Die demokratiezerstörende Phrase von der „demokratischen Mitte“

vor etwa 9 Stunden

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Bildquelle: Tichys Einblick

Auf einem Fußballfeld gibt es die unterschiedlichsten Positionen. Torwart, Rechtsaußen, Linksaußen, Abwehr, Mittelfeld und Sturm. Ein gutes Team spielt diese Positionen miteinander und auf keinen Fall gegeneinander aus.

Das Grundgesetz mit dem Grundkonsens von 19 grundrechtlichen Artikeln und Grenzmarkierungen eröffnet ein großes politisch-gesellschaftliches Spielfeld. Dieses Spielfeld lässt unterschiedlichste Positionierungen zu. Der Rechtsaußen ist genauso demokratisch wie der Linksaußen, sofern die Seitenlinien nicht überschritten werden. Beide sind in keinster Weise undemokratischer als der Spieler, der genau auf dem Mittelpunkt steht.

Das Gerede von einer „demokratischen Mitte“ ist der beste Weg, die grundgesetzliche Weite zu zerstören. Die vermeintliche „demokratische Mitte“ errichtet auf dem Spielfeld eine Hackordnung, in der die machthabende Elite die Mitte definiert und alle anderen abwertet, je nachdem wie weit diese vom Mittelpunkt entfernt sind.

Es ist eine Torheit, wenn Felix Banaszak (Bundesvorsitzender GRÜNE) am Tage der Bundesverfassungsrichterwahl schreibt: „CDU und CSU haben sich heute aus der demokratischen Mitte unseres Landes verabschiedet. Man kann nur hoffen, dass sie den Weg zurückfinden.“ Wo von „demokratischer Mitte“ die Rede ist, da wird es kleinkariert und eng. Im Extremfall wird aus einem Fußballfeld eine Nadelspitze. Die Theologen haben im Mittelalter darüber gestritten, wieviele Engel auf einer Nadelspitze Platz haben. Heute streiten die mittelalterlichen Politiker darüber, welche Parteien auf der Nadelspitze „demokratische Mitte“ Platz haben. Und jeder, der offene Augen hat, sieht: Je substanzloser, hohler und inhaltsloser die Politiker, umso mehr passen auf eine Nadelspitze.

In dieser Woche hat sich die Corona-Impf-Aktivistin Frauke Brosius-Gelsdorf beworben; nicht für die Hauptrolle in einem Margot-Honecker-Spielfilm, sondern für das Bundesverfassungsgericht in einem öffentlichen Bewerbungsgespräch bei Markus Lanz. Auch sie spricht dort immer wieder von der „demokratischen Mitte“ und der „Mitte der Gesellschaft“, die selbstverständlich in ihrer Person das Zentrum hat. „Ich vertrete absolut gemäßigte Positionen aus der Mitte der Gesellschaft.“

„Demokratische Mitte“ – diese Phrase lässt die Menschen ehrfurchtsvoll erstarren. „Demokratie“ ist vielen ein Herzensanliegen. Und „Mitte“ hat auch ein hohes Ansehen, denn „in der Mitte liegt die Wahrheit“ (Johann Gottlieb Fichte). Doch auf dem gesellschaftlichen Spielfeld wird diese Phrase zerstörerisch: Ein Team, in dem viele Spieler lautstarkt die linksextreme Seitenlinie zum Mittelpunkt erklären, ein Team, in dem Spieler mit ehemals großem Namen zaghaft und verunsichert um den Mittelpunkt herumschleichen, ein Team, in dem die auf der rechten Seite auf die Ersatzbank verbannt werden, kann als Gesellschaft nicht erfolgreich sein.

Die Spielfeldabsteckung des Grundgesetzes wurde mühsam als Grundkonsens nach katastrophalen gesellschaftlichen Irrwegen errungen. Mit „demokratische Mitte“ geht diese mühsam erworbene Weite wieder verloren und eine selbsternannte arrogante Elite übernimmt das Kommando, schreibt vor, grenzt aus und diszipliniert die Mitspieler. Die „demokratische Mitte“ wird zu einem Konsens-Surrogat, das ein Miteinander in Vielfalt vortäuscht, doch in Wahrheit das Miteinander grundlegend zerstört. Die Axt wird an den bewährten weitherzigen Konsens des Grundgesetzes gelegt. Wenn die Aktivisten der „demokratischen Mitte“ mit ihren Äxten ins Bundesverfassungsgericht einziehen, dann kann uns nur noch ein Bürgertum retten, das die selbsternannte Nadelspitzen-Demokratie satt hat und sich mit einem lauten „Nein“ wehrt.

Genau dies ist die letzten Wochen passiert. Freie Brüger haben klar und laut ihre Stimme erhoben. Meine evangelische Amtskirche hat zwar ohrenbetäubend laut geschwiegen; sie hat eloquenten und intellektuell hochgezüchteten Grundrechtezuteilern wie Brosig-Gelsdorf wohl nichts mehr entgegenzusetzen. Aber ich freue mich, mit Tichys Einblick an der Gegenbewegung für die Weite des Grundgestzes teilhaben zu dürfen; und dass uns gemeinsam mit vielen Bürgern und Medienportalen zumindest hin und wieder beachtliche Erfolge gelingen. Gut wenn Christen, Andersgläubige, Agnostiker und Atheisten in dieser zentralen gesellschaftlichen Frage innerlich verbunden an einem Strang ziehen.

Dabei emfpinde ich es als Auszeichnung, wenn mich die Nadelspitzen-Demokraten als „rechten Mob“ bezeichnen, wie es Matthias Miersch, Fraktionsvorsitzender der SPD, getan hat. Ein Gruß an alle Mitspieler auf dem weiten Spielfeld der Demokratie, die um des Grundgesetzes willen verachtet werden und trotzdem weiterhin – gelassen, kämpferisch und selbstbewusst – das Spielfeld in seiner ganzen Breite und Tiefe nutzen.

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