Die deutsche Leitzkultur: Warum wir immer noch alles abheften, während Trump und Musk die Welt digital durcheinanderwirbeln

vor 2 Monaten

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Elon Musks Abteilung für Regierungseffizienz fahndet derzeit nach Fällen von Verschwendung öffentlicher Gelder – und wird in überreichem Maße fündig. Ein Moloch wird zerschlagen – und daran könnten sich andere Länder ein Beispiel nehmen.

Die Ställe des Augias aus der griechischen Mythologie, die Herakles auszumisten hatte, haben ihre Entsprechung in der Neuzeit gefunden: Elon Musk und seine Abteilung für Regierungseffizienz (Department of Government Efficiency, Abk. DOGE) forsten alle möglichen Behörden aus, die Geld verschwenden und Personal ineffektiv einsetzen. Was der Tech-Milliardär ins Werk setzt, ist nicht weniger als die irrste Bürokratiezerschlagung der Weltgeschichte.

Auf einer Pressekonferenz im Oval Office erklärte Musk, DOGE werde die Bundesbehörden mit dem „gesunden Menschenverstand“ kontrollieren und sicherstellen, dass das Geld der Steuerzahler künftig vernünftig ausgegeben wird: „Ihre Steuergelder müssen vernünftig für Dinge ausgegeben werden, die den Menschen wichtig sind ... Das ist einfach gesunder Menschenverstand. Es ist nicht drakonisch oder radikal.“

Ohne Haushaltskürzungen werde das Land angesichts des Defizits von zwei Billionen Dollar „auf den Bankrott zusteuern“. Washington habe keine andere Wahl, als die Bundesausgaben zu senken, sagte Musk. Darum käme man einfach nicht herum.

Elon Musk betont, dass ab jetzt der gesunde Menschenverstand das Handeln regiert.

So ist etwa die FEMA (Federal Emergency Management Agency, dt.: Bundesagentur für Katastrophenschutz), die dem US State Department of Homeland Security unterstellte Koordinierungsstelle für Katastrophenhilfe, ins Visier von DOGE geraten. Die für das Haushaltsjahr 2025 mit einem Budget von 65 Milliarden Dollar ausgestattete Behörde hat etwa in der Corona-Zeit 1,5 Milliarden Dollar „für das medizinische Personal eines Bundesstaates“ ohne ordnungsgemäße Prüfung ausgegeben – und 8,1 Milliarden Dollar für Kosten ausgegeben, die noch nicht als anrechenbar eingestuft werden können. 59 Millionen Dollar wurden für die Unterbringung von Migranten in Luxushotels in New York City ausgegeben. Die FEMA soll Steuergelder verschwendet, Gelder veruntreut und andere bundesstaatliche, staatliche und lokale Einsatzkräfte ohne Einsatzbefehl vor Ort gelassen haben.

Das Bildungsministerium hat 29 DEI-Ausbildungsstipendien im Gesamtwert von 101 Millionen US-Dollar gestrichen. Unter anderem sollten Lehrer darin ausgebildet werden, „Schülern dabei zu helfen, die komplexen Hintergründe der Unterdrückung zu verstehen bzw. zu hinterfragen und ihnen dabei zu helfen, Bereiche von Privilegien und Macht auf individueller und kollektiver Basis zu erkennen.“

Außerdem hat das Bildungsministerium 89 Verträge im Wert von 881 Millionen Dollar gekündigt. Verrückt: Ein Auftragnehmer erhielt 1,5 Millionen Dollar dafür, dass er in einem Postzentrum „Post- und Bürovorgänge beobachtete“. Verträge für „Asien-Pazifik – Sri Lanka: Koordinator für die Anpassung an den Klimawandel und die Widerstandsfähigkeit des Forstdienstes“ und Gelder für einen Workshop zum Thema „Interkulturelle Kommunikation – Diversity Dialog Circle – Kommunikation über Unterschiede hinweg“ wurden gestrichen.

Elon Musk sagte der versammelten Presse auch, dass die Regierung wichtige Unterlagen für den Ruhestand in einer umgebauten Mine aufbewahrt. Der „Iron Mountain“ ist eine Kalksteinmine in Pennsylvania. 60 Meter unter der Erde arbeiten 700 Mitarbeiter auf 31.000 Quadratmetern, um pro Monat etwa 10.000 Anträge auf Pensionierung von Bundesbediensteten zu bearbeiten – von Hand! Tausende von Akten werden von Kaverne zu Kaverne weitergereicht. Dieser Prozess kann mehrere Monate dauern, das hängt von der Geschwindigkeit ab, mit der sich der Aufzug bewegt. Ein Bericht aus dem Jahr 2021 zeigt, wie die Regierung jahrzehntelang versuchte (und damit scheiterte), den Prozess zu digitalisieren. 106 Millionen Dollar später und ohne Erfolg beschloss die Regierung, den alten Prozess, der 1977 eingeführt wurde, beizubehalten.

Tief unter der Erde lagern in einer alten Mine in Pennsylvania zahllose Akten.

Das Wort Bürokratie wurde von dem Franzosen Vincent de Gournay (1712–1759) geprägt und lässt sich übersetzen mit „Herrschaft der Verwaltung“. Entsprechend hat sich die Trump-Regierung vorgenommen, mit Musks Hilfe die Bürokratie wieder der Demokratie unterzuordnen. Folgender Punkte will sich DOGE laut Musk unter anderem annehmen:

Der Staat neigt dazu, sich selbst mit Steuergeldern zu mästen und aufzublähen, nicht nur in den Vereinigten Staaten. Viele Prozesse werden ewig beibehalten, statt sie zu modernisieren – man sägt nicht gern an dem Ast, auf dem man als Beamter sitzt.

Auch werden viele Gesetze, Regeln und Verordnungen erlassen, die den Menschen das Leben nicht leichter, sondern schwerer machen. Was in Amerika jetzt aufgedeckt wird, ist Deutschland nicht fremd. 2022 berichtete das Handelsblatt, dass hierzulande 1778 Bundesgesetze und 2821 Bundesverordnungen in Kraft seien. Sogar ein „Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetz“ gab es schon, und auch das Bürokratiemonster „Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz“ ist alles andere als hilfreich: Unternehmen mit mehr als 3000 Beschäftigten müssen sich zurzeit durch einen 400 (!) Fragen umfassenden Katalog des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle durchquälen und diese beantworten.

Einen Mann wie Elon Musk, der angekündigt hat, mit der Planierraupe durch den Bürokratiedschungel rollen zu wollen, wünschen sich auch in Deutschland alle, die Vorschriften und Auflagen allerorten erfüllen müssen, alles muss dokumentiert und aufbewahrt werden. Niedergelassene Ärzte etwa verbringen einen Tag pro Woche nur mit Papierkram. 2024 betrugen die jährlichen Bürokratiekosten der Wirtschaft rund 67 Milliarden Euro. Das Münchener ifo-Institut bezifferte die Bürokratiekosten 2024 sogar auf jährlich 146 Milliarden Euro Wirtschaftsleistung und stellte fest: „Die bürokratische Last blockiert nicht nur Innovationen, sondern gefährdet die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands.“

In Deutschland ist die Bürokratie gewissermaßen ein gewachsenes Kulturgut. Ständig wird der Bürger aufgefordert, Schreiben aufzuheben. Die Aufbewahrungsfristen sind absurd: Versicherungsverträge sollten für die Dauer der Laufzeit aufbewahrt werden, Steuerunterlagen bis zum Erhalt des Steuerbescheids – sicherheitshalber auch länger. Bankunterlagen und Kontoauszüge sollten drei Jahre aufbewahrt werden. Kreditunterlagen sogar zehn Jahre. Geschäftsunterlagen für Gewerbetreibende sechs bis zehn Jahre. Persönliche Dokumente wie Ausweise und standesamtliche Unterlagen müssen sogar ein Leben lang aufbewahrt werden, wie auch Dokumente zu Immobilienkäufen (Kaufvertrag, Grundbuchauszüge). Auch alles in Bezug zur Rente und Sozialversicherungen sowie Gehaltsabrechnungen und Nachweis von Eigentum sollten immer aufbewahrt werden.

Und wie werden all die ach so wichtigen Dokumente aufbewahrt? Na, im Aktenordner – im Sprachgebrauch noch besser bekannt unter dem Namen Leitz-Ordner. Die Erfindung von Louis Leitz Ende des 19. Jahrhunderts. Leitz ist schon länger als 100 Jahre tot, aber sein Ordner hat ihn bis heute überlebt – und wird vorerst auch nicht ersetzt, allem Gerede von der Digitalisierung zum Trotz. Die Entwicklung digitaler Speichergeräte ist so rasant, dass eine Technologie schnell von einer anderen abgelöst wird – und Papier hält sich lange.

Klassiker: Der Leitz-Ordner wurde seit 1896 kaum verändert.

So wird der Ordner der Firma Leitz, die heute zum US-Büroartikelkonzern Acco Brands gehört, wohl noch lange in Zig-Millionen-Stückzahl produziert, auch wenn der Boom der 1980er-Jahre wohl nicht mehr getoppt werden dürfte. Bis auf das bekannte Griffloch ist das Originalmodell von 1896 kaum modifiziert worden. Ironischerweise bietet die Firma, die einst mit ihrer Erfindung das Aktensammeln mehrheitsfähig machte, ihren Kunden mittlerweile auch das Gegenstück an: elektrische Aktenvernichter.

Tatsache ist, dass die Zahl der Stellen im öffentlichen Sektor in Deutschland seit 2010 stark angestiegen sind, der Moloch Bürokratie nährt sich selbst und verschlingt erhebliche Summen. In Argentinien rückt ihm derweil Präsident Javier Milei zu Leibe, er streicht zusammen, was nicht gebraucht wird, und verringert die Staatsausgaben. Trump und Musk haben gerade erst damit begonnen. Die Bundesregierung hat bisher nur zaghafte Maßnahmen ins Visier genommen, dazu gehören kürzere Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege, die Abschaffung der Meldepflicht in Hotels, digitale Steuerbescheide und Arbeitsverträge.

Von Kettensäge oder Planierraupe kann da keine Rede sein. AfD-Chefin ist den Aufräumern Argentinien und den USA da deutlich näher. Sie warnte kürzlich vor der „teuren und korrupten“ Bürokratie in Deutschland. Mit Blick auf die EU-Beamten sagte sie: „Die sollen sich alle vernünftige Jobs suchen, damit sie wissen, wie es sich anfühlt, zu arbeiten und Steuern zu zahlen. Und vielleicht könnten sie dann nachvollziehen, welche Politik wir wollen.“Die Tippelschritte zum Abbau der Bürokratie in Deutschland wirkt im Vergleich mit der Offenlegung des Sumpfes in den Vereinigten Staaten lachhaft. DOGE hat das Potenzial, die Welt zu verändern. Weitere Staaten der freien Welt werden sich der Radikalkur, die Milei und Trump ihren Ländern verordnen, früher oder später anschließen, weil die Bürger es satthaben, sich mit 1001 Vorschriften gängeln zu lassen und dafür auch noch mit ihrem sauer verdienten Geld zu zahlen.

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