
Sehr geehrter Herr Hager, sehr geehrter Herr Dr. Himmler, wissen Sie, was ich am vergangenen Sonntag getan habe? Ihre Justiziare können Ihnen, also dem ARD- und dem ZDF-Intendanten, auf Nachfrage gern bestätigen, dass ich Ihnen meine abendliche Tätigkeit aufrichtig wiedergebe. Ich habe nach der Art und Weise, wie das ARD-Sommerinterview mit Alice Weide verlief, meine Rundfunkgebührenlastschrift gekündigt. Das ging sehr flott. Im Onlinebanking braucht es dafür keine drei Minuten. Seitdem gibt es technische Probleme bei der Übertragung von meinem Geld auf Ihre Anstaltskonten. Sie verstehen, obwohl Sie gern mal sagen, Sie verstünden viele an Sie herangetragene Mitteilungen nicht? Wie auch immer, diesen Vorfall werte ich in meinen Gremien selbstredend gründlich aus, kann aber nicht garantieren, dass ARD, ZDF und Deutschlandfunk so bald wieder ungestört an mein Geld kommen.
Ich muss vielleicht in die andere Richtung, also der Mehrheit der Leser gegenüber erst einmal begründen, warum ich bis zum 20. Juli 2025 überhaupt zu der gar nicht mehr so großen Gruppe der Rundfunkgebührenzahler gehörte. Ja, warum eigentlich? Die meisten Menschen, der Autor dieser Zeilen eingeschlossen, sind keine wandelnden Thesen. Ansichten über dieses und jenes bilden sich in Schichten heraus, die einander überlagern.
Bis 1989 lebte ich in einem Land mit Mietendeckel, einer personell sehr gut ausgestatteten Meldestelle mit Hauptsitz in Berlin und unter der Fuchtel von Herrschaftspersonen, die so fest an die Unfehlbarkeit ihrer Weltsicht glaubten, dass sie auch den 16 Millionen Insassen ihres Teilstaats keine Alternative dazu erlaubten. Auch wenn es so klingt, als würde hier ein Gleichheitszeichen gesetzt: Zwischen damals und heute gibt es durchaus handfeste Differenzen. Dazu gleich mehr. Liest man das aktuelle Interview mit der Diskriminierungsbeauftragten Ferda Ataman in der Zeit, dann bestand der Hauptfehler der SED darin, dass sie in ihrem Politbüro keine Frauenquote einführte.
Ganz ernsthaft, in einem wichtigen Punkt unterschied sich das Leben damals von der Bundesrepublik heute. Es gab ein Westfernsehen. Und das kam von öffentlich-rechtlichen Anstalten, zu denen Medienschaffende wie Luise Jochimsen gehörten, die für den WDR einen Lobpreisfilm über die vom Patriarchat befreiten DDR-Frauen drehte, dessen Protagonistinnen ausnahmslos die Staatssicherheit rekrutierte, wie sich später aus den Akten rekonstruieren ließ. Aber eben auch ein Lothar Loewe, ein Jürgen Engert und etliche andere. Beispielsweise die ARD-Redakteure, die heimlich von Siegbert Schefke gedrehte und in den Westen geschmuggelte Aufnahmen von der Montagsdemonstration am 9. Oktober 1989 entgegennahmen und für ein Millionenpublikum ausstrahlten.
Zweitens gehörte ich einmal – in einer ganz anderen und heute kaum mehr vorstellbaren Welt – zu den Kolumnisten von MDR Kultur, einer Welle, die damals seine politische Bandbreite noch etwas anders definierte als heute. Ich kenne außerdem eine Reihe von teils aktiven, teils ehemaligen Mitarbeitern in ARD und ZDF, die idealistische Ansichten vertraten und mitunter noch immer vertreten, beispielsweise, der öffentlich-rechtliche Rundfunk ließe sich retten, wenn er ungefähr das anbieten würde, was in den jeweiligen Staatsverträgen steht. Es mischten sich also Erinnerung, Nähe und Skepsis auf eine Weise, dass ich bis eben noch meinte: Zwangsbezahlanstalten passen zwar aus vielerlei Gründen nicht mehr in die Zeit. Aber da sie nun einmal aus historischen Gründen existieren, könnte man mit viel Mühe und Kernsanierung wenigstens einen Teil davon erhalten.
Das heißt, an manchen Tagen dachte ich so. An anderen anders. Vielleicht – ja, in Autorenköpfen geht es bekanntlich ambivalent zu – wollte ich auch einfach nur abwarten, bis mir die Öffentlich-Rechtlichen einen Anlass zur Zahlungskündigung bieten, der sich sehr viel schlechter wegargumentieren lässt als die allermeisten Programmbeschwerden.
Womit wir beim ARD-Sommerinterview vom 20. Juli wären. Wie Sie wissen, marschierte an dem Nachmittag, als das Interview auf einem Platz im Freien begann, auf der anderen Seite der Spree ein Krawalltrupp auf, unterstützt von einem Bus der Sekte „Zentrum für Politische Schönheit“, der per Drucklautsprecher das Regierungsviertel mit „Scheiß AfD“ beschallte und ein Gespräch zwischen ARD-Moderator Markus Preiß und Alice Weidel praktisch unmöglich machte. Vor allem verstanden die Zuschauer ab der zweiten Gesprächshälfte kaum noch etwas von den Antworten Weidels. Die Kamera der ARD zoomte immer wieder eifrig zu der Lärmriege auf der anderen Seite, und machte sie damit zur Neben- , zeitweise auch zur Hauptdarstellerin.
Moderator Preiß seinerseits wandte sich als Kommentator dieses kleinen Fernsehspiels mit anzüglichem Lächeln und der Bemerkung ans Publikum: „Frau Weidel sagt gerne mal, dass sie was nicht verstanden hat.“ Ich weiß, darüber amüsiert man sich nebenan im ARD-Hauptstadtstudio – wo man das Gespräch ohne jede Störung hätte aufnehmen können – ganz köstlich, genauso wie die linken Fußtruppen, die auf X ausharren, obwohl es sich um die Plattform eines kalifornischen Faschisten handelt.
Von diesen Leuten können Sie sich in Zukunft bezahlen lassen. Nach meiner Brieftasche brauchen Sie die Finger also gar nicht auszustrecken.
Ein paar Worte noch zum „Zentrum für Politische Schönheit“: Das Unternehmen errang 2019 eine gewisse Aufmerksamkeit, als es vor dem Reichstagsgebäude Stelen im Design von Lavalampen aufstellte, die angeblich die Knochenasche in Auschwitz ermordeter Juden enthielt. Seinerzeit fanden Georg Restle von ARD-Monitor, Sawsan Chebli und andere diese Aktion sehr großartig, couragiert und grimmepreiswürdig. Nur eine ganze Reihe von jüdischen Organisationen und Einzeljuden nicht, die in der Aufführung eine Störung der Totenruhe sahen. Ärger mit den üblichen Verdächtigen wusste der Tagesspiegel damals freilich schon klug zu antizipieren: „Wie bei jeder Aktion des ZPS werden Bedenkenträger sich getriggert fühlen.“
Womöglich gab dafür das vom „Zentrum für Politische Schönheit“ parallel angebotene „kleine Weihnachtspaket“ mit angeblicher Original-Auschwitz-und-Anderswo-Erde plus Poster und Postkarte für insgesamt 60 Euro den Ausschlag. Wie man weiß, reagieren ganz bestimmte Mitbürger auf alles Mögliche hochempfindlich, weshalb Deutschlands beliebteste Juden bekanntlich Herr und Frau Stolperstein heißen.
Auch 2025 steht wieder schöner Merch passend zur Aktion bereit, nämlich das Buch von ZPS-Chef Philipp Ruch mit dem Titel „Es ist 5 vor 1933“ für 16 Euro. Gegenüber mehreren Medien teilte Ruchs ZPS mit, jemand sei auf der Toilette gewesen und habe vergessen, im Bus „das Autoradio abzustellen“. Auch das hält man unter Wohlgesinnten für eine intellektuell funkelnde Pointe.
Der Bus mit den militärischen Lautsprechern, Herr Hager, Herr Dr. Himmler, stand im Halteverbot, der kleine als Demonstration etikettierte Brüllaufmarsch fand innerhalb der Parlamentsbannmeile statt. Mit einigen wenigen Polizeikräften an Ort und Stelle wäre es also gar nicht laut geworden. Die ARD hätte zweitens – da der Lärm ab Sonntag 15 Uhr nun doch herüberdrang – das Interview unterbrechen können, bis die Beamten das Spektakel beendeten. Oder ins Studiogebäude wenige Schritte nebenan umziehen.
Vor allem aber, und darauf kommt es in dieser kleinen Kündigungsschrift am meisten an, bieten Mikrofontechnik und IT heute alle Möglichkeiten, Störgeräusche so weit wegzufiltern, dass erstens der Interviewpartner die Fragen und zweitens der Zuschauer das Gespräch versteht. Es spielt überhaupt keine Rolle, ob die ARD an diesem Tag ein nach allen beliebigen Standards nicht sendefähiges Gespräch aus Inkompetenz oder böser Absicht ausstrahlte. Sie tat es, und unternahm nichts, um ihren Zuschauern die Antworten Weidels zugänglich zu machen.
Auch der Bericht über das eigene Interview später in der Tagesschau wurde in der ARD mit dem groß ins Bild gesetzten „Protest“ statt mit einer Aussage der AfD-Chefin aufgemacht. Der Schreiber dieser Zeilen interessiert sich weder für das Vorabendprogramm noch die Tatorte und anderes aus der ARD-ZDF-Kiste, aber als politischer Autor und Journalist für die Aussagen eines Politikers oder eine Politikerin im Interview. Hier geht es ausdrücklich nicht um die Frage, wie ein einzelner Zuschauer zu der interviewten Person steht.
Lässt sich das, was jemand sagt, nur mit großer Mühe, Lippenlesen oder gar nicht mehr verstehen, dann erfüllt der Sender schlicht den Staatsvertrag einschließlich des Medienstaatsvertrags nicht. Der verpflichtet ARD und ZDF beispielsweise, mit ihren Beiträgen „Achtung vor Leben, Freiheit und körperlicher Unversehrtheit, vor Glauben und Meinungen anderer zu stärken“. Und noch grundsätzlicher verlangt er, nicht nur bewegte Bilder anzubieten, sondern auch einen verständlichen Ton dazu, kurzum, etwas, das wenigstens formalen Mehrwert besitzt. Letzteres steht nicht explizit im Vertrag, gewiss, und auch nicht in der Selbstverpflichtung, aber ich bitte Sie herzlich, Herr Hager, Herr Dr. Himmler, sich bei dieser hier entspinnenden Auseinandersetzung nicht unbedingt auf das dümmstmögliche Argument zu kaprizieren.
Wer etwas ohne formalen Wert sendet, kann keinen Anspruch auf ungeschmälerte Zahlung erheben. Bisher lautete das Argument der öffentlich-rechtlichen Hierarchen gegenüber denjenigen, die sagen, sie würden deren Angebot gar nicht sehen und hören wollen, immer: Aber sie könnten es doch tun. Das läuft hier, verehrte Intendanten, offenkundig ins Leere. Mit dem, was die ARD am 20. Juli zuließ, lieferte sie eine Begründung für einen Zahlungsstopp, deren Bedeutung sie möglicherweise selbst noch nicht überblickt. Die Anstalt wechselt gewissermaßen auf ein anderes Spielfeld mit härteren Regeln, über die demnächst das Bundesverwaltungsgericht entscheidet.
Der Ausgewogenheit halber behandelt dieser Text nicht nur die ARD, sondern das ZDF gleich mit, da sich beide im Grundproblem nicht unterscheiden. Bisher schlugen ARD und ZDF jeden Vorwurf der Einseitigkeit, der systematischen Verzerrung, der Agitation und der Falschbehauptungen mit zwei Argumenten aus dem Feld: Entweder handelt es sich in diesen Fällen nämlich um eine freie redaktionelle Entscheidung – oder einen bedauerlichen Fehler.
Wenn das Schweizer Unternehmen Media Tenor in einer Langzeitanalyse sehr nüchtern und zahlenbasiert nachweist, dass bei den Öffentlich-Rechtlichen im Gegensatz zur im Medienstaatsvertrag geforderten Ausgewogenheit eine schwere linksgrüne Schlagseite herrscht, dann wischten Intendanten und Chefredakteure das erstens mit der Bemerkung weg, die Zahlen stimmten nicht, und zweitens könnten sie in Talkshows einladen, wen sie wollten. Einseitigkeit sei gar kein Problem. Also ganz nach dem Muster: Ich hatte mir nie einen Topf geborgt, außerdem war er sowieso schon kaputt.
Damals, 2023, schickte der Deutschlandfunk gegen die Analyse von Media Tenor und dessen Chef Roland Schatz den grünen Spindoktor Johannes Hillje vor, der als Stichwortgeber ins Mikro erzählte, Schatz’ Langzeituntersuchung sei von der CDU bezahlt, und Media Tenor sei in Wirklichkeit eine „PR-Firma“. Beide Male handelte es sich um klare Falschbehauptungen. Der Deutschlandfunk nahm die Sendung nach Protesten aus der Mediathek und buchte das Ganze unter „bedauerlicher Fehler“ ab.
Dass Hillje 2014 die EU-Wahlkampfkampagne der Grünen leitete und enge Verbindungen zur Böll-Stiftung unterhält, erfuhren die Hörer selbstredend nicht. Fällt unter redaktionelle Freiheit. Am gleichen 20. Juli 2025, als die ARD die Parolen des „Zentrums für Politische Schönheit“ übertrug, beklagte Dunja Hayali in der Abendausgabe des heute journals eine „heftige Wucht an Verleumdung und Desinformation“ gegen die SPD-Verfassungsgerichtskandidatin Frauke Brosius-Gersdorf. In dem folgenden Einspieler hieß es, vor deren geplanter Wahl hätte es „unzählige Falschinformationen“ gegeben – wozu das ZDF Artikel der Medien Apollo, Nius und Tichys Einblick einblendete.
Allerdings, ohne eine einzige konkrete Falschinformation zu nennen. Dazu sah sich der Sender auch auf Nachfrage nicht in der Lage. Auch nicht zu der Information an die Zuschauer, dass der dazu interviewte unvermeidliche Experte zur „Grünen Akademie“ der Böll-Stiftung gehört. Redaktionelle Freiheit, siehe oben.
Wiederum das ZDF zauberte in „Terra X“ in einer Krach- und Lachgeschichte angebliche Beweise für eine russische Steuerung der Anschläge von Aschaffenburg und Mannheim aus den Tiefen des Internets. Die Mainzer strahlten den Unfug aus, obwohl Experten von BND und Verfassungsschutz mitteilten, dass es sich bei den Indizien um Datenschrott handelte. Der „Terra X“-Beitrag erfüllte sämtliche Kriterien der Desinformation, die bekanntlich nach ZDF/ARD-Ansicht Unseredemokratie aushöhlt. Aber: Redaktionelle Freiheit macht es möglich.
Die ARD, um wieder auf das Erste zurückzukommen, verfälschte 2023 eben mal die Kriminalstatistik, um die Grünen als die hauptsächlich von politisch motivierten Übergriffen betroffene Partei zu präsentieren und rechten Kräften die Schuld dafür zu geben. Stimmt beides nicht. Redaktionelle Framingfreiheit.
Die Behauptung der ARD-Tagesschau, ebenfalls 2023, der Atomunfall von Fukushima hätte 18.500 Tote gefordert: bedauerlicher Fehler.
Wenn man beim MDR an der Tonspur herummanipuliert, um Schmerzensschreie eines weggeführten Straßenblockierers der „Letzten Generation“ ein bisschen dramatischer zu gestalten, dann ereignete sich im Anstaltsbau laut MDR ein „unerklärliches, bedauerliches Missgeschick“.
Genauso wie in den anderen im oben verlinkten Beitrag aufgeführten Fällen der öffentlich-rechtlichen Bildfälschungen, etwa, wenn das ZDF den Wasserdampf aus dem Kühlturm eines Kernkraftwerks schwarz färbt, weil das besser zur Einordnung der Atomkraft unter „fossile Energie“ (heute journal) passt.
Verbreitet Jan Böhmermann im ZDF verleumderische Falschbehauptungen über den früheren Chef des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnologie Arne Schönbohm, die ihn – also Schönbohm – den Job kosten: redaktionelle Freiheit. Das ZDF besteht auch heute noch darauf, alles richtig gemacht zu haben.
Dass der RBB auf Grundlage einer gefälschten Eidesstattlichen Erklärung den Berliner Grünenpolitiker Stefan Gelbhaar mit erfundenen Belästigungsvorwürfen terminlich so passend zu Fall brachte, dass Habecks Wahlkampfmanager Andreas Audretsch Parteifreund Gelbhaar den Platz zwei auf der Landesliste wegschnappen und sicher in den Bundestag einziehen konnte, dieses Hit piece also kostet den ARD-Sender, für den Audretsch früher arbeitete, dem Vernehmen nach eine bislang geheim gehaltene höhere sechsstellige Schadenersatzsumme. Die allerdings nicht die verantwortlichen Mitarbeiter aufbringen müssen, sondern die Gebührenzahler.
Hier mischen sich vermutlich redaktionelle Freiheit und bedauerliches Missgeschick in einem noch zu klärenden Verhältnis. Dieser Text könnte noch mehrere Seiten mit Exempeln dieser Sorte fortfahren, und sie verteilen sich paritätisch auf beide Senderfamilien.
Meldet das ZDF, Atomstrom in Frankreich koste horrende 70 Cent ab Werk, wobei den Experten vom Lerchenberg einfach eine Null in die Rechnung rutschte – Missgeschick –, löst die ARD gleich das globale Energieproblem dank eines stromerzeugenden Fernsehers.
In einer Hinsicht herrscht also sogar ein bisschen Wettbewerb, wer die Pinocchio-Nase vorn hat. Vor allem aber herrscht absolute Verlässlichkeit: Nie, niemals, unter keinen Umständen verrechnet sich eine öffentlich-rechtliche Anstalt bei Windstrom um das Zehnfache nach oben, fügt falsche Schmerzensschreie bei abgeführten Anti-Corona-Impfpflichtdemonstranten ein oder legt sie ihre redaktionelle Freiheit dahingehend aus, ein oder sogar zwei rechte beziehungsweise libertäre Journalisten in den ARD-Presseclub zu laden. Und nie ging oder geht ein Sommerinterview mit grünen Politikern im Brüllsturm unter. Nie würde eine Moderatorin Alice Weidel fragen, was ihr lieber wäre, der Nobelpreis oder der Einzug ins Kanzleramt. Es läuft also seit Jahren „eine ganz schematische Geschichte“ (Franz Kafka) ab.
Bis zu diesem Nichtinterview vom 20. Juli 2025. Denn dass es sich um den Gebrauch ihrer redaktionellen Freiheit handelte, als sie akustisch unverständliche Szenen ausstrahlte, dürfte die ARD in ihrem eigenen Interesse nicht vortragen. Sollte sie sich auf ein Missgeschick herausreden wollen, dann unternahm sie offenkundig nicht das Geringste, um dessen Folgen zu beheben, was technisch, siehe oben, ein Kinderspiel gewesen wäre.
Wer sich also schon länger mit dem Gedanken trug, an seiner Rundfunkgebührenlastschrift etwas zu ändern, der kann das ab jetzt genau mit diesem Vorgang begründen. Und zwar in Verbindung mit einer rechtlichen Auseinandersetzung, die in diesem Oktober vor dem Bundesverwaltungsgericht Leipzig erst richtig anläuft. Über diesen Rechtsstreit erfahren Sie nichts Brauchbares bei ZDF und ARD, dafür aber hier in diesem völlig gebührenfreien Medium.
In Bayern klagte eine Bürgerin auf Nichtzahlung der Rundfunkgebühr mit dem Argument, sie sei grundsätzlich zahlungswillig, allerdings nur, wenn die Öffentlich-Rechtlichen ihr auch die Leistungen anbieten, zu denen Rundfunk- und Medienstaatsvertrag sie verpflichten. Die Sender, so die Dame, erbrächten ihre Leistung nicht. Daher auch keine Bezahlung. Das Bayerische Verwaltungsgericht wies die Klage ab und ließ mit Urteil vom 17. Juli 2023 auch keine Revision zu. Dagegen erhob ihr Anwalt Friedemann Willemer Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesverwaltungsgericht. Das Gericht in Leipzig gab ihr am 23. Mai 2024 statt, und zwar mit einer bemerkenswerten Begründung. Dort heißt es:
„Die Revision der Klägerin ist zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat. Das Revisionsverfahren kann Gelegenheit zur Klärung der Frage geben, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen gegen die Beitragserhebung geltend gemacht werden kann, der Auftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, ein der Vielfaltssicherung dienendes Programm anzubieten, werde strukturell verfehlt, so dass es an einem individuellen Vorteil fehle (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. April 2023 – 1 BvR 601/23 – NVwZ 2024, 55 Rn. 9).“
Außerdem bezeichnete auch schon das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 24. April 2023 (1 BvR 601/23) den Einwand der Klägerin gegen die Beitragserhebung für klärungsbedürftig.
Am 1. Oktober 2025 um 10 Uhr beginnt nun dieses Revisionsverfahren am Bundesverwaltungsgericht Leipzig (Az. 6 C 5.24), das erstmals klären soll, ob ein Gegenseitigkeitsverhältnis zwischen Gebührenzahlern und öffentlich-rechtlichen Anstalten besteht, also, ob die Bürger für ihr Geld eine vertraglich bestimmte Leistung verlangen und bei Nichterfüllung ganz oder teilweise die Zahlung verweigern können. Bisher bestreiten die Verantwortlichen der Anstalten jede Wechselseitigkeit. Egal wie politisch einseitig, manipulativ und lächerlich das Programm – es falle samt und sonders unter redaktionelle Freiheit nebst Missgeschicken, und dafür sei eben der festgesetzte Preis zu zahlen, Punkt, Ende. Anderenfalls droht Gefängnis.
Nach der Logik von Hager & Himmler könnten ARD und ZDF auch 24 Stunden ein Testbild in Regenbogenfarben oder eine Dauerdokumentation über Anton Hofreiters Haarschnitte ausstrahlen, ohne eine Schmälerung ihrer Milliardenzahlungen hinnehmen zu müssen. Das sahen die Bundesverwaltungsrichter nun etwas anders. Zu welchem Urteil sie am Ende kommen, steht völlig offen. Aber ARD und ZDF können auch nicht mehr behaupten, rechtlich sei es sonnenklar, dass die Bürger für alles zahlen müssten, was beide Anstalten nach Gutdünken in die medialen Kanäle pumpen.
Was bedeutet das nun für die Kündigung des Rundfunkbeitrags? Im Fall des Autors steht das noch nicht fest. Vielleicht gibt es eine finanzielle Differenzierung zwischen ARD und ZDF, vielleicht geht das Geld erst einmal auf ein Notaranderkonto bis zu einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Möglicherweise läuft es auf eine Leistungskürzung im Sinne der oben erwähnten Klage hinaus. Um einen früheren Wirtschaftsminister abzuwandeln: Es ist nicht ausgeschlossen, dass ich ARD und ZDF vorübergehend nichts mehr liefere, aber die Zahlung später wieder aufnehme. Oder auch nicht. Diese Vielfalt der Möglichkeiten bietet Verfahren für jeden Geschmack und jedes Temperament. Aber jetzt einfach die Zahlung von 18,36 Euro weiterlaufen zu lassen, das hieße, eine Gelegenheit nicht zu nutzen.
Es gibt nur einen Weg, um die Aufmerksamkeit der Öffentlich-Rechtlichen zu erlangen. Und das ist der finanzielle, genauer: die Definanzierung. Auf nichts sonst reagieren die Senderhierarchen. Es könnte in Zukunft darauf hinauslaufen, dass die Vertretung der Gebührenzahler mit einem höchstrichterlichen Urteil Umbau, Schrumpfung und Kontrolle der Anstalten erzwingt.
Ein anderes Szenario besteht darin, dass in einem Bundesland ein Volksentscheid durchkommt, den Staatsvertrag zu kündigen. Ein kündigendes Land genügt, damit der Vertrag völlig neu und mit ganz anderen Konditionen verhandelt werden müsste. Die dritte Variante sieht so aus: Wie weiland der französische Adel, der bis 1789 an seiner Position oberhalb des Pöbels nichts ändern wollte, gehen die Zwangsgebührensender ganz einfach unter. Ohne anschließendes Walten des Schrägmessers, aber auch ohne schöne kulturelle Hinterlassenschaften wie die Loireschlösser.
Noch, verehrte Herren Hager & Dr. Himmler, können Leute wie Sie ein wenig mitentscheiden, wohin die Reise geht. Ab einem bestimmten Punkt allerdings nicht mehr. Dann kann nichts den Lauf der Dinge stoppen.
Mit geldlosen Grüßen, aber in Resozialisierungsfragen ganz der Ihre, Alexander Wendt