„… die ersten Schritte zu den Gaskammern“: Historiker vergleicht im Deutschlandfunk die AfD mit der NSDAP

vor 5 Tagen

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Der deutsche Historiker Thomas Weber von der Universität Aberdeen versteigt sich im Interview mit dem Deutschlandfunk zu der Behauptung, die AfD nähere sich „rasant schnell der historischen NSDAP der 20er-Jahre an“ und raunt von Gaskammer-Äußerungen ungenannter Auschwitz-Überlebender. Doch dieser und ähnliche Nazi-Vergleiche sind an den Haaren herbeigezogen.

Wie soll man mit der AfD umgehen? Ist die „Brandmauer“ das richtige Mittel, obwohl sie nur dazu geführt hat, dass die Partei nun nach neuesten Umfragen deutschlandweit vorn liegt? Oder ist es undemokratisch, sie auch im Bundestag auszugrenzen, der AfD etwa den ihr laut Geschäftsordnung zustehenden Posten eines Vizepräsidenten zu verweigern und sie von Ausschussvorsitzen fernzuhalten?CDU-Politiker wie Jens Spahn, Michael Kretschmer und Johann Wadephul bezweifeln das inzwischen (NIUS berichtete). Andere setzen weiterhin darauf, die AfD in die Nähe der Nationalsozialisten zu rücken, um die Ausgrenzung zu rechtfertigen und den Wählern zu suggerieren, eine Stimme für die AfD sei eine Stimme für eine Art Viertes Reich. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst etwa bezeichnete sie als „Nazi-Partei“, und Altbundespräsident Christian Wulff sagte bei einer Gedenkveranstaltung in Buchenwald: „Aufgrund der Verrohung, der Radikalisierung und eines weltweiten Rechtsrucks kann ich mir inzwischen, und das macht mich beklommen, deutlich vorstellen, wie das damals geschehen konnte.“

Womit er zum Beispiel Trump, Meloni, Le Pen, Wilders und andere nicht-linke Politiker in die Nähe des Nationalsozialismus rückte. Auch Jens-Christian Wagner, Leiter der Stiftung KZ-Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, sagte, sicherlich sei die AfD „keine NSDAP 2.0. Wenn man das behaupten würde, würde man es sich zu einfach machen. Aber es gibt Parallelen.“

Ins Konkrete gehen solche Anschuldigungen nie, dennoch hat der ständige Vergleich (nicht die Gleichsetzung, wie man treuherzig betont) der AfD mit der NSDAP Methode: Wer mit dem Gedanken spielt, die Opposition zu wählen, denkt gleich Hitler und die Seinen mit und bekommt vielleicht Gewissensbisse.Der Deutschlandfunk lässt sich da nicht lumpen. War es im vergangenen Jahr der Historiker Norbert Frei („Vergleiche zwischen NSDAP und AfD drängen sich geradezu auf“), der sich schon durch den Begriff „Remigration“ ans Dritte Reich erinnert fühlte, so ließ man eben den Historiker Thomas Weber einen Vergleich zwischen der AfD im Bundestag und der NSDAP in der Weimarer Republik ziehen. Es gehe nicht um eine Eins-zu-eins-Gleichsetzung, aber: „Die AfD nähert sich im Moment rasant schnell der historischen NSDAP der 20er-Jahre an“, meint der Historiker, der im schottischen Aberdeen Geschichte und Internationale Politik lehrt.

Er führt das nicht näher aus und wird auch nicht danach gefragt, erwähnt im Interview aber später im Zusammenhang mit der hanebüchenen „Geheimplan“-Story von Correctiv Punkt 8 des 25-Punkte-Programms der NSDAP von 1920. Wörtlich steht dort: „Jede weitere Einwanderung Nicht-Deutscher ist zu verhindern. Wir fordern, dass alle Nicht-Deutschen, die seit 2. August 1914 in Deutschland eingewandert sind, sofort zum Verlassen des Reiches gezwungen werden.“

Thomas Weber schrieb Bücher über Hitler und den Weg der Nazis an die Macht.

Eine solche oder auch nur ähnliche Forderung findet sich zwar nirgends in einem AfD-Programm, und ist nicht einmal von Rechtsaußen Björn Höcke überliefert, aber im selben Zusammenhang sagte Weber t-online in einem Interview im vergangenen Jahr, „dadurch, dass sich die AfD von der radikalen Version der Remigrationsforderungen des Potsdamer Treffens distanzierte, näherte sie sich – vielleicht ohne dies selbst zu merken – dem Parteiprogramm der NSDAP an.“ Ein mehr als rätselhafter Satz, und im Interview mit Deutschlandfunk Kultur geht Weber sogar noch einen Schritt weiter:„Ich habe gerade Interviews mit Auschwitz-Überlebenden durchgeführt. Die haben mich darauf hingewiesen, dass sie in dem Verhalten der AfD die ersten Schritte zu den Gaskammern sehen. Damit mögen sie recht oder unrecht haben, aber da sollten wir schon genau hinhören, wenn Auschwitz-Überlebende so etwas sagen.“

Hier hätte der Hörer gern mehr erfahren, doch Weber erläutert die ungeheuerliche Behauptung nicht näher, und die Interviewerin gibt sich mit der bloßen Behauptung zufrieden. Welcher Auschwitz-Überlebende hat den Aufstieg der Nazis noch miterlebt? Welches Verhalten der AfD ist gemeint? Wem gegenüber? Und was sollten „die ersten Schritte zu den Gaskammern“ sein?

Weber selbst ist Autor des Buches „Als die Demokratie starb: Die Machtergreifung der Nationalsozialisten“, sollte also wissen, wovon er spricht. Die vermeintlichen Parallelen bleiben jedoch immer im Vagen. Die NSDAP habe vor hundert Jahren im Reichstag auch Vizepräsidenten stellen dürfen, ab 1932 sogar mit Hermann Göring den Präsidenten, zugleich aber habe sie sich als Opfer und „nicht nur als Gegner der Demokratie, sondern als Verwirklicher des wirklichen Wählerwillens, der wahren Demokratie dargestellt.“

Hermann Göring (rechts oben) war Reichstagspräsident – ein Grund, der AfD heute einen Vize-Posten im Bundestagspräsidium zu verweigern?

Das überrascht, war die NSDAP doch mit der erklärten Absicht angetreten, die Weimarer Republik zu zerschlagen – wozu sie auch ihre paramilitärischen SA-Trupps einsetzte – und die Parteien aus dem Reichstag „hinauszufegen“. Weber meint auch, die AfD machen zu lassen, dann werde sie sich selbst entzaubern, würde „denselben Fehler wie 1933“ bedeuten. „Radikale und Extremisten an der Macht inszenieren sich noch jahrelang als Opfer und werfen alles ihren Vorgängern dann vor, dem Deep State, dem Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk oder, genau: Sendern wie dem Deutschlandfunk.“

Dass die AfD mit dem, was den Nationalsozialismus ausmachte – vom Führerprinzip über den Rassenwahn bis hin zur Kriegslüsternheit und extremen Gewalt –, nichts zu tun hat, spielt weder für Demonstranten, die „AfD wählen ist so 1933“ auf ihre Plakate pinseln, noch für so manchen Historiker, Politiker oder Medienschaffenden eine Rolle, Hauptsache, man vergleicht den Zustand der Weimarer Republik vor einem Jahrhundert mit der krisengeschüttelten Bundesrepublik von heute und warnt vor der „Gefahr für die Demokratie“.

Wer den Tiger reite und sich mit der AfD einlasse, wie die CDU-Schwesterpartei in den Niederlanden mit Geert Wilders‘ Partei für die Freiheit, werde „runtergeworfen“, es gebe keinen Grund, die AfD im Bundestag normal zu behandeln, 80 Prozent hätten „für die liberale Demokratie gestimmt“, und die Rechtspartei zählt Weber zu den Feinden derselben. Wir leben in einem „Weltkrieg der Desinformation und der Demagogie“, so der Historiker, wobei dieser natürlich nur von den Feinden der liberalen Demokratie ausgehe.

Vor der Bundestagswahl schreckte Weber im Interview mit der Schweizer News-Plattform Watson nicht davor zurück, die AfD, den Islamische Staat (IS) und Wladimir Putin gemeinsam zu unterstellen, sie hätten „durch Desinformation, geschickte Demagogie und Infiltrationsaktionen ein Theater der Angst zur Migration errichtet“. „Weiten Teilen der Medien, der Politik und der Wissenschaft“ warf er „kollektives Versagen“ vor, sie hätten „ungewollt öffentliche Unruhen und Panik“ geschürt und sich zu „nützlichen Idioten der AfD, des IS und Putins“ gemacht.

Sein Interview mit dem Deutschlandfunk verbreitete Thomas Weber übrigens auf der Plattform X, indem er einen Beitrag des „Zentrums für politische Schönheit“ repostete, eines Künstler-Kollektivs, das AfD-Politiker gewohnheitsmäßig mit NS-Verbrechern gleichsetzt und sich zuletzt stark auf die CDU einschoss und Friedrich Merz mit Alice Weidel auf einer Fotomontage als „Team Hitler“ darstellte. So kann man seinen Ruf als seriöser Historiker auch beschädigen.

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