intelligenz oder Halbleitertechnologie an. Auch bei der Mehrwertsteuer liegt China vorn: Der Standardsatz beträgt 13 Prozent, während Deutschland mit 19 Prozent zur Kasse bittet. Eine Gewerbesteuer existiert in China gar nicht – ein weiterer gewichtiger Standortvorteil gegenüber dem deutschen Steuermodell.
Hinzu kommen die vorteilhaften Lohnstrukturen – ein entscheidender Faktor, der neben den günstigen Energiekosten für viele deutsche Industrieunternehmen den Ausschlag für eine Produktionsverlagerung nach China geben könnte. Die durchschnittlichen Arbeitskosten pro Stunde in der chinesischen Industrie lagen im Jahr 2023 bei etwa 8 Euro; in wirtschaftlich starken Küstenregionen wie Shanghai oder Shenzhen etwas höher. Zum Vergleich: In Deutschland belaufen sich die durchschnittlichen Arbeitskosten in der Industrie auf rund 46 Euro pro Stunde – das ist mehr als das Fünffache. Die Arbeitskosten inkludieren Bruttoverdienste und Lohnnebenkosten.
Ein weiterer bedeutender Standortvorteil für Unternehmen in China ist der privilegierte Zugang zu kritischen Rohstoffen, ein Bereich, in dem Deutschland kaum mithalten kann. China gilt als weltweit führend bei der Förderung und Verarbeitung zahlreicher strategisch bedeutsamer Rohstoffe wie Magnesium, Seltenen Erden, Gallium und Germanium. Von den 30 Rohstoffen, die die EU als „kritisch“ einstuft, stammen 19 überwiegend aus China. Bei manchen – etwa den Seltenen Erden – verfügt China mit einem Anteil von rund 98 Prozent über eine nahezu monopolartige Stellung. Diese Rohstoffe sind essenziell für Zukunftstechnologien wie die Halbleiterproduktion, Batterien, die Entwicklung künstlicher Intelligenz sowie Anwendungen in der Rüstungsindustrie, der Automobilbranche und weiteren Hochtechnologiebereichen.
Während der deutsche Standort zunehmend an Attraktivität einbüßt, nimmt die globale Abwanderungswelle der Industrie weiter Fahrt auf – Osteuropa, Südostasien und nun verstärkt China rücken in den Fokus. Günstige Energie, niedrigere Steuern, weniger Bürokratie und ein verlässlicher Zugang zu Rohstoffen machen das Reich der Mitte für deutsche Unternehmen zunehmend zur Alternative. Besonders für deutsche Autobauer, deren Absatzmarkt ohnehin zu großen Teilen in China liegt, wird der Schritt zur Verlagerung des Kerngeschäfts zu einer interessanten Option. Berlin schaut tatenlos zu und treibt mit ideologischer Sturheit die Deindustrialisierung weiter voran. Eine grundlegende Verbesserung der Standortbedingungen in Deutschland ist dringend erforderlich, um eine anhaltende Abwanderung von Produktivität und Wertschöpfung ins Ausland zu verhindern.