
Ein Gastbeitrag von Peter Kurth
Ein Ergebnis der Bundestagswahl verdient eine intensivere Analyse: In den sogenannt neuen Bundesländern – inklusive Ost-Berlin – hat die Union nicht einen einzigen Wahlkreis mehr gewonnen. Die AfD ist inzwischen dort ziemlich genau doppelt so stark. In Westdeutschland erreicht die Union mehr als 30 Prozent, im Osten nicht mal mehr 18 Prozent.
Die CDU war mal stolz auf das Attribut: „Partei der deutschen Einheit“. Das ist vorbei. Die Wahlergebnisse zeigen sehr klar, dass die Trennung wieder zunimmt. Die Einheit in den Köpfen – wenn es die je gegeben hat – droht verloren zu gehen.
So lange ist es noch nicht her, dass etwa in Thüringen und Sachsen bei Landtagswahlen die Union über 50 Prozent der Stimmen holte und die Konkurrenz chancenlos hinter sich ließ. Was wohl die längst verstorbenen Ausnahmepolitiker Kurt Biedenkopf und Bernhard Vogel zu dem Desaster ihrer Partei im Osten sagen würden? Beide Politiker – intellektuell brillant – hatten Freude am politischen Diskurs und Zuneigung zu den Menschen dazu. Hätten sie es für eine überzeugende Lösung gehalten, 30 bis 40 Prozent der Menschen in ihren Bundesländern hinter eine Brandmauer auszugrenzen? Wohl kaum.
Die ehemaligen und inzwischen verstorbenen thüringer CDU-Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf (links) und Bernhard Vogel
Unionspolitiker in den neuen Bundesländern (Amthor, Voigt, Kretschmer) haben zwar den Wechsel vom Hör- in den Plenarsaal beeindruckend reibungslos geschafft, stehen aber gerade nicht für die Fähigkeit und die Freude an der Debatte mit Andersdenkenden.
Die CDU im Übrigen verkündet als Strategie gegen die AfD, man werde nun die offenkundigen Probleme des Landes lösen (als ob das nicht ohnehin der Arbeitsauftrag an gewählte Politiker ist). Schön, wenn das gelingt, aber genügen wird es nicht. Das Problem geht inzwischen deutlich tiefer. Ein immer größerer – und nach Umfragen weiter steigender – Teil der Bevölkerung nimmt seit Jahren wahr, dass auf abweichende Meinungen mit Ausgrenzung, Ächtung und Brandmauern reagiert wird.
Eine Mehrheit der Menschen bekundet bei Umfragen, man müsse inzwischen vorsichtig sein, was man überhaupt äußere. Diese Menschen gewinnt man nicht dadurch zurück, dass die wirtschaftliche Stagnation endlich überwunden wird und das Bürgergeld künftig Grundsicherung heißt.
Berlins Ex-Finanzsenator Peter Kurth
Und nun ein Behördengutachten, das geheim bleibt, aber wohl zu dem von der Dienstherrin gewünschten Ergebnis kommt. Vermutlich glaubt auch die Behörde nicht, dass das die Menschen, zumal in den neuen Bundesländern, beeindruckt (für die sich ja überwiegend eh nichts ändert, dort hatte die Partei den „gesicherten Status“ längst ). Man braucht wohl eine Grundlage für weitere Maßnahmen zur Ausgrenzung und Benachteiligung, der Erziehung der Bevölkerung.
Dass die Union das Attribut „Partei der Einheit“ verliert, ist nicht schlimm. Tragisch wird es, wenn der Einigungsprozess in Deutschland irreparabel beschädigt werden sollte. Wir sind ein Volk – mit dieser Botschaft sind die Menschen 1989 auf die Straße gegangen. Gilt das auch heute noch?