Die drei entscheidenden Worte: Wie die Grünen „Klimaneutralität 2045“ zum Staatsziel erklären

vor etwa 1 Monat

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Es sind nur drei Worte, doch es sind die Entscheidenden, die der deutschen Wirtschaft wie ein Mühlstein am Hals hängen könnten: „in Verbindung mit“.

Wo hätte man in der Debatte um das am Dienstag beschlossene Schuldenpaket zuerst hinschauen sollen? Auf die gigantische Schuldensumme von bis zu 1,8 Billionen Euro (1.800.000.000.000 Euro), auf die Tatsache, dass diese Schuldenberge mithilfe einer Grundgesetzänderung noch im alten, abgewählten Bundestag im Eilverfahren durchpeitscht worden sind oder dass nun im Grundgesetz steht, dass 100 der 500 Milliarden Euro Sondervermögen „für zusätzliche Investitionen zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2045“ vorgesehen sind?

Letzteres hat einen juristischen Streit ausgelöst, ob und inwiefern diese Worte, die nun – so denn der Bundesrat am Freitag zustimmt – im Grundgesetz stehen werden, das Ziel der Klimaneutralität schon für das Jahr 2045 zum Staatsziel erklären könnten und daraus, durch entsprechende Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts heftige Einschränkungen für die Wirtschaft und Industrie die Folge sein könnten.

„Mitnichten“, hatte der CDU-Politiker Philipp Amthor in einem Gastbeitrag in der Welt Entwarnung geben wollen, denn weiter schreibt er: „Geregelt wird keine neue Staatszielbestimmung, sondern lediglich eine Zweckbestimmung für den Staatshaushalt.“ Die Grüne Partei scheint eine andere Rechtsauffassung zu haben, wie sie im Deutschen Bundestag offenbarte.

Friedrich Merz sieht in der Formulierung kein neues Staatsziel.

CDU-Chef Friedrich Merz konnte, als er in der Bundestags-Debatte ans Pult trat, noch nicht wissen, dass Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann die entscheidenden Worte „in Verbindung mit“ sagen würde.

Deshalb wohl sagte Merz gleich zu Beginn seiner Rede, dass der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen, seit mehr als 30 Jahren in Artikel 20a des Grundgesetzes ein Verfassungsauftrag sei. Wörtlich Merz weiter: „Das Bundesverfassungsgericht hat im Frühjahr 2021 eine Entscheidung getroffen, dass darunter auch Klimaschutz und Klimaneutralität zu verstehen ist.“ Wenn nun also das Wort „Klimaneutralität“ in einem hinteren Teil des Grundgesetzes auftauche, so sei es falsch über ein neues Staatsziel zu sprechen. Merz wörtlich: „Es gibt hier keine Veränderung der Grundlagen unserer Verfassung in dieser Frage.“

Was Merz hier auslässt: Das Bundesverfassungsgericht hat 2021 zwar den Klimaschutz mit dem grundrechtlich gebotenen Schutz vor den Gefahren in Verbindung gebracht und Klimaneutralität als einzig geeignetes Schutzkonzept benannt, jedoch ohne einen festen Zeitpunkt, eine Zielzeit oder eine Jahreszahl.

Die Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann

Eine solche Jahreszahl – 2045 – soll nun jedoch im Grundgesetz stehen und das greift Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann natürlich dankbar auf: Sie spricht von einer „Verankerung der Klimaneutralität bis 2045 bei Investitionen in Verbindung mit dem 20a zu Lebensgrundlagen“ und bezeichnet dies als „eine entscheidende Veränderung, die wir (die Grünen, d.Red.) erreicht haben“.

Es sind die entscheidenden Worte: „in Verbindung mit“.

Es ist der Plan der Grünen Partei, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2021, das die Klimaneutralität an sich zum Staatsziel erklärt hat, mit der dann im Grundgesetz verankerten Ziel-Jahreszahl „2045“ untrennbar zu verknüpfen und ebenfalls zum Staatsziel zu machen. Noch ist das nur die Rechtsauffassung der Grünen Partei, die erst durch eine Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts seine Wirkung entfalten würden. Im Umfeld der Grünen Partei gibt es jedoch zahlreiche Gruppen, Verbände und sogenannter NGOs, die zu Klagen bereit sind.

Der Verfassungsrechtler Prof. Josef Franz Lindner (Uni Augsburg) bezeichnet diese drei Worte als „Zauberformel“ und schreibt bei X weiter: „Nur einigermaßen blauäugige CDU-CSU-Leute erkennen nicht, welche politische und verfassungsrechtliche Wucht die Zahl 2045 entfalten wird.“

Prof. Dr. Josef Franz Lindner vom Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Medizinrecht und Rechtsphilosophie.

Weiter schreibt Lindner:

„Die Grünen haben ,Klimaneutralität 2045‘ im Text des Grundgesetzes durchgesetzt, weil sie genau wissen, dass es einen entscheidenden Unterschied macht, ob es ,nur‘ im Gesetz oder in der Verfassung selbst steht. Sie und insbesondere auch NGOs haben damit nicht nur einen gewaltigen politischen Hebel (,steht doch im Grundgesetz, deshalb müssen wir jetzt sofort und in aller Konsequenz....‘, Demos ,2045 ist jetzt‘), sondern auch einen erheblichen juristischen Ansatz, aus ihrer Sicht unzureichenden Klimaschutz gerichtlich zu beanstanden, nicht nur beim BVerfG, sondern zB auch verwaltungsgerichtlich. Es ist angesichts der bisherigen dogmatischen Weiterentwicklungsfreudigkeit des BVerfG fernliegend zu glauben, Art. 143h GG bleibe dauerhaft auf eine rein finanzverfassungsrechtliche Zweckbindungsfunktion beschränkt.“

Auch Thorsten Alsleben, ehemaliger Chef der Mittelstandsvereinigung der CDU und nun Geschäftsführer der Lobbyorganisation „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ (INSM), erkennt in Haßelmanns Worten eine Ernennung der „Klimaneutralität 2045“ zum Staatsziel: „Es geht also um mehr als nur um eine Zweckbindung für Schulden“, schreibt er bei X.

Der Jurist und Publizist Prof. Dr. Arnd Diringer pflichtet Alsleben bei: „War klar, dass das genau so gesehen wird. Aber schön, dass das so offen kommuniziert wird. Jetzt muss es nur noch die Union verstehen (wollen).“

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