
Er gilt laut Umfragen als beliebtester Politiker der Bundesrepublik und wird hinter vorgehaltener Hand als mögliche Alternative zum Kanzlerkandidaten Olaf Scholz (SPD) betrachtet. Dabei übernimmt Boris Pistorius (SPD) ein schwieriges und gerade in Zeiten des Ukraine-Krieges oft kritisiertes Amt – das Verteidigungsministerium.
NIUS hat Experten befragt, die Antworten liefern auf die Frage: Wieso ist Pistorius so beliebt – trotz seiner unbeliebten Ukraine-Position?
Pistorius übernahm im Januar 2023 die Rolle des Verteidigungsministers. Seitdem gilt er als Befürworter von Waffenlieferungen an die Ukraine, die nun seit 1000 Tagen einen Verteidigungskrieg mit Russland führt. Immer wieder stellte sein Ministerium Waffenlieferungen bereit: ob Panzer, Haubitzen oder Munition – der Sozialdemokrat stellte dem sich verteidigenden Staat Militärgüter in Milliardenhöhe zur Verfügung. Bereits im September 2024 sah Pistorius den Einsatz von Marschflugkörpern auf dem Staatsgebiet Russlands als valide Option. „Das Völkerrecht lässt das zu“, sagte Pistorius. In einer Regierungsbefragung im Juni 2023 stellte der Verteidigungsminister klar: „Ein Einbruch unserer Unterstützung hätte fatale Folgen.“ Die Lieferung etwa des Patriot-Flugabwehrraketensystems leiste wichtige Beiträge.
Auch Putins Drohungen lassen den Obergefreiten eher kalt. „Putins Drohungen sind Putins Drohungen. Mehr muss man dazu nicht sagen. Er droht, wann immer es ihm beliebt, und lockt, wann immer er es für richtig hält“, ordnete Pistorius ein.
Von Pistorius stammt der mittlerweile intensiv diskutierte Satz: „Wir müssen bis 2029 kriegstüchtig sein.“ Dieser löste eine Debatte über die neu aufgesetzte Wehrpflicht aus.
Der Minister erfreut sich auch bei „der Truppe“ großer Beliebtheit. Hier zu sehen auf einer Panzerhaubitze 2000.
Während der Verteidigungsminister auf Waffenlieferungen und Wehrdienst setzt, sprechen sich die meisten Deutschen gegen Waffenlieferungen aus. Laut einer Umfrage von Ipsos aus dem September 2024 wollen 51 Prozent der Bevölkerung keine weiteren Waffenlieferungen an die Ukraine, 38 Prozent hingegen sind klare Unterstützer weiterer Militärhilfen für das vom Krieg geplagte Land.
Viele Deutsche haben Angst, immer weiter zur Kriegspartei zu werden und als mögliches Ziel des Kreml-Regimes zu gelten. Pistorius hingegen gehört zu den konsequenten Unterstützern von Waffenlieferungen, genießt aber dennoch große Beliebtheit.
Der deutsche Politikwissenschaftler Prof. Werner Patzelt erklärt gegenüber NIUS:
„Pistorius ist nicht wegen seiner Positionen so beliebt, sondern als Persönlichkeit. Nach drei Frauen, die an der Spitze des Verteidigungsministeriums nicht überzeugen konnten, strahlt Pistorius Identifikation mit seiner Aufgabe und Führungskraft aus. Dass sich aufgrund der Zeitumstände die Wertschätzung der Bundeswehr verbessert hat, kommt ihm auch zugute.“
Ob Pistorius aber – ohne Hausmacht in der SPD – politische Stürme wie einen Wahlkampf gut überstehen kann, sei eine offene Frage, so Patzelt.
Prof. Werner Patzelt
Der Chef des Meinungsinstituts INSA Hermann Binkert ordnet ein:
„Pistorius’ Vorgängerin Christine Lambrecht stand im Politiker-Ranking auf dem letzten, dem 20. Platz. Im ersten Politiker-Ranking nach seiner Ernennung zum Bundesverteidigungsminister im Januar 2023 landete Pistorius auf Platz 1, wo er bis heute steht. Es ist nicht der Waffenlieferant, der da bewertet wird, sondern der authentische Politiker, dem man vertraut.“
Die Bevölkerung habe Angela Merkels Eurokrisen-Politik auch mehrheitlich abgelehnt, ihr als Politikerin aber vertraut, so Binkert.
INSA-Chef Hermann Binkert
Holger Fuß, Journalist und Autor des Buchs „Vielleicht will die SPD gar nicht, dass es sie gibt“ teilt die Einschätzung:
„Pistorius scheint mir ein Typ zu sein, der direkt aus sich heraus spricht und agiert. Das darf man psychologisch nicht unterschätzen. Wir Menschen bewerten die Glaubwürdigkeit eines Menschen und wenn wir jemanden sehen, der authentisch ist, dann haben wir ein wohligeres Gefühl als bei einem gebremsten Scholz. Bei letzterem merkt man eine gewisse Künstlichkeit. Pistorius’ Gesamtausstrahlung vermittelt den Menschen eine Gesamtsicherheit, während beim Zögerer Scholz das nicht so wahrgenommen wird.“
Autor und Journalist, Holger Fuß
Pistorius sei eine andere Persönlichkeit als Scholz. Er sei nicht so apathisch von der Persönlichkeit – bei Scholz habe man das Gefühl, dass dieser keinen Zugang zu seinen Emotionen hat, so Fuß.
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