Die Ampel versinkt im Chaos: Warum gibt es nicht einfach Neuwahlen?

vor 6 Monaten

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Journalisten haben es einfach: In Berliner Regierungskreisen wird über Neuwahlen im Frühjahr 2025 spekuliert, kann man als Reporter in diesen Tagen problemlos aufschreiben oder kommentieren. Es stimmt, und natürlich werden auch konkrete Szenarien für mögliche Neuwahlen durchgespielt, die einen Urnengang im Bund wahlweise (kleines Wortspiel am Rande) am 2. März, dem Tag der Wahlen für die Hamburger Bürgerschaft oder eine Woche später am 9. März kommenden Jahres vermuten.

Die Gerüchte um einen Bruch der Ampel-Koalition verstummen nicht.

Kleines Problem: Die Ampel-Regierung ist noch gar nicht zerbrochen, sodass noch kein Mensch wissen kann, ob und wann es Neuwahlen gibt. Aber öffentlich spekulieren kann man selbstverständlich, denn es liegt beim endlosen Gezerre der Bundesregierung und dem ewigen Streit der drei Parteien durchaus in der Luft. Doch es ist auch aus einem anderen Grunde für Journalisten leichter, solche Themen aufzugreifen: Über Neuwahlen zu sprechen ist einfacher, als sie herbeizuführen. Die Autoren des Grundgesetzes wollten gerade nicht, dass sich das Parlament nach Belieben auflösen oder aufgelöst werden kann. Die Hürden dafür sind hoch, um die Bürger nicht – wie ehedem in den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts – durch immer neue Stimmabgabe zu zermürben.

Das Grundgesetz sieht zwei Varianten vor. Gemäß Artikel 63 kann der Bundespräsident den Bundestag auflösen, wenn ein Kanzlerkandidat in einem neu gewählten Bundestag binnen vierzehn Tagen keine Mehrheit bekommt und auch kein anderer Anwärter gewählt wird. Theoretisch möglich wäre bei diesem Szenario allerdings auch, dass der Bundespräsident den Kanzler innerhalb von sieben Tagen trotzdem ernennt. Dieser Minderheitskanzler könnte dann zumindest aus dem Amt versuchen, eine Regierung auf die Beine zu stellen oder das Land gewissermaßen im Notbetrieb zu verwalten.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier

Die andere Möglichkeit nach Artikel 68 Grundgesetz sieht vor, dass der Bundeskanzler nach einer verlorenen Vertrauensfrage den Bundespräsidenten um die Auflösung des Bundestags bitten kann. Der Bundespräsident kann dem entsprechen und innerhalb von 21 Tagen das Parlament auflösen. Der Bundespräsident kann sich innerhalb dieser Frist allerdings auch bemühen, etwa durch Absprache mit den Parlamentsparteien, Mehrheiten für einen anderen Kandidaten zu finden. Wird dieser gewählt, geht alles seinen normalen, parlamentarischen Gang. Gelingt es nicht, müssen innerhalb von sechzig Tagen nach der Auflösung Neuwahlen stattfinden.

Wichtig ist allerdings, dass es nicht ausreicht, dass alle Parteien im Bundestag und die beteiligten Politiker gewissermaßen keine Lust mehr haben und die Auflösung wollen. Das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach festgestellt, dass eine ernsthafte politische Blockade des Regierungsbetriebs vorliegt. Das wunschgemäße Herbeiführen von Neuwahlen wollten die Verfassungsväter ausdrücklich nicht. Deshalb wurde auch das Vorgehen von Kanzler a.D. Gerhard Schröder (SPD) nachträglich gerügt, der sich bewusst per Absprache bei einer Vertrauensfrage im Jahr 2005 durchfallen ließ.

Christian Lindner beim wöchentlichen Kabinettstisch.

Ob es tatsächlich im Frühjahr 2025 zu Neuwahlen kommt, ist derzeit noch völlig ungewiss. Vieles spricht dafür, dass alle drei Regierungsparteien bei vorgezogenen Wahlen deutlich schlechter abschneiden würden als 2021. In der FDP argumentieren allerdings etliche Strategen, dass die Liberalen beim vorzeitigen Verlassen der Ampel im nächsten Wahlkampf für sich in Anspruch nehmen könnten, glaubhaft gegen rot-grüne Politik zu stehen. Allerdings müsste Kanzler Olaf Scholz (SPD) ohne eigene Mehrheit nicht zwangsläufig zurücktreten, sondern könnte mit einer Minderheitsregierung aus SPD und Grünen weitermachen. Die verbleibenden Minister würden dann zusätzlich die Ressorts der FDP-Kollegen übernehmen.

Sollte das allerdings vor der Verabschiedung des Haushalts für 2025 geschehen, so könnten die Ministerien lediglich so viel ausgeben, wie im laufenden Jahr und würden im Rahmen der sogenannten vorläufigen Haushaltsführung pro Monat ein Zwölftel des Etats von 2024 zugeteilt bekommen. Neueinstellungen, und neue Verträge, die Kosten verursachen etc., wären dann nicht möglich.

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