
Deutschland geht der Strom aus. Dafür gibt es zwei paradoxe Gründe: Einerseits haben wir zu wenige Kraftwerke und produzieren zu wenig Strom. Andererseits produzieren wir zeitweise viel zu viel Strom, und das überlastet dann die empfindlichen Netze.
Die Folge ist in beiden Fällen gleich: Das Netz muss abgeschaltet werden, buchstäblich gehen die Lichter aus. Und in beiden Fällen haben wir uns selbst in diese missliche Lage gebracht – durch die Energiewende.
Der Übertragungsnetzbetreiber Amprion erwartet „kontrollierte Lastabschaltungen“ und hohe Strompreise im Herbst. „Unsere Handlungen werden der Situation angemessen, aber nicht schön sein.“ Vordefinierte Gruppen würden vorgewarnt, dass bei ihnen am nächsten Tag für eine gewisse Zeit –vielleicht für ein paar Stunden – der Strom abgeschaltet wird. „Krankenhäuser müssten auf Notstrom ausweichen und vielleicht auch Operationen verschieben, Supermärkte ihre Läden schließen, Industriebetriebe vielleicht eine Produktionslinie pausieren.“
Man kennt das, bisher allerdings aus Ländern der Dritten Welt. Dass der immer noch viertgrößte Industriestaat der Welt seinen Bürgern und Betrieben zeitweise den Strom abschalten will und Krankenhäuser nur mit Notstromaggregaten arbeiten: Das ist relativ neu.
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Noch vor wenigen Jahren gehörte das Wort „Dunkelflaute“ nicht zum allgemeinen Sprachschatz. Der Begriff bezeichnet Wetterlagen, in denen die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht. Dann produzieren Windräder und Solaranlagen keinen Strom. Also im Wortsinn: gar keinen.
Unsere Stromversorgung ist ein ingenieurtechnisches Meisterwerk. Weil man elektrische Energie in großen Mengen nur sehr schlecht speichern kann, muss in unsere gekoppelten Netze in jeder Sekunde genau so viel Strom eingespeist werden, wie auch entnommen wird. Die Stromproduktion muss exakt so hoch sein wie der Stromverbrauch. Immer, in jedem Moment. Sonst bricht das Stromnetz zusammen.
Mit sogenannten „steuerbaren Kapazitäten“ geht das recht einfach. So nennt man Energiequellen, die unabhängig von der Wetterlage jederzeit zur Verfügung stehen und so konstruiert sind, dass man sie sehr schnell auf- oder abregeln und so die Stromproduktion an den Bedarf anpassen kann. Kernkraftwerke sind „steuerbare Kapazitäten“, Kohlekraftwerke sind es, Gaskraftwerke sind es.
Windräder und Solaranlagen sind es logischerweise nicht.
Je mehr wetterbedingt unberechenbaren und nicht vorhersehbaren Strom wir mittels Wind- und Solarenergie erzeugen, desto mehr steuerbare Kapazitäten brauchen wir, um eventuelle Engpässe auszugleichen. Die Stromlücke in Dunkelflauten kann im Verhältnis zum Strombedarf riesig sein. Dann müssen blitzschnell herkömmliche Kraftwerke einspringen und die Strommengen in das Netz einspeisen, die benötigt werden.
Sonst kollabiert das Netz, und die Lichter gehen aus.
Unter anderem deshalb ist die „Energiewende“ der Grünen so bizarr teuer: Für alle nicht steuerbaren Wind- und Solaranlagen braucht man im Hintergrund steuerbare Ersatzkraftwerke.
Nun aber hat Deutschland, ebenfalls auf Initiative der Grünen in allen Parteien, sämtliche Kernkraftwerke abgeschaltet und will dasselbe perspektivisch auch mit sämtlichen Kohlekraftwerken tun. Damit hat man riesige steuerbare Kapazitäten gekillt. Gleichzeitig baut man, vom Steuerzahler mit Irrsinnssummen subventioniert, unverdrossen neue Windräder und Solaranlagen in die Landschaft. Das erhöht, siehe oben, den Bedarf an steuerbaren Kapazitäten.
Die Lücke zwischen den benötigten und den vorhandenen steuerbaren Kapazitäten können angesichts der politischen Vorgaben nur Gaskraftwerke füllen. Wir groß die Lücke ist, das hat eben gerade der brandneue Bericht zur Versorgungssicherheit der Bundesnetzagentur gezeigt.
Die Behörde mit dem Ex-Grünen-Politiker Klaus Müller an der Spitze gibt zu, dass die Stromversorgung in Deutschland nur gewährleistet ist, wenn innerhalb der kommenden zehn Jahre zusätzliche sogenannte „steuerbare Kapazitäten“ im Volumen von 35 Gigawatt errichtet werden.
Ohne Kernkraft und ohne neue Kohlekraftwerke kann die Versorgungssicherheit in Deutschland also nur gesichert werden, wenn in den kommenden zehn Jahren 71 Gaskraftwerke der großen 500-Megawattklasse gebaut werden. Ein einziges solches großes Gaskraftwerk kostet um die 700 Millionen Euro. Es wären also Investitionen in Höhe von knapp 50 Milliarden Euro nötig – in zehn Jahren.
Obwohl nun auch die grün geführte Bundesnetzagentur den Bedarf an sehr, sehr vielen neuen Gaskraftwerken bestätigt, haben die grüne Partei und sogenannte „NGOs“ wie die Deutsche Umwelthilfe einen, Zitat: „Herbst des Klimawiderstands“ dagegen angekündigt.
Zwei weitere Probleme sind akut.
Erstens: Bisher verbietet die EU-Kommission Deutschland die Subventionierung neuer Gaskraftwerke. Bleibt es dabei, gibt es keine andere Möglichkeit, als die Laufzeit der bestehenden Kohlekraftwerke erheblich zu verlängern.
Zweitens: Der grüne Ex-Wirtschaftsminister Robert Habeck hatte vorgesehen, den Betreibern neuer Gaskraftwerke nach einiger Zeit den Umstieg von Gas auf Wasserstoff vorzuschreiben. Weltweit wird aber immer noch sehr wenig Wasserstoff hergestellt, und die Produktion stagniert. Deshalb finden sich kaum Investoren für neue Gaskraftwerke in Deutschland.
Die Bundesregierung will nun auf die Wasserstoff-Pflicht verzichten. Dagegen hat der linke Flügel der SPD aber schon Widerstand angekündigt. Die Grünen applaudieren ihren Geschwistern im Geiste dazu.
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Die Dunkelflaute ist hässlich, und sie hat eine genauso hässliche Schwester: die „Hellbrise“.
So nennt man Wetterlagen mit viel Wind und viel Sonne. Da laufen Wind- und Solaranlagen natürlich auf Hochtouren und erzeugen Strom ohne Ende – aber leider eben auch ohne jede Rücksicht darauf, ob der überhaupt gerade gebraucht wird.
Im Ergebnis wird bei schönem und windigem Wetter sehr oft viel mehr Strom produziert, als verbraucht wird. Das, siehe oben, überlastet das Stromnetz. Windräder lassen sich in diesen Fällen zumindest per Fernsteuerung zentral von den Netzbetreibern abschalten. Nicht so Solaranlagen, vor allem nicht die vielen privaten PV-Kacheln auf den Dächern. Die erzeugen munter weiter Strom, solange die Sonne scheint, und speisen den ins Netz ein – egal, ob er gebraucht wird oder nicht.
Wenn das passiert, kann ein Kollaps des Stromnetzes wegen der zeitweisen Überproduktion nur durch einen sogenannten Lastabwurf („Brownout“) verhindert werden: durch die gezielte Absenkung der Spannung im Stromnetz zum Schutz vor Überlastung. Dabei ist der Strom nicht komplett weg, aber die Spannung ist reduziert. Das führt dazu, dass die meisten elektrischen Geräte nicht richtig funktionieren oder sich gleich selbst abschalten.
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Durch die Energiewende haben wir also riesige steuerbare Kapazitäten abgebaut – und gleichzeitig immer mehr nicht steuerbare Kapazitäten ans Netz gekoppelt, die ihrerseits immer mehr steuerbare Kapazitäten als Backup benötigen.
Im Ergebnis haben wir unsere Stromerzeugung so unsicher gemacht, dass im angeblich hochindustrialisierten Deutschland jetzt sowohl in Dunkelflauten als auch in Hellbrisen Stromsperren wahrscheinlich sind.
Ein Land ohne Stromsicherheit und mit explodierenden Energiekosten hat im internationalen Wettbewerb keine Chance. Haben wir denn durch unseren energiepolitischen Suizid zumindest das Klima gerettet? Leider nein.
China emittiert an einem Tag so viel CO2, wie Deutschland durch das Heizgesetz in sechs Jahren einspart. Die „Energiewende“ bei uns hilft dem Weltklima Nullkommanull. Aber immerhin konnte man durch sie ein einstmals blühendes Industrieland ruinieren.
Ist ja auch was.