
„Beschuldige deinen Feind dessen, was du selbst tust, während du es tust.“ Dieses berühmte Zitat wurde von Karl Marx über Joseph Goebbels bis zu Sun Szu schon vielen historischen Personen zugeschrieben. Wer der wahre Urheber ist, ist unklar.
Glasklar hingegen ist, wer diesen Satz tief verinnerlicht hat. Seit der gescheiterten Richter-Wahl, die wegen der Kontroverse rund um Frauke Brosius-Gersdorf abgesetzt worden war, eskaliert sich das linke Lager in eine Kampagne hinein, die genau diesem Leitsatz folgt. Man beklagt eine angebliche Lügenkampagne gegen die Juristin und ihre Positionen zu diversen Reizthemen, insbesondere dem Themenkomplex Schwangerschaftsabbruch – und betreibt gleichzeitig damit selbst eine. Denn die Vorwürfe gegen die angebliche Kampagne und ihre angeblichen Macher – sie sind selbst von Lügen, Halbwahrheiten und Verdrehungen durchzogen.
Seit nunmehr einer Woche läuft das linke Lager Sturm gegen Falschaussagen, die es so in der Breite nicht gegeben hat. Brosius-Gersdorfs Positionen insbesondere zur Abtreibung seien verdreht und verzerrt worden, eine organisierte und bösartige „Kampagne“ wird herbeiphantasiert. Dabei sind der Phantasie auch keine Grenzen gesetzt.
Frauke Brosius-Gersdorf selbst zeigte das, als sie sich im freundlichen Gespräch bei Markus Lanz nach allen Regeln der Kunst aus der Affäre zu ziehen wollte – auch mit Auslassungen. So erklärte sie mit Blick auf Schwangerschaftsabbrüche unter anderem, sie sei nie für die Legalisierung der Abtreibung bis zur Geburt eingetreten und habe dem Fötus auch nie sein „Recht auf Leben“ abgesprochen.
Juristen wissen bekanntlich, wie man Worte genau und präzise wiegt – und Brosius-Gersdorf ist auch in diesem Sinne eine sehr fähige Juristin. Denn für die „Legalisierung“ von Schwangerschaftsabbrüchen trat sie nicht direkt ein.
Was sie aber tat und wofür sie eintrat, ist klar dokumentiert. Etwa im April 2024, damals als stellvertretende Leiterin der Paus-Arbeitsgruppe zum Schwangerschaftsabbruch, erklärte Brosius-Gersdorf: „Ab circa 22. Schwangerschaftswoche ist der Schwangerschaftsabbruch grundsätzlich rechtswidrig. Soweit der Gesetzgeber Schwangerschaftsabbrüche untersagt, darf er das Verbot strafrechtlich absichern – muss es aber nicht.“ Sie erklärte auch: „Eine Strafbewährung des rechtswidrigen Schwangerschaftsabbruchs ist zulässig, wenngleich nicht geboten.“
Diese Auffassung ist zumindest nicht die juristische Mehrheitsmeinung – und sie öffnet die Tür für eine komplette Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs. Das wäre keine „Legalisierung“ im rechtlichen Sinne, aber de facto käme es ganz nahe dran. Dass sie dabei, ausgerechnet als prägender Teil der aktivistischen Paus-Kommission zur Abtreibung, nur rein wissenschaftliche Gedankenexperimente durchexerziert haben will – das wird sie am Ende nicht mal selbst glauben.
Der Kern des Problems und der tatsächliche Kern der Kritik war aber auch nie die Haltung zum Schwangerschaftsabbruch, sondern die Argumentation, die dahinter steht. Frauke Brosius-Gersdorf hat dem ungeborenen Leben die Menschenwürde abgesprochen, sie zumindest relativiert – und damit die Menschenwürde an sich zur Disposition gestellt.
Ihre Irreführung wird in dieser Frage besonders auffällig: Als sie bei Lanz wiederholt und mit Nachdruck versicherte, sie wolle ungeborenem Leben ja nicht sein Recht auf Leben absprechen, hatte sie damit recht. Denn Artikel Zwei des Grundgesetzes hatte sie in diesem Sinne nicht relativiert und mit ihm sogar für die Rechte von Ungeborenen argumentiert. Darum ging es aber auch der Kritik gar nicht – Brosius-Gersdorf verdrehte und verkürzte die sachlichen Argumente ihrer Kritiker und fackelte einen Strohmann ab, den das gesamte linke Lager nachbaute. Die erste große, linke Verdrehung in der Causa Brosius-Gersdorf.
Die zweite folgte unmittelbar: Denn in diesem Stil verläuft seitdem auch die linke, erregte Debatte über „Fake News“, die angeblich eine tadellose und unumstrittene Juristin auf ihrem verdienten Weg nach Karlsruhe zu Fall gebracht hätten. Die gesamte Diskussion über angebliche, böswillige Verkürzungen und Fehlinterpretationen von Rechts fußt kurzerhand selbst auf einer solchen, gezielten Fehlinterpretation. Und überdrehte auf dieser Basis auch in die absurdesten Tiefen der Verschwörungstheorien.
Paradebeispiel dafür ist der Grünen-Politiker Konstantin von Notz, der sich am Dienstag in einer wirklich wirren Postkette auf X aus dem Reich des Rationalen verabschiedete. In seinen Posts, die so auch aus der Telegram-Gruppe „zum festen Aluhut“ hätte kommen können, meinte er, „gezielte Kampagnen“ erkennen zu können, die den „Konsens in der politischen Mitte“ bewusst zerstören wollen würden. Dann schwurbelte er sich an die Spitze der Absurdität: „Oft gibt es bei solchen Vorgängen durchaus Hinweise bezüglich der Finanzierung und Unterstützung solcher Kampagnen auch aus dem Ausland. Das muss auch hier untersucht werden.“
Nicht nur sei das alles eine planvolle und dubiose „Kampagne“ – sie sei bestimmt auch noch, wie von Notz hier bewusst nahelegt, aus dem Ausland gesteuert. „Diese Mechanismen, das Hintertreiben politischer Kompromisse und die Verächtlichmachung staatlicher Institutionen wie höchster Gerichte, geschieht planvoll“, schrieb von Notz weiter, voll ergriffen von seiner eigenen, stumpfen Verschwörungstheorie.
Dass das Bundesinnenministerium keine amtlichen Informationen vorweisen kann, die diese Behauptungen von einer gesteuerten Kampagne aus dem Ausland stützen, ist dann auch zweitrangig – dieses Narrativ hat sich längst verselbstständigt und sich von Fakten und Wahrheit unabhängig gemacht. Genau das, was die Grünen in der Debatte um Brosius-Gersdorf bestürzt beobachtet haben wollen, betreiben sie mit Hochdruck selbst.
Auch manche Medien bemühten sich nach Kräften, die Wahrheit zu verdrehen und zu verschleiern. Exemplarisch sei an dieser Stelle der Deutschlandfunk erwähnt, der Apollo News als Urheber von „Diffamierungen“ gegen Brosius-Gersdorf erkannt haben wollte. In einer Reihe von Posts auf Instagram hob der öffentlich-rechtliche Sender tatsächlich den Artikel von uns hervor, der die kritische Auseinandersetzung mit der Juristin und ihren Thesen angestoßen hatte.
Die darin geschilderten Positionen werden durch den Deutschlandfunk konsequent im Konjunktiv geschildert – eine perfide Diffamierung, die bewusst den Eindruck erwecken soll, die dort niedergeschriebenen Punkte stimmten eigentlich alle gar nicht. Doch in unserem Artikel stimmte jedes Wort – er war eine sachliche Auflistung von kontroversen Positionen der Verfassungsgerichts-Kandidatin. Für den Konjunktiv gab es keinen Grund – und hätte der Deutschlandfunk seine Zuschauer informieren wollen, statt sie zu täuschen, hätte er ihn weggelassen. So aber betrieb der Sender genau das, was er Apollo News und anderen vorwarf, selbst: Er verdrehte und täuschte mit billigen Tricks.
Doch um die Fakten ging es zu diesem Zeitpunkt längst nicht mehr – eine postfaktische Empörungs-Debatte war längst ausgebrochen, in der es nur ums Niederknüppeln der politischen Gegner ging. Der Vorwurf von „Fake News“, der selbst ein Fake News
Konstantin von Notz brachte das in der ihm eigenen Schamlosigkeit auf den Punkt: Dass die Regierung die Debatte einfach „laufen lassen“ habe, sei ein Unding, schimpfte der Grünen-Politiker. Das Kernproblem für das linke Lager bleibt die Debatte an sich. Denn dass die gezielt politische Ernennung einer Richterin mit in entscheidenden Fragen knall-linken Ansichten – vor allem ihre Position pro AfD-Verbot – überhaupt öffentlich diskutiert und kritisiert wird, ist für diejenigen, die Brosius-Gersdorf am liebsten still und heimlich in Karlsruhe installiert hätten, ein Sakrileg an „unserer Demokratie“.
Das alles ist vollkommen frei von irgendwelchen Belegen, ja selbst Indizien werden nicht vorgebracht: Die Behauptung, es sei eine haltlose Kampagne voller Lügen und Fake News gewesen, steht einfach für sich im Raum und begründet sich in den Augen linker Politiker und Medien offenbar aus sich selbst heraus. Eine im Endeffekt bedeutungslose und wenig aussagekräftige Daten-Analyse eines seltsamen, linken Thinktanks wird noch als Quasi-Kronzeuge herangezogen und breit zitiert, doch auch sie beweist am Ende gar keinen erhobenen Vorwurf.
Die Wahrheit ist und bleibt: Frauke Brosius-Gersdorf ist eine politische Juristin. Den Beweis hat sie selbst im Fernsehen und in Schriftform erbracht – und das wird auch nicht dadurch negiert, dass sie bei Markus Lanz sagt und dreißig mal betont, dass sie doch nur eine wissenschaftliche Wissenschaftlerin mit wissenschaftlichen Positionen sei. Sie hat glasklar für eine Impfpflicht argumentiert und diese als „erforderlich“ bezeichnet. Sie hat ihre Position zur Abtreibung deutlich gemacht und für eine Legalisierung, in späten Fällen gar auch im Sinne einer Straffreiheit argumentiert.
Die Wahrheit ist und bleibt auch: Mit ihren radikalen Positionen zur Menschenwürde macht Brosius-Gersdorf ein Fass auf, das sich nicht mehr schließen lässt – und dessen Boden die Abgründe der deutschen Geschichte ist. Die Menschenwürde wurde als direkte Lehre aus dem Nationalsozialismus als Artikel Eins ins Grundgesetz geschrieben – als Bekenntnis zu einer unantastbaren Menschenwürde, die jeder Mensch naturrechtlich im Moment seines Werdens besitzt.
Brosius-Gersdorfs Argumentation macht sie in letzter Konsequenz zu einer antastbaren Menschenwürde, die der Staat gewährt. Damit kann er sie aber auch wieder mit einem juristischen Federstrich aberkennen, wie Brosius-Gersdorfs Argumentation in Sachen Abtreibung exemplarisch zeigt. Ist die Menschenwürde erstmal relativ und vom Leben des Menschen an sich entkoppelt, kann vieles plötzlich zur Disposition stehen: Die Menschenwürde von Demenzkranken, die von schwer geistig Behinderten oder die von Koma-Patienten. Diese Haltung ist auch keine „gemäßigte Position“, wie Brosius-Gersdorf behauptet hat – weder an sich, noch im juristischen Kontext der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts.
Diese Beobachtung war der Kern der Kritik an der Nominierung von Frauke Brosius-Gersdorf. Daran ist nichts fake, nichts erfunden und nichts böswillig verdreht. Die völlig aus der Luft gegriffene Kampagne der Linken gegen eine angebliche Kampagne von Rechts ignoriert das bewusst – sie soll diese Kernfrage so vernebeln, das sich am Ende vor lauter „Fake!“-Furor niemand mehr traut, Fragen zu stellen.
Diese linke Kampagne – sie ist die wahre Verdrehung, der größte Fake und die härteste Desinformation in dieser Debatte. Die Empörung ist von vorne bis hinten ver- und erlogen, die Vorwürfe einer „Kampagne“ sind völlig unbelegt, aus der Luft gegriffen und eine Verschwörungstheorie in Reinform. Aber erfolreiche Desinformation berherzigt eben immer den Einleitungssatz: Beschuldige deinen Feind dessen, was du selbst tust, während du es tust. So wird Wahrheit zersetzt.